Erdogan setzt die Nazi-Keule ein
Nun hat Recep Tayyip Erdogan im Streit um die verhinderten Wahlkampfauftritte türkischer Regierungspolitiker in Deutschland die ganz große Keule herausgeholt. Der türkische Präsident weiß genau, was er tut, wenn er das Deutschland von 2017 mit der NS-Diktatur vergleicht: Er richtet im Verhältnis der beiden Länder größtmöglichen Schaden an. Das war kein Ausrutscher, kein Versehen. Erdogan ist gar nicht interessiert daran, dass Versuche, die aufgeheizte Stimmung zu beruhigen, Erfolg haben. Ganz im Gegenteil. In Ankara glaubt man, den eskalierenden Streit mit den Deutschen im Wahlkampf um eine neue Präsidialverfassung instrumentalisieren zu können.
Die Menschen in der Türkei kennen dieses zynische Spiel schon. Diese hemmungslose Polarisierung, diese Hetze gegen Kritiker und politische Gegner, die ein Klima der Angst geschürt haben, das nun auch nach Deutschland zu ziehen droht. Dies ist auch der Grund, warum die Wahlkampfauftritte türkischer Minister so gefährlich sind für den inneren Frieden in Deutschland. Wir dürfen nicht zulassen, dass auch in Deutschland lebende Türken es bald nicht mehr wagen, sich kritisch über Erdogan zu äußern. Auch diese Meinungsfreiheit gehört verteidigt. BERICHT EMPÖRUNG ÜBER ERDOGANS NAZI-VERGLEICH, TITELSEITE
Ausbildung statt Alimente
Offenbar hat sich Martin Schulz die Kritik von Wirtschaftsvertretern, der Arbeitsagentur, aber auch von Ex-SPD-Chef Müntefering zu Herzen genommen. Seine Vorschläge zur Agenda-Reform sind kein Programm zur Alimentation und Frühverrentung. Das Konzept ist eine bedenkenswerte Weiterentwicklung, weil er die Qualifizierung in den Mittelpunkt rückt und das Fordern dem Fördern nicht unterordnet. Der damalige Paradigmenwechsel war ja gerade, dass Hilfe nur bekommt, wer sich selbst helfen will.
Dass ältere Arbeitslose künftig (noch) länger Arbeitslosengeld beziehen können, wenn sie sich für neue Jobs qualifizieren lassen, ist finanziell verkraftbar, zumal der Wiedereinstieg in den Beruf wahrscheinlicher wird. Das Problem ist, dass Millionen offener Jobs nicht zu den Fähigkeiten der Arbeitslosen passen. Die digitale Transformation verschärft dieses Problem. Die Arbeitsagentur muss deshalb mehr denn je zu einer Qualifizierungsagentur umgebaut werden. Hier muss der Staat helfen. Schön wäre es, wenn die SPD sich aber auch Gedanken machen könnte über die wertschöpfenden Unternehmen und Unternehmer. BERICHT SCHULZ WILL LÄNGERES ARBEITSLOSENGELD, TITELSEITE
Falsches Verbot
Die Pläne des Bundesgesundheitsministers sind nur in ihrem Kern richtig: Die Versorgung der Menschen mit teils lebenswichtigen Medikamenten muss zu jeder Tag- und Nachtzeit über die Apotheken auch in ländlichen Gebieten erhalten bleiben, erst recht angesichts einer alternden Gesellschaft. Dennoch ist das Vorhaben von Minister Gröhe (CDU) falsch, den Online-Handel mit rezeptpflichtigen Medikamenten künftig vollständig zu verbieten. Setzt er sich damit am Ende durch, müssen vor allem Patienten mit chronischen Krankheiten hohe Mehrkosten pro Jahr fürchten.
Sie profitieren derzeit von einem Rabattsystem, das die Online-Apotheken anbieten. Gleichzeitig ignoriert Gröhe, wie gut sich dabei stationäre Apotheken und ihre Pendants im Netz ergänzen: Solche Patienten bekommen ihre teils sehr speziellen Medikamente jederzeit im Netz, Apotheken vor Ort können sie aus wirtschaftlichen Gründen nicht vorhalten. Ein Mittelweg wäre nun angebracht: Leistungen der Apotheker besser vergüten, Versandhandel erhalten. BERICHT