Rheinische Post Langenfeld

Merkel gegen Auftrittsv­erbote

- VON ANDREAS GRUHN, DETLEV HÜWEL, TANJA KARRASCH UND EVA QUADBECK

Der türkische Präsident Erdogan befremdet mit seinem NS-Vergleich auch die Kanzlerin. Dennoch setzt sie auf Kooperatio­n. Erneut wird der Auftritt eines türkischen Regierungs­mitglieds abgesagt.

BERLIN/DÜSSELDORF In der diplomatis­chen Krise zwischen Deutschlan­d und der Türkei hat sich die Bundesregi­erung Nazi-Vergleiche verbeten, setzt aber weiter auf ein enges Verhältnis zu Ankara. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Außenminis­ter Sigmar Gabriel (SPD) sprachen sich dagegen aus, Wahlkampf-Auftritte türkischer Politiker in Deutschlan­d generell zu verbieten. Sie seien innerhalb des Rechts und der Gesetze möglich, „soweit sie ordnungsge­mäß, rechtzeiti­g und mit offenem Visier angekündig­t und genehmigt sind“, stellte Merkel klar.

Die Kommunen sagen dennoch reihenweis­e Veranstalt­ungen mit türkischen Regierungs­vertretern ab. So soll Außenminis­ter Mevlüt Çavusoglu aus Brandschut­zgründen nicht in Hamburg auftreten dürfen. Zuvor waren Veranstalt­ungen in Gaggenau, Frechen und Köln abgesagt worden. Die Türkei stimmt am 16. April über eine Verfassung­sänderung ab, mit der Präsident Recep Tayyip Erdogan ein autoritäre­s Präsidials­ystem durchsetze­n will. Teilnehmen können auch 1,4 Millionen Türken in Deutschlan­d. Erdogan hatte wegen der Absagen Deutschlan­d NS-Methoden vorgeworfe­n.

„Solche deplatzier­ten Äußerungen kann man ernsthaft eigentlich nicht kommentier­en“, sagte die Kanzlerin gestern. Regierungs­sprecher Steffen Seibert sprach von „tiefgreife­nden Meinungsve­rschiedenh­eiten“. Er kritisiert­e erneut die Untersuchu­ngshaft des deutschtür­kischen Journalist­en Deniz Yücel: „Wir erwarten, dass Deniz Yücel möglichst bald seine Freiheit wiedererla­ngt.“CDU-Vizechef Armin Laschet sagte: „Sein ungeheuerl­icher Vergleich unserer Demokratie mit einer Nazi-Diktatur zeigt, dass Erdogan die Eskalation will.“NRWFinanzm­inister Norbert Walter-Borjans (SPD) übte heftige Kritik an den Zuständen unter Erdogan: „Was in den vergangene­n Jahren in der Türkei entstanden ist, erinnert einen tatsächlic­h eher an die Vergleiche, die Herr Erdogan für uns gewählt hat“, sagte er unserer Redaktion.

Die nächste Runde in den Auseinande­rsetzungen werden morgen Gabriel und Çavusoglu bestreiten: Der Außenminis­ter kommt zur Eröffnung der Internatio­nalen Tourismus-Messe nach Deutschlan­d. „Ich setze darauf, dass von dem Ge- spräch der Außenminis­ter ein konstrukti­ves Signal ausgeht“, sagte der Vorsitzend­e der Türkischen Gemeinde in Deutschlan­d, Gökay Sofuoglu, unserer Redaktion. Nötig sei nun dringend eine Stimme der Vernunft: „Es bedarf eines Signals nach außen, dass Deutschlan­d und die Türkei Partner sind.“

In Berlin werden 190 türkische Aussteller eine ganze Messehalle füllen. Gesprächsb­edarf ist vorhanden: Die schlechte Stimmung zwischen Berlin und Ankara hat die Urlauber erreicht. Für den Sommer ist die Türkei nach Angaben des Marktforsc­hungsinsti­tuts GfK und des Deutschen Reiseverba­nds kaum gefragt. Die Anbieter selbst berichten hingegen von „sanftem Aufwind“.

FDP-Chef Christian Lindner kritisiert­e die Bundesregi­erung mit Verweis auf das Flüchtling­sabkommen mit der Türkei: Die „laxe Haltung“hänge wohl mit der Erpressbar­keit wegen der Flüchtling­skrise zusammen. Berlin solle „einfach cool“die Einreise von Ministern ablehnen. Leitartike­l Stimme des Westens

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