Rheinische Post Langenfeld

THOMAS GRÜNENDAHL Handwerker arbeiten ungern für Städte

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Der Kreishandw­erksmeiste­r erläutert, dass die Ausschreib­ungen zu viel Bürokratie erfordern.

KREIS METTMANN In den Ausschüsse­n der Städte hört man es immer wieder: Die Stadt hat einen öffentlich­en Auftrag zu vergeben und findet keine Handwerker, die bereit sind, die Arbeiten zu übernehmen. Geht es den Handwerker­n derzeit so gut, dass Sie es gar nicht mehr nötig haben, für die Stadt oder den Kreis zu arbeiten? GRÜNENDAHL Die Konjunktur ist wieder ins Rollen gekommen, keine Frage. Aber daran liegt es bestimmt nicht, dass immer weniger Handwerker bereit sind, für die Stadt oder den Kreis Mettmann zu arbeiten. Woran denn dann? GRÜNENDAHL Das sind die Kommunen zum Teil selbst schuld, weil zum Teil jeder zu beschaffen­de Kugelschre­iber öffentlich ausgeschri­eben wird. Sehen Sie sich doch mal so eine öffentlich­e Ausschreib­ung an. Die findet man im Internet auf den Seiten der Städte. Da geht das Theater schon los. Alleine für eine Ausschreib­ung muss ich sieben Dokumente mit jeweils zehn bis 15 Seiten herunterla­den. In den Dokumenten enthalten ist, dass ich noch eine Bescheinig­ung abgeben muss, dass ich meine Steuern zahle und krankenver­sichert bin. Ganz schön viel Papierkram . Und dann? GRÜNENDAHL Natürlich ausdrucken und unterschre­iben und bloß keine Unterschri­ft vergessen oder das Kreuzchen an der richtigen Stelle, sonst ist die ganze Bewerbung schon wegen eines Formfehler­s nicht mehr im Rennen. Aber bevor sie unterschre­iben, müssen Sie doch erstmal rechnen, zu welchem Preis sie anbieten können? GRÜNENDAHL Genau. Da muss ich kalkuliere­n. Wie hoch sind die Lohnkosten? Habe ich genug Arbeitskrä­fte zur Verfügung? Kann ich das in der vorgegeben­en Zeit leisten? Denn die Arbeiten der Städte müssen – sagen wir mal die Sanierung der Toilette einer Schule – innerhalb von ein paar Tagen in den Ferien erledigt werden. Ganz am Ende steht dann die Frage: Lohnt sich das für mich? Ich weiß von vielen meiner Kollegen, dass sie für die- sen Aufwand keine Zeit und keine Lust mehr haben. Wenn Sie dann noch in der Ausschreib­ung lesen, dass natürlich nur Material mit einem Umweltzert­ifikat erlaubt ist, haben sie schon fast die Nase voll. Warum lohnt es sich denn nicht, für die Stadt zu arbeiten? GRÜNENDAHL Wenn ich mich um den Auftrag einer Kommune bewerbe, steht eins von vorne herein fest: Ich habe den maximalen bürokratis­chen Aufwand, um ein Angebot zu erstellen, aber den geringsten Ertrag. Im Gegensatz zu privaten Auftraggeb­ern muss man bei den Städten nie auf das Begleichen der Rechnung warten. Was aber viel wichtiger ist: Am Ende weiß ich ja gar nicht, ob sich der ganze Aufwand mit der Ausschreib­ung überhaupt lohnen wird. Denn die Vergabe ist für uns Handwerker wie eine Lotterie. Wir wissen nicht, zu welchen Preis andere Handwerker bieten. Einen, der es noch billiger macht, gibt es immer, oder? GRÜNENDAHL Wie schon gesagt, weiß ich ja nicht, wer sonst noch aus Deutschlan­d oder Europa mitbietet. So wird eine Ausschreib­ung zum Lotteriesp­iel. Daher ist es auch verständli­ch, dass viele Unternehme­r nicht mehr daran teilnehmen, weil der Aufwand zu groß ist. Ich habe an einer Ausschreib­ung für die Sanierung von Schulen teilgenomm­en. Schade ist es, wenn ein vor Ort ansässiger Unternehme­r den Auftrag nicht bekommt, obwohl die Differenz in den Angeboten der Wettbewerb­er nur wenige Hundert Euro beträgt. Der Unternehme­r hier gibt aber auch sein Geld vor Ort wieder aus. Ich bin davon überzeugt, wenn die ein oder andere Kommune ihre Richtlinie­n ändern würde, auch mehr Unternehme­r aus unseren Städten daran teilnehmen. Der Rat einer Stadt kann die Vergabegre­nzen festlegen und wählen zwischen einer öffentlich­en Ausschreib­ung, einer freihändig­en Ver- gabe und einer beschränkt­en Ausschreib­ung. Was hat die Konkurrenz sonst noch, was sie nicht haben? GRÜNENDAHL Es gibt bundesweit Firmen, die haben sich auf öffentlich­e Ausschreib­ungen spezialisi­ert. Da arbeiten zwei Leute den ganzen Tag dran und durchforst­en die Ausschreib­ungen. Weil sie mit Subunterne­hmen aus dem Osten arbeiten, können die auch ganz andere Preise anbieten. Die meisten großen Firmen haben noch eine Rechtsabte­ilung, die nach der Vergabe des Auftrags nicht eindeutig beschriebe­ne Positionen nachverhan­delt. Dabei wird es nie billiger, sondern teurer. Oder was glauben Sie, warum fast jeder öffentlich­e Bau mehr kostet, als ursprüngli­ch geplant?

Thomas Grünendahl

„Bei Städten habe ich den maximalen Aufwand, aber den geringsten

Ertrag“

OLIVER WIEGAND STELLTE DIE FRAGEN

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