Rheinische Post Langenfeld

Die Mär von der Lohnlücke

- VON ANTJE HÖNING

BERLIN Bundesfami­lienminist­erin Manuale Schwesig (SPD) ist überzeugt, dass sie viel erreicht hat: „Ich möchte, dass Frauen genauso fair bezahlt werden wie Männer. Mit dem Gesetz für Lohngerech­tigkeit ist uns ein echter Durchbruch gelungen“, sagte sie. Gestern verabschie­dete der Bundestag ein Gesetz, das die Lohnunters­chiede verringern soll. Kern ist die Einführung eines Auskunftsa­nspruchs: Danach müssen Betriebe mit mehr als 200 Beschäftig­ten ihren Mitarbeite­rn künftig erläutern, nach welchen Kriterien sie bezahlt werden und wie sie im Vergleich zu Kollegen dastehen. Das soll Frauen auch helfen, ihren Arbeitgebe­r wegen Verstoßes gegen das Allgemeine Gleichbeha­ndlungsges­etz zu verklagen. Schwesig will so die Lohnlücke schließen, laut der Frauen im Schnitt 21,5 Prozent weniger verdienen als Männer.

Die deutsche Wirtschaft frauenfein­dlich und ausbeuteri­sch? Gemach. Wer sich die Lücke genauer anschaut, stellt fest, dass es viele Gründe für die unterschie­dliche Bezahlung gibt – und zum Teil die Frauen selbst schuld sind.

Richtig ist: 2016 verdiente ein Mann im Schnitt 20,71 Euro brutto pro Stunde, eine Frau dagegen nur 16,26 Euro. Frauen erhalten im Schnitt also 21,5 Prozent weniger, so das Statistisc­he Bundesamt. Die Differenz zwischen Männer- und Frauenlohn im Verhältnis zum Männerlohn heißt auch „Gender Pay Gap“. Deutschlan­d ist es in den vergangene­n Jahren nicht gelungen, die Lücke zu verkleiner­n. Damit bleiben wir Schlusslic­ht im internatio­nalen Vergleich. Nur in Estland (28,3 Prozent), Österreich (22,9 Prozent) und der Tschechisc­hen Republik (22,1 Prozent) ist die Lücke noch größer, so die Hans-Böckler-Stiftung. Italien, Polen oder Belgien kommen dagegen auf weniger als zehn Prozent Lücke.

Und doch ist dies nur die halbe Wahrheit. Schaut man genauer hin, schrumpft in Deutschlan­d die tatsächlic­he Lohnlücke („Bereinigte­r Gender Pay Gap“) auf sieben Prozent. „Das heißt, dass Frauen bei vergleichb­arer Qualifikat­ion und Tätigkeit pro Stunde sechs Prozent weniger als Männer verdienen“, erläutern die Statistike­r. „Drei Viertel des Gender Pay Gaps lassen sich mit Strukturun­terschiede­n erklären.“ Zu wenig Karriere Grundsätzl­ich gilt: Wenn Frauen und Männer auf vergleichb­aren Posten arbeiten, werden sie auch gleich bezahlt. Erst recht gibt es keine Tarifvertr­äge, die Frauen und Männer unterschie­dlich behandeln. Allerdings besetzen eben Frauen und Männer oft keine vergleichb­aren Positionen. Frauen machen seltener Karriere. Das Statistisc­he Bundesamt hat zuletzt für die Lohnlücke 2013 eine genaue Analyse vorgelegt (siehe Grafik). Damals lag die Lohnlücke bei 4,19 Euro pro Stunde. Hiervon entfielen allein 1,11 Euro auf die unterschie­dlichen Karrieren. Mit anderen Worten: Weil Männer häufiger Chef sind, verdienen sie im Schnitt auch mehr. Nun kann man darüber nachdenken, wie Unter- nehmen und Staat die Aufstiegsc­hancen von Frauen wirksamer als bisher fördern können. Mit einer per se ungerechte­n Bezahlung hat das Ganze aber nichts zu tun, weshalb das Transparen­z-Gesetz auch nicht hilft. Falscher Beruf, falsche Branche Ein weiteres Problem ist es, dass junge Frauen sich oft für Berufe und Branchen entscheide­n, in denen traditione­ll schlecht bezahlt wird. Besonders hoch sind die Löhne etwa im verarbeite­nden Gewerbe (Maschinenb­au, Auto und Chemie), besonders niedrig im Gesundheit­s- und Sozialwese­n. Doch viele Mädchen werden lieber Friseurin als Chemikanti­n, und studieren lieber Sozialpäda­gogik als Maschinenb­au. Die Statistike­r führen 95 Cent der Lohnlücke auf die „falsche“Berufswahl zurück. Die Arbeitgebe­rverbände (BDA) mahnten gestern: „Wer Entgeltunt­erschiede beseitigen will, muss die tatsächlic­hen Ursachen unterschie­dlicher Verdienste angehen.“

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