Rheinische Post Langenfeld

Fünf Familien, vier Modelle

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Wenn sich Nachwuchs ankündigt, stellt sich für Eltern die Frage: Wie wollen wir unser Leben organisier­en? Wer fährt seinen Job zurück? Die Entscheidu­ng ist von vielen Faktoren abhängig.

Dass eine Teilzeitst­elle ein Karrierehi­ndernis sein soll, kann Eike Friedrichs nicht bestätigen. Für seine heute zweijährig­e Tochter Amelie hatte der Wirtschaft­sinformati­ker (34) sechs Monate Elternzeit genommen und seine Stelle bei Bayer Business Services in Leverkusen auf 75 Prozent (30 Stunden) reduziert. Dann kam das Angebot, Leiter eines zehnköpfig­en IT-Teams zu werden, das klinische Studien unterstütz­t. „Ich habe immer mit offenen Karten gespielt und bin befördert worden“, sagt er. Ende dieses Monats geht er wieder in Elternzeit: für Melissa, seine zweite, nun fünf Monate alte Tochter. Er freut sich, und doch fällt es ihm etwas schwerer als beim ersten Kind. „Ich habe schon das Gefühl, jetzt mein Team im Stich zu lassen“, gibt er zu. Nach fünf Monaten wird er wieder zurück sein.

Seine Frau Diana (35) arbeitet ebenfalls bei Bayer, ebenfalls in leitender Position, aber im Marketing. Sie hat auch eine 75-Prozent-Stelle. „Wir sind beide ehrgeizig, wollten aber auch keine alten Eltern sein“, sagt Friedrichs. Dass er sich mit seiner Frau die Elternzeit teilt, ist auch im Freundeskr­eis die Ausnahme. „Meine Frau und ich sind gleichbere­chtigt und modern, das macht uns auch stolz.“Wichtig ist beiden, dass sie ihre Töchter nicht zu jung in die Kita geben – Amelie war ein Jahr alt, für Melissa ist Ähnliches geplant – und dass sie sie so abholen, dass sie Zeit miteinande­r verbringen können. Gemeinsame Zeit zu viert findet meist am Wochenende statt. „Wir haben keine Großeltern in der Nähe, deshalb war es uns wichtig, dass wir unsere Kinder selbst betreuen – mit Hilfe einer Kita“, sagt Eike Friedrichs. Der eine bringt, der andere holt ab. Wird ein Kind krank, wird gecheckt, wer die weniger wichtigen Termine hat oder ein Home-Office-Tag eingelegt.

Ein großer Posten im Familien-Budget ist der KitaPlatz für Amelie, der für die U2-Betreuung mit 45 Wochenstun­den rund 700 Euro monatlich kostet. „Dann ärgert es mich schon, wenn ich sehe, dass Nachbarkom­munen deutlich weniger verlangen“, sagt Friedrichs. Er wünscht sich deshalb gleich niedrige Sätze für alle.

Ein persönlich­es großes Opfer muss auch er für seine Doppelbela­stung bringen. „Zum Sport komme ich gar nicht mehr, da fehlt mir am Ende des Tages die Energie.“

Martina Stöcker

Als Bankkauffr­au war Melanie Hartkopf von morgens bis abends für ihre Kunden erreichbar. Nach dem Abitur hatte sie eine Ausbildung gemacht, zwölf Jahre lang arbeitete sie an ihrer Karriere. „Ich war sehr glücklich in meinem Beruf“, sagt die Ratingerin. Heute ist sie dreifache Mutter, die Karriere liegt auf Eis. Dennoch sagt sie: „Ich bin auch jetzt sehr glücklich.“Die Entscheidu­ng, ihren Beruf aufzugeben, um mit den Kindern zu Hause zu bleiben, hat die 38-Jährige selbst getroffen. „Meinen Job kann ein anderer übernehmen, aber meine Kinder sind meine Verantwort­ung.“

Zwei Jahre nach der Geburt von Nellie (6) hat Hartkopf es noch einmal in der Bank versucht. „Mein Arbeitgebe­r hat viel getan, um mir eine Rückkehr in Teilzeit zu ermögliche­n.“Aber als sich die heute dreijährig­e Hannah ankündigte, war klar: „Mit zwei Kindern hätte ich nicht auf meinen Posten zurückgehe­n können“, sagt sie. Es folgte Söhnchen Mark, inzwischen drei Monate alt. „Ich bereue nichts“, sagt die Mutter.

Hartkopf weiß, dass ihre Entscheidu­ng für die Familie und gegen den Beruf für manche nur schwer zu verstehen ist. „Aber in der Kita sehe ich das Gehetze manch einer berufstäti­gen Mutter und bin froh, dass ich nicht so gestresst bin und das nicht an meine Kinder weitergebe“, sagt sie. Erzählt sie neuen Bekannten, dass sie Hausfrau ist, reagierten diese häufig mit einem freundlich­en Nicken. Sie selbst zweifelt ab und an. „Aber dann erinnere ich mich, dass ich eine sinnvolle Sache tue“, sagt sie. „Meine Kinder sind nur einmal klein, das will ich nicht verpassen.“Ihr Mann, der als technische­r Berater in der Automobilb­ranche arbeitet, hätte sich die Rolle als Hausmann auch vorstellen können. „Aber er verdient deutlich mehr als ich, mit meinem Gehalt wäre das gar nicht gegangen.“Während seines Studiums habe sie ihn finanziell unterstütz­t, nun sei er eben dran.

Sorgen über die Zukunft versucht sie meist zu verdrängen, doch Gedanken macht sie sich. „Meine Mutter stand plötzlich mit fünf Kindern alleine da“, sagt die 38Jährige. „Jetzt als Rentnerin geht es ihr finanziell gar nicht gut.“Darum sorgt Hartkopf vor, zahlt regelmäßig in die private Altersvors­orge ein. „Sollte ich in so eine Situation kommen, hoffe ich, dass die Kinder so alt sind, dass ich wieder arbeiten gehen kann.“Emily Senf

Bereits mit 14 arbeitete Florian Spettmann in der Gastronomi­e, ließ sich später zum Koch ausbilden und hatte jahrelang Spaß im Beruf. Was er aber auch merkte: Familienfr­eundlich waren die Arbeitszei­ten nicht, Kollegen mit Kindern beklagten sich oft darüber. „Deshalb war für meine Frau Maike und mich von vorneherei­n klar: Wenn Nachwuchs kommt, bleibe ich zu Hause“, sagt der 32-Jährige aus Alpen. Seine Frau arbeitet als stellvertr­etende Heimleiter­in bei der Lebenshilf­e im Schichtdie­nst, was die Haushaltso­rganisatio­n schwierig macht, aber auch Freiräume bietet.

Als Sohn Leon vor fünf Jahren geboren wurde, ging Spettmann wie geplant in Elternzeit und kündigte danach seinen Job. „Natürlich war mein Arbeitgebe­r davon nicht sonderlich begeistert“, erzählt er. „Damals wurde man als Vater, der für sein Kind auf die Karriere verzichtet, noch wie ein Alien betrachtet.“Auch im Freundeskr­eis musste der frischgeba­ckene Hausmann sich viele dumme Sprüche anhören, wurde oft verspottet und bestenfall­s belächelt. Auf dem Spielplatz klopfte ihm einmal ein Polizist auf die Schulter und fragte ihn, warum er die Kinder beobachte. Zum Glück rief Sohn Leon da gerade nach seinem Papa. „Besorgte Mütter hatten die Beamten wohl alarmiert“, sagt Spettmann. „Heute hat sich das gesellscha­ftliche Klima aber gewandelt. Dass Väter zu Hause bleiben, ist selbstvers­tändlicher geworden – auch einige der Spötter in meinem Freundeskr­eis haben Elternzeit genommen.“

Spettmann bilanziert sein Leben als Hausmann durchweg positiv. Das Verhältnis zu seinen Kindern – zu Leon gesellte sich noch Lars (2) – sei viel intensiver, als wenn er arbeiten würde. „Man bekommt viel mehr von ihrer Entwicklun­g mit.“Mehr auf jeden Fall als seine Frau, die manchmal etwas neidisch ist. Und Spettmann weiß jetzt, wie anstrengen­d es ist, einen Haushalt mit zwei Kindern zu führen. Oft sei er so erschöpft wie nach einem harten Tag in der Restaurant­küche, erzählt er. Wobei die Vereinbaru­ng im Hause Spettmann lautet: Abwasch, Aufräumen und Putzen wird geteilt, das Kochen übernimmt der Mann im Haus. Schon allein weil Florian Spettmann so gerne kocht. Deshalb will er auch wieder beruflich in der Küche stehen, sobald die Kinder tagsüber gut versorgt sind. Jörg Isringhaus

Myrjam Ladenthin (39) und Carolin Hof (35) teilen sich eine Stelle in der Personalab­teilung bei 3M in Neuss. Beide arbeiten drei Tage, an jeweils zwei Tagen davon überschnei­den sie sich bei diesem „Jobsharing“. Die Zusammenar­beit der beiden funktionie­rt jedoch gut, weil sie eigene Themen verantwort­en und sich nicht eine Aufgabe teilen. „Deshalb müssen wir uns nicht ständig absprechen, weil jeder allein ein Thema von A bis Z verantwort­et“, erklärt Carolin Hof, die einen zweijährig­en Sohn hat und nach anderthalb Jahren Elternzeit wieder in den Job eingestieg­en ist.

Die beiden Frauen kennen sich schon länger, sind sich immer wieder bei Projekten begegnet. Als Myrjam Ladenthin vor der Geburt ihres ersten Sohnes vor fünf Jahren in Mutterschu­tz und Elternzeit ging, war Carolin Hof ihre Nachfolger­in. Seit Februar dieses Jahres teilen sie sich nun den Job, tauschen sich an ihrem gemeinsame­n Präsenztag­en oder per Email über ihre jeweiligen Aufgaben aus. „Zwei Köpfe bringen immer mehr als einer“, betont Ladenthin, die vor zwei Jahren einen zweiten Sohn bekommen hat. Die Bürotage des Duos sind eng getaktet, beide haben eine relativ lange Anfahrt – da kommt es auf jede Minute an. Was manchmal tagsüber nicht geschafft ist, wird abends am Computer nachgeholt, wenn die Kinder im Bett sind. „Man konzentrie­rt sich in der Teilzeit schon auf das Wesentlich­e“, stellt Ladenthin fest. Wenn sie aber „Familienze­it“haben, steht das Büro an zweiter Stelle. „Unser Vorgesetzt­er ist da verständni­svoll“, sagt Carolin Hof. „Für ihn zählt am Ende das Ergebnis.“

Generell mehr Flexibilit­ät auch bei anspruchsv­olleren Jobs wünscht sich Carolin Hof. „Viele Unternehme­n und Vorgesetzt­e könnten noch einiges mehr in Teilzeit-Modelle investiere­n“, sagt sie. Denn nicht die reduzierte Stundenzah­l sollte im Fokus stehen, sondern die Qualifikat­ion und effiziente Leistung des einzelnen Mitarbeite­rs. Myrjam Ladenthin sieht Verbesseru­ngsbedarf vor allem bei den Betreuungs­modellen der Kitas. „Bei einer ganzen Reihe gibt es nur feste Kontingent­e“, sagt sie. „Wir Eltern sollen möglichst flexibel sein. Da wäre es schön, wenn man uns ebenfalls entgegenko­mmen würde, zum Beispiel mit individuel­leren Betreuungs­zeiten.“Martina Stöcker

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