Despot statt Dompteur
Hasan Ismaik kam, um die Löwen zu bändigen. Stattdessen ist der TSV 1860 München zum Komödienstadl verkommen.
MÜNCHEN/DÜSSELDORF Je mehr man sich der Worte von Hasan Ismaik bewusst wird, desto hartnäckiger drängt sich der Vergleich mit US-Präsident Donald Trump auf. Beide sprechen fast ausschließlich in Superlativen, beide setzen auf populistische Aussagen, und beide suchen die Schuld stets bei anderen. Seit knapp sechs Jahren ist Ismaik Investor bei Fußball-Zweitligist TSV 1860 München. Mit vollmundigen Versprechungen war der Jordanier angetreten. Die Champions League wurde 2011 eher als mittel- denn als langfristiges Ziel ausgegeben. Es kam ganz anders. 1860 hat seither drei Mal nur knapp die Klasse gehalten, die Arena in Fröttmaning leergespielt und – was wohl das Schlimmste ist – sich zum bayerischen Komödienstadl entwickelt, der mit immer neuen Possen Fußballdeutschland unterhält – und zugleich besorgt zurücklässt. Vorläufiger Tiefpunkt am vergangenen Wochenende: Ismaik verbannt während der Partie gegen St. Pauli Funktionäre des Kiezklubs, die in seinem Sichtfeld zu laut gejubelt haben sollen, von der Tribüne.
Im Mai 2011 sind sie beim Münchner Traditionsklub sehr dankbar, als der Mann aus dem Nahen Osten auftaucht. Ismaik, der sich stets im Maybach vorfahren lässt, rettet 1860 vor dem finanziellen Kollaps. Für 18 Millionen Euro sichert er sich 60 Prozent der Aktien der ausgegliederten Klub-AG. 49 Prozent sind Aktien mit Stimmberechtigung (der Rest sind Vorzugsaktien). Die 50+1-Regel der Deutschen Fußball Liga (DFL) untersagt, dass Investoren die Mehrheit halten.
Ein Blick auf das Organigramm der TSV-Profi-Abteilung reicht aber, ser zurück. Der „Süddeutschen Zeitung“sagt er: „Die Woche hat Transparenz geschaffen darüber, mit wem wir es zu tun haben. Sie hat gezeigt, wie Ismaik agiert und welches Selbstverständnis er von seiner Rolle hat.“Der Rolle als Alleinherrscher.
Kurz darauf installiert Ismaik seinen Freund Anthony Power als Geschäftsführer. Denkwürdig ist die Szene auf der Pressekonferenz, als Ismaik Power bittet, aufzustehen. Power befolgt die Anweisung und sagt: „My name is Anthony, I am 50 years old.“Power, ein im Fußball bis dato völlig unbekannter Name, soll zumindest bis Sommer kommissarisch beim TSV arbeiten. Dann wird Ian Ayre, jetziger CEO beim FC Liverpool, das Büro beziehen. Über ihn sagt Ismaik: „Als er von unserer Tradition erfahren hat, war er sehr begeistert.“
Zwei Monate nach Powers Antritt kündigen einige Mitarbeiter. Darunter Führungspersonal, ein Zeugwart sowie Mitarbeiter aus dem Marketing und der Pressestelle. Die Münchner „Abendzeitung“berichtet, der Führungsstil von Anthony Power sei dafür verantwortlich. Die Mitarbeiter sollen sich fremd im eigenen Verein fühlen, in dem nun Englisch die Amtssprache sei.
Als wieder Kritik an der Sprunghaftigkeit und den despotischen Methoden Ismaiks laut wird, macht der Jordanier schnell einen Schuldigen aus: die Presse. Ismaik sieht „eine Lügenkampagne“von „charakterlosen Menschen“. Seine Lösung: Medienboykott, dann Hausverbot für Journalisten. Zuletzt entzog der Verein erneut einer „Bild“Journalistin die Akkreditierung. Andreas Rettig fordert DFL und DFB zum Handeln auf: „Hier würde ich mir auch ein konsequenteres Eingreifen der Verbände wünschen. Jedes Spruchband wird sanktioniert, und hier ist man auf beiden Augen blind“, sagt der St. Pauli-Boss, der wegen des Jubel-Eklats zudem harsche Worte an Ismaik richtet.
Trotz allem hat Ismaik nicht vor aufzugeben. Im Gegenteil. Er soll starkes Interesse haben, seinen Aktienanteil auf 75 Prozent zu erhöhen. Und trotz eines Schnitts von nur 22.800 Besuchern sucht Ismaik weiter nach einem Grundstück für eine eigene 1860-Arena. „Mindestens 52.000“Zuschauer sollen hineinpassen. Doch Ismaik wäre nicht Ismaik, würde er nicht den zweiten vor dem ersten Schritt planen: ein Löwengehege vor den Stadiontoren. „Dort werden alle Löwenrassen der Welt zu sehen sein“, sagt Ismaik. Vielleicht klappt’s ja wenigstens da als Dompteur.