Politiker gegen Handy-Verbot in Schulen
Bei unserer Aktion „Deine Stimme zählt“rangen von 40 Schulen gewählte Schüler-„Minister“der Landespolitik Zugeständnisse ab.
DÜSSELDORF Angeblich interessieren sich die meisten Jugendlichen ja nicht für Politik. Dieses Vorurteil haben gestern rund 300 Schüler aus NRW bei einer Gemeinschaftsaktion des Bonner „General-Anzeigers“und der „Rheinischen Post“widerlegt: Nach der Begrüßung durch die Chefredakteure Helge Matthiesen (GA) und Michael Bröcker (RP) stritten die beiden Schüler-„Minister“, die von 40 Schulen über einen Internet-Video-Wettbewerb ausgewählt wurden, bei einer Live-Veranstaltung im Düsseldorfer Apollo Varieté mit den Spitzen der Landespolitik. Und das auf hohem Niveau.
„Als ich einer Freundin aus Bayern Bilder von unserem Klassenzimmer gezeigt habe, fing die an zu lachen“, moderierte Schüler-„Ministerin“Laura Marie Dietrich (17) vom Gymnasium Voerde das Thema Schulausstattung an. Ihr Co-„Minister“Leon Lorenz (17, vom gleichen Gymnasium) nickte unter seinem breiten Schlapphut zustimmend. Ein Kurzvideo zeigte 300 Gästen im Saal und den Zuschauern der Liveübertragung im Internet die praktischen Probleme des Schulalltags: wackelige Stühle, löchrige Tische, streikende Videorekorder. „Wir haben Kreidetafeln und altmodische Overhead-Projektoren – in Bayern gibt es Whiteboards und Touch-Screen-Computer“, spitzte Dietrich das Problem zu.
NRW-Schulministerin Sylvia Löhrmann (Grüne) räumte ein, dass es den Schulen in Bayern bessergehe. „Weil die Schulausstattung von den Kommunen gezahlt wird und es den bayerischen Kommunen bessergeht“, so Löhrmann. Im Chor mit NRW-Jugendministerin Christina Kampmann (SPD) verwies sie auf einen neuen Fördertopf: Das Land NRW spendierte den Schulen zwei Milliarden Euro zusätzlich.
Der Spitzenkandidat der CDU im Landtagswahlkampf, Armin Laschet, hielt das für ein Alibi: „NRW gibt von allen Bundesländern am wenigsten Geld pro Grundschüler aus.“Auch mit Bezug zu anderen Wahlversprechen von Rot-Grün sagte er an Löhrmanns Adresse: „Sie sind seit sieben Jahren im Amt. Warum handelt die Landesregierung erst jetzt?“FDP-Chef Christian Lindner, der sich ansonsten zugunsten künftiger Generationen eher für einen sparsam Umgang mit Steuergeldern aussprach, sagte: „Hier bin ich beim Geldausgeben dabei. Unsere Schulen brauchen mehr Geld.“Piraten-Chef Patrick Schiffer konterte: „Die NRW-Schulen hatten unter der schwarz-gelben Vorgängerregierung auch schon zu wenig Geld.“
Wie denn die Qualität an den Schulen verbessert werden könne, wollten die Schüler“-Minister“wissen. Linken-Spitzenkandidatin Özlem Demirel will die Schulqualität auch an der Lebensqualität der Kinder und Jugendlichen gemessen wissen. Der Stundenplan dürfe nicht zu voll sein, meinte Kampmann – und antwortete damit auch auf Forderungen nach einem zusätzlichen Schulfach „Leben“mit Inhalten wie „Steuererklärung“. Lindner will besser qualifizierte Lehrer: „40 Prozent haben die Auffassung, der spätere Beruf der Schüler habe nichts mit Digitalisierung zu tun“, so Lindner, „das ist ein schlechter Witz.“
Prompt spielte die Regie dazu den Kommentar eines Internet-Zuschauers in die Diskussion ein: „Digitalisierung an Schulen? Solange Handys an Schulen verboten werden, lache ich darüber“, so der im Saal laut beklatschte Kommentar. So wie er hatten auch viele andere über Facebook- und Twitter die Möglichkeit, sich zu beteiligen. Ein pauschales Handyverbot an Schulen lehnten alle Diskussionsteilnehmer als nicht mehr zeitgemäß ab. Bei der Frage, wie präsent das Smartphone im Klassenzimmer sein solle, gingen die Meinungen auseinander. Löhrmann meinte, dass darüber jede Schule selbst entscheiden muss. Laschet sagte: „Es gibt Phasen im Schultag, da ist aber auch der Unterricht wichtiger als Facebook.“Lindner forderte hingegen: „Handy-Gebot statt HandyVerbot an Schulen“und eine Whatsapp-Gruppe für jede Klasse, in der auch nach dem Unterricht Fragen an die Lehrer gestellt werden könnten. Piraten-Chef Schiffer hingegen will private Unternehmen wie Facebook und Google völlig aus dem Schulunterricht verbannen.
Um die Politiker zu möglichst konkreten und knappen Antworten zu zwingen, war ihre Redezeit auf wenige Minuten begrenzt. Nach Ablauf des jeweils vorgesehenen Zeitraums wurden die Politiker mit Hilfe eines Quietscheentchens unterbrochen. Auch die beiden Schüler-„Minister“ermahnten die Spitzen-Politiker häufig, nicht von den vorgegebenen Themen abzuweichen. Aber stets charmant: „Herr Lindner“, sagte Leon Lorenz. „Ich finde Sie recht aufbrausend. Darf ich Ihnen ein Beruhigungs-Tic-Tac anbieten“, fragte er, kurz bevor er der Schulministerin Löhrmann scherzhaft mit einem „Zwangsreferat“droht.