Der Rückrunden-Tabellenführer
Borussia Mönchengladbach spielt beim 4:2 gegen Schalke phasenweise groß auf.
MÖNCHENGLADBACH Auf die Bewertung des 2:1 konnten sich alle einigen. Wie Raffael durch die gegnerische Abwehr tänzelte, Fabian Johnson mit der Sohle auf Lars Stindl ablegte, den Ball direkt in den Lauf zurückbekam und cool im Tor versenkte, das war eine Nominierung fürs „Tor des Monats“wert. Die Ästhetik des 3:1 entfaltete sich dagegen erst bei mehrmaligem Anschauen: Yann Sommer eröffnete das Spiel, über Jannik Vestergaard und Mo Dahoud landete der Ball rechts bei Tony Jantschke. Der suchte nach einem beherzten Antritt Raffael, der weiterleitete zu Dahoud, dessen Pass in die Nahtstelle auf Oscar Wendt die gesamte Abwehr des Gegners entblößte, auch der Schwede blieb cool im Abschluss – sechs Pässe, 24 Sekunden.
Borussia Mönchengladbach hat am 23. Spieltag eine Ausstellung für moderne Fußballkunst veranstaltet. Tony Jantschke meinte nachher: „Wir haben besonders in der zweiten Hälfte eine Party gefeiert, waren wie im Rausch.“Eine Mischung aus Documenta in Kassel und Karneval in Rio sozusagen. Die Generalprobe für das Hinspiel im Europa-LeagueAchtelfinale ist gelungen. 4:2 gewonnen, auf ganzer Linie überzeugt, das war auch eine Ansage an den nächsten Gegner, der seine Generalprobe wiederum 2:4 verlor – in beiden Fällen handelt es sich um den FC Schalke 04. Nach dem ersten von drei Spielen hat Gladbach die Königsblauen um fünf Punkte distanziert und geht als Favorit in die beiden Duelle in Europa.
In der Liga ist Borussia schon weitergekommen – vom Mittelfeld der Tabelle in die Reichweite der internationalen Plätze. Der 1. FC Köln, momentan Siebter, ist nur noch einen Zähler entfernt. Diese Platzierung würde den Gladbachern wahrscheinlich für einen Start in der dritten Qualifikationsrunde zur Europa League reichen. Denn zu 99 Prozent werden Bayern München oder Borussia Dortmund zum DFB-Pokalfinale nach Berlin fahren, zu 99 Prozent spielen beide auch nächste Saison international. Gewinnt jedoch keiner von beiden den Pokal, heißt der Sieger entweder Gladbach (was ohnehin die direkte Qualifikation für die Europa League bedeuten würde) oder Eintracht Frankfurt. Sollten die Hessen in der Liga noch abrutschen, wäre Gladbach wohl einer der Nutznießer.
Heckings Mannschaft hat also in der Theorie drei gar nicht so schlechte Chancen auf die vierte Teilnahme am Europapokal in Folge. Das ist, ganz praktisch, eine kleine Sensation nach der verkorksten Hinrunde in der Liga samt der Entlassung André Schuberts kurz vor Weihnachten. Seitdem hat Borussia 16 Punkte in sieben Spielen geholt, so viele wie in 16 Spielen zuvor. Und Hecking? Bekleidet wie seit fünf Wo- das Spiel. Seitdem hat das Team einen Lauf, besonders in zweiten Halbzeiten, der nur unterbrochen wurde von einer später wundersam korrigierten Niederlage gegen den AC Florenz und einem 1:2 gegen RB Leipzig. Mönchengladbach führt nach dem besten Start seit 1973 die Rückrundentabelle an.
Sorgen könnten derzeit nur die Kraftreserven bereiten nach neun Spielen in 29 Tagen. Doch die Zweifel räumte das Team am Samstag auf seine Weise mit 125 Kilometern Laufleistung aus, ein neuer Saisonrekord. Heute ist noch ein Tag Ruhe angesagt, dann gilt der Fokus wieder Schalke. Die Trilogie steht noch am Anfang – und zweite Halbzeiten beherrscht Borussia neuerdings.