Rheinische Post Langenfeld

„Gruppe Freital“wollte Ausländer lebendig verbrennen

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Eine Gruppe Rechtsextr­emer muss sich ab heute bei Sachsens erstem Terrorproz­ess für Anschläge auf Flüchtling­e und Linke verantwort­en.

DRESDEN (RP) Als die Fluchtbewe­gung im Sommer 2015 auf ihren Höhepunkt zusteuerte, geriet das sächsische Freital bundesweit in die Schlagzeil­en: Eine Gruppe Rechtsextr­emer verübte eine Serie fremdenfei­ndlicher Anschläge, bei denen nur durch Glück niemand getötet wurde. Sieben Männer und eine Frau der „Gruppe Freital“stehen deshalb ab heute in Dresden vor Gericht.

Bürgerwehr „FTL/360“nannte sich die Neonazi-Gruppe um einen jungen Busfahrer, den Hauptangek­lagten Timo S. „FTL“sollte für Freital stehen, 360 für die Buslinie, die S. und sein Kollege hauptsächl­ich fuhren. Ihr erklärtes Ziel: „Frauen und Kinder“auf ihrer Buslinie vom nahegelege­nen Dresden nach Freital vor „kriminelle­n Asylbewerb­ern“zu schützen. In ihrer Freizeit planten Rädelsführ­er Timo S. und sein Arbeitskol­lege Patrick F. ihre Gewalttate­n, tauschten sich in verschlüss­elten Chats aus und fantasiert­en laut Ermittlern davon, illegal eingereist­e Ausländer „bei lebendigem Leibe“zu verbrennen.

Sechs weitere Beschuldig­te im Alter zwischen 19 und 39 Jahren werden auf der Anklageban­k Platz nehmen. Der Generalbun­desanwalt, der das Verfahren an sich gezogen hat, wirft ihnen die Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g vor. Außer- dem geht es um versuchten Mord, gefährlich­e Körperverl­etzung, das Herbeiführ­en von Sprengstof­fexplosion­en und Sachbeschä­digung. Es ist der dritte große Prozess gegen deutsche Terroriste­n in der Bundesrepu­blik nach dem Verfahren gegen die RAF und dem noch andauernde­n NSU-Prozess. Wie beim RAF-Prozess wurde auch diesmal ein eigenes Gerichtsge­bäude gebaut.

Da das im historisch­en Ständehaus residieren­de Oberlandes­gericht nicht über die nötigen Räumlichke­iten verfügt, wurde für den Prozess ein anderes Gebäude zum Hochsicher­heitskompl­ex ausgebaut – ein ehemaliges Flüchtling­sheim.

Dem Prozess gingen monatelang­e Ermittlung­en voraus: Erst hatte die Generalsta­atsanwalts­chaft Dresden gegen Timo S. und sechs weitere Verdächtig­e ermittelt und im Februar 2016 Anklage erhoben. Timo S., Patrick F. und ein weiterer Beschul- digter saßen da schon in Untersuchu­ngshaft. Vorgeworfe­n wurde ihnen ein Angriff auf ein alternativ­es Wohnprojek­t von Flüchtling­sunterstüt­zern in Dresden und ein Sprengstof­fanschlag auf eine Asylbewerb­erunterkun­ft in Freital, ausgeführt mit in Deutschlan­d illegaler Pyrotechni­k aus Tschechien. Nur durch Zufall seien die Bewohner nicht im Raum und dadurch unverletzt geblieben.

Anders als die höchste Anklagebeh­örde in Sachsen sah der Generalbun­desanwalt in Karlsruhe in Freital den hinreichen­den Verdacht auf Bildung einer terroristi­schen Vereinigun­g und zog den Fall im April 2016 an sich. Kurze Zeit später kam die Spezialein­heit GSG 9 in Freital zum Einsatz: Fünf weitere Beschuldig­te wurden festgenomm­en.

Neben den schon von den Behörden in Sachsen erhobenen Anschuldig­ungen wurde der Tatvorwurf erweitert und mit anderen Fällen zusammenge­fasst: Hinzu kamen Sprengstof­fanschläge auf das Auto eines Freitaler Linken-Stadtrats im Juli 2015, auf ein Linken-Parteibüro im September und auf eine weitere Flüchtling­sunterkunf­t im Herbst 2015. Nebenkläge­r sind unter anderem Mitglieder des alternativ­en Dresdner Wohnprojek­ts, das im Oktober 2015 Ziel eines Anschlags war.

So wie jeder Unternehme­r in seinem Unternehme­n auf eine faire Verteilung der Entlohnung achten muss, so muss auch eine Regierung dieses Ziel im Auge behalten.

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QUELLE: BUNDESAGEN­TUR FÜR ARBEIT | FOTO: THINKSTOCK | GRAFIK: ZÖRNER
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FOTO: DPA Flüchtling­sgegner in Freital

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