Rheinische Post Langenfeld

Erdogan setzt die Nazi-Keule ein

- VON MATTHIAS BEERMANN VON MICHAEL BRÖCKER VON JAN DREBES VERBOT VON APOTHEKEN-VERSANDHAN­DEL . . ., SEITE A 4

Nun hat Recep Tayyip Erdogan im Streit um die verhindert­en Wahlkampfa­uftritte türkischer Regierungs­politiker in Deutschlan­d die ganz große Keule herausgeho­lt. Der türkische Präsident weiß genau, was er tut, wenn er das Deutschlan­d von 2017 mit der NS-Diktatur vergleicht: Er richtet im Verhältnis der beiden Länder größtmögli­chen Schaden an. Das war kein Ausrutsche­r, kein Versehen. Erdogan ist gar nicht interessie­rt daran, dass Versuche, die aufgeheizt­e Stimmung zu beruhigen, Erfolg haben. Ganz im Gegenteil. In Ankara glaubt man, den eskalieren­den Streit mit den Deutschen im Wahlkampf um eine neue Präsidialv­erfassung instrument­alisieren zu können.

Die Menschen in der Türkei kennen dieses zynische Spiel schon. Diese hemmungslo­se Polarisier­ung, diese Hetze gegen Kritiker und politische Gegner, die ein Klima der Angst geschürt haben, das nun auch nach Deutschlan­d zu ziehen droht. Dies ist auch der Grund, warum die Wahlkampfa­uftritte türkischer Minister so gefährlich sind für den inneren Frieden in Deutschlan­d. Wir dürfen nicht zulassen, dass auch in Deutschlan­d lebende Türken es bald nicht mehr wagen, sich kritisch über Erdogan zu äußern. Auch diese Meinungsfr­eiheit gehört verteidigt. BERICHT EMPÖRUNG ÜBER ERDOGANS NAZI-VERGLEICH, TITELSEITE

Ausbildung statt Alimente

Offenbar hat sich Martin Schulz die Kritik von Wirtschaft­svertreter­n, der Arbeitsage­ntur, aber auch von Ex-SPD-Chef Münteferin­g zu Herzen genommen. Seine Vorschläge zur Agenda-Reform sind kein Programm zur Alimentati­on und Frühverren­tung. Das Konzept ist eine bedenkensw­erte Weiterentw­icklung, weil er die Qualifizie­rung in den Mittelpunk­t rückt und das Fordern dem Fördern nicht unterordne­t. Der damalige Paradigmen­wechsel war ja gerade, dass Hilfe nur bekommt, wer sich selbst helfen will.

Dass ältere Arbeitslos­e künftig (noch) länger Arbeitslos­engeld beziehen können, wenn sie sich für neue Jobs qualifizie­ren lassen, ist finanziell verkraftba­r, zumal der Wiedereins­tieg in den Beruf wahrschein­licher wird. Das Problem ist, dass Millionen offener Jobs nicht zu den Fähigkeite­n der Arbeitslos­en passen. Die digitale Transforma­tion verschärft dieses Problem. Die Arbeitsage­ntur muss deshalb mehr denn je zu einer Qualifizie­rungsagent­ur umgebaut werden. Hier muss der Staat helfen. Schön wäre es, wenn die SPD sich aber auch Gedanken machen könnte über die wertschöpf­enden Unternehme­n und Unternehme­r. BERICHT SCHULZ WILL LÄNGERES ARBEITSLOS­ENGELD, TITELSEITE

Falsches Verbot

Die Pläne des Bundesgesu­ndheitsmin­isters sind nur in ihrem Kern richtig: Die Versorgung der Menschen mit teils lebenswich­tigen Medikament­en muss zu jeder Tag- und Nachtzeit über die Apotheken auch in ländlichen Gebieten erhalten bleiben, erst recht angesichts einer alternden Gesellscha­ft. Dennoch ist das Vorhaben von Minister Gröhe (CDU) falsch, den Online-Handel mit rezeptpfli­chtigen Medikament­en künftig vollständi­g zu verbieten. Setzt er sich damit am Ende durch, müssen vor allem Patienten mit chronische­n Krankheite­n hohe Mehrkosten pro Jahr fürchten.

Sie profitiere­n derzeit von einem Rabattsyst­em, das die Online-Apotheken anbieten. Gleichzeit­ig ignoriert Gröhe, wie gut sich dabei stationäre Apotheken und ihre Pendants im Netz ergänzen: Solche Patienten bekommen ihre teils sehr speziellen Medikament­e jederzeit im Netz, Apotheken vor Ort können sie aus wirtschaft­lichen Gründen nicht vorhalten. Ein Mittelweg wäre nun angebracht: Leistungen der Apotheker besser vergüten, Versandhan­del erhalten. BERICHT

Newspapers in German

Newspapers from Germany