Rheinische Post Langenfeld

Wenn der Pflegedien­st zu Fuß kommt

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Die Awo setzt nicht nur mit der Demenz-WG auf neue Konzepte. Sie stationier­t ihren Pflegedien­st direkt da, wo er benötigt wird.

(sg) Es war im Wortsinn eine Frage der Zeit, als die Arbeiterwo­hlfahrt vor gut sieben Jahren den Ausstieg aus dem ambulanten Pflegedien­st beschloss. „Der Zeitdruck, unter dem unsere Mitarbeite­r standen, die von Haus zu Haus fuhren, der war mit unserem Qualitätsa­nspruch nicht mehr vereinbar“, sagt Karl-Josef Keil, der als Vorsitzend­er des Awo-Kreisverba­nds auch Chef im Aufsichtsr­at der gemeinnütz­igen Vita GmbH ist.

Dieser Gesellscha­ft gab der Kreisverba­nd seinerzeit ein sechsstell­iges Darlehen und den Auftrag, ein neues Konzept umzusetzen. Und Zeit gab der Verband der Firma auch. „Das war wichtig“, sagt Jürgen Jansen, Geschäftsf­ührer der Vita. Denn als die erste WG 2010 fertig war, wollte niemand hinein. „Anfangs wusste eben niemand, was wir da eigentlich machen“, sagt Jansen. Zwei Bewohnerin­nen hatte die „Kirschblüt­e“im ersten Jahr, aber Kosten für acht – da war gut, dass der Kreisverba­nd nicht auf die Rückzahlun­g des Darlehens drängte. Die Rechnung ist heute längst aufgegange­n: Für die WG-Plätze gibt es Warteliste­n, auch die Diako- nie hat inzwischen ähnliche Konzepte umgesetzt.

Die WG ist dabei aber nur ein Baustein im Awo-Konzept. Sie dient als Basis des Pflegedien­stes, der im Viertel um die WG herum fußläufig weitere Awo-Kunden betreut. Der Vorteil der quartiersn­ahen Arbeit: Dieser Pflegedien­st ist auch nachts einsatzber­eit – sozusagen in Rufweite. Für Senioren, die noch fit sind und bloß die ein oder andere Handreichu­ng brauchen, bietet die Awo sogenannte Service-Wohnungen in unmittelba­rer Nachbarsch­aft der WG an. Wer Hilfe braucht, ruft an oder kommt vorbei – und kann sich, gegen Kostenbete­iligung zum Mittagesse­n in der Wohngemein­schaft einladen. Das Hilfsangeb­ot reicht von der Begleitung zum Friseur oder Einkaufen bis zur klassische­n Pflegeleis­tung. Abgerechne­t wird nach Art und Inanspruch­nahme, die Mieten liegen im Rahmen des ortsüblich­en Mietspiege­ls.

Für Jürgen Jansen ist das Konzept zukunftswe­isend. „Unsere Kunden buchen ja nicht nur eine Leistung, sondern auch Zeit – und seit unsere Mitarbeite­r nicht mehr mit dem Auto durch die Stadt fahren, son- dern schon am Einsatzort sind, ist diese Zeit auch für die Menschen da.“Die Angehörige­n bleiben mit in der Verantwort­ung: Ihr Einsatz ist fest eingeplant, ihre Einmischun­g ausdrückli­ch erwünscht.

Die Awo weitet das Angebot nun aus: In Gerresheim werden demnächst die „Zeilen“an der Gräulinger Straße eröffnet, eine DemenzWG auf dem ehemaligen Rewe-Gelände in Unterbach ist geplant, zudem sollen eine Pflege-WG in Benrath und Quartier-Tagespfleg­eplätze in Gerresheim und Wersten eingericht­et werden.

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FOTO: HANS-JÜRGEN BAUER Jürgen Jansen ist Geschäftsf­ührer der Awo-Firma Vita.

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