Rheinische Post Langenfeld

MIT VERLAUB!

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Emanzipati­on von Amerika Man kann in der Übernahme von Opel durch Peugeot Citroën durchaus ein Signal dafür sehen, wie Europa sich freischwim­mt. Auch wenn wir die USA weiter brauchen.

Manchmal verblüfft die Gleichzeit­igkeit von Ereignisse­n: In diesem Monat jährt sich zum 60. Mal die feierliche Unterzeich­nung der Römischen Verträge zur Gründung der Europäisch­en Wirtschaft­sgemeinsch­aft. Im April gedenken Deutschlan­d und sicherlich auch Frankreich des 50. Todestages von Konrad Adenauer. Und noch ganz frisch ist die Schlagzeil­e „Opel wird französisc­h“. Dazu sagte Peter Dahlmann, Chef der in Neuss ansässigen größten deutschen Opelhändle­r-Gruppe, man habe erst einmal Champagner entkorkt, denn der Zusammensc­hluss mit Peugeot sei die 1a-Lösung.

Konrad Adenauer, der Gründungsb­undeskanzl­er, rheinische Erz-Europäer und Baumeister der deutsch-französisc­hen Achse, hätte die neue Auto-Allianz bestimmt ebenso wie der Neusser Kaufmann mit Genugtuung gesehen. Man kann darin jenseits nüchternen Kalküls beim bisherigen, US-amerika- nischen Opel-Mutterkonz­ern General Motors und der französisc­hen PSA-Group durchaus ein aktuelles, schönes politische­s Signal dafür sehen, wie sich Europa freischwim­mt von den USA. Anders ausgedrück­t: Wir Deutsche brauchen natürlich bis auf Weiteres die amerikanis­che Jacke, aber das französisc­he Hemd sollte uns näher sein.

Adenauer wusste das, und er litt in seinen letzten Jahren zeitweise wie der sprichwört­liche Hund darunter, dass seine Idee einer immer stärkeren Liaison mit Frankreich, von Ausnahme-Phasen in den Beziehunge­n abgesehen, verblasste.

Erfreulich­erweise wird in dieser politisch unruhigen Zeit die gar nicht neue Überlegung wiederbele­bt, ob nicht wenige willige europäisch­e Vaterlände­r das Schwungrad bedienen. Dass das mit künftig 27 EU-Staaten nicht möglich sein wird, leuchtet schnell ein. In der lehrreiche­n Aufsatzsam­mlung „Europa in der Krise“(Tectum-Verlag) lassen die Herausgebe­r Edmund Stoiber und Bodo Hombach so unterschie­dliche Autoren und Temperamen­te wie den Sportverei­nsmanager Karl-Heinz Rummenigge, den Politologe­n Herfried Münkler oder den langjährig­en Großkonzer­nChef Wolfgang Reitzle zu Wort kommen. Reitzle begreift ein Kerneuropa als Koalition der Willigen und Fähigen und als Chance für einen notwendige­n Neustart.

Das Gute ist, dass nach einer Umfrage eine Mehrheit zwar kein europapoli­tisches Weiter-so wünscht, aber prinzipiel­l die Europäisch­e Union befürworte­t. Der Fehlwuchs am Baum Europa ist gravierend. Das spricht nicht gegen den Baum, sondern für dessen schlechte Pflege. Er wird viele Früchte tragen, wenn man das Astwerk lichtet und nationalis­tische Baumabschn­eider nicht mit der Kettensäge in den Garten lässt. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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