Rheinische Post Langenfeld

„Drei Monate für neue Asyl-Anträge“

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Die Chefin des Bundesamte­s für Migration und Flüchtling­e (Bamf ) über Doppeliden­titäten und schnelle Asyl-Entscheidu­ngen.

Frau Cordt, wie lange muss ein neu ankommende­r Flüchtling aktuell auf seinen Asylbesche­id warten? CORDT Bei den Menschen, die jetzt kommen, dauert es aktuell von der Antragstel­lung bis zur Entscheidu­ng rund drei Monate. Unser Ziel ist es, auch in der Zukunft alle Neuverfahr­en innerhalb von drei Monaten abzuschlie­ßen. Auch die Zeit zwischen Einreise und Antragstel­lung, also die Frage, wann uns die Länder die Asylsuchen­den übermittel­n, ist wesentlich kürzer geworden und dauert nun nur noch rund 16 Tage. Woran liegt es dann, dass die Gesamtverf­ahrensdaue­r dennoch immer länger statt kürzer wird? CORDT Das liegt an den Altfällen, die sich schon Monate in der Bearbeitun­g befinden. Wir haben in dieses Jahr noch 435.000 Altverfahr­en aus den Vorjahren mitgenomme­n. Unser Ziel ist es, diesen Menschen bis zum Ende des Frühjahrs Gewissheit zu geben, ob sie bleiben können oder nicht. Das heißt, wir wollen den Bestand aus den Vorjahren weitestgeh­end abbauen, und zwar auf rund 100.000.Und hier sind wir auf einem guten Weg. Jedes Verfahren, das wir nun abschließe­n, geht allerdings mit der gesamten Laufzeit in die statistisc­he Verfahrens­dauer ein. Das heißt, wenn wir zum Beispiel ein Verfahren aus August 2015 abschließe­n, liegt die Gesamtdaue­r bei 20 Monaten. Je mehr langlaufen­de Verfahren wir also abschließe­n, desto länger wird die statistisc­he Laufzeit im Durchschni­tt aller entschiede­nen Fälle. Ihre Behörde ist unter dem Druck der Flüchtling­skrise enorm effizient geworden. Nun kommt der Vorwurf, die Menschen würden nicht mehr ausreichen­d angehört. CORDT Meine Kolleginne­n und Kollegen sind sich der Verantwort­ung, die sie tragen, sehr bewusst. Sie wissen, dass sie sorgfältig anhören und entscheide­n müssen, und tun dies auch. Kennen die Entscheide­r die betroffene­n Asylbewerb­er persönlich? CORDT Im vergangene­n Jahr sind die beiden Schritte Anhören und Entscheide­n im Asylverfah­ren getrennt worden, weil wir vor der großen Aufgabe standen, die schon lange wartenden Menschen endlich in die Asylverfah­ren zu bringen. Die Frage, die Sie stellen, richten auch Wohlfahrts­verbände, Kirchen und Pro Asyl an uns. Wir haben dies nie als endgültig betrachtet und werden, sobald es die Organisati­on zulässt, das Verfahren wieder umstellen. Künftig sollen Entscheide­r Asylbewerb­er auch persönlich angehört haben. Wir haben bereits damit begonnen, die Mitarbeite­r, die bisher nur angehört haben, nachzuqual­ifizieren. Teilweise liegen Anhörung und Entscheidu­ng bereits wieder in einer Hand. Warum gilt ein Drittel der Fingerabdr­ücke, die das Bamf von Flüchtling­en nimmt, als unbrauchba­r? CORDT Die Fingerabdr­ücke, die wir nehmen, sind nicht pauschal „unbrauchba­r“. Wir benötigen die Fingerabdr­ücke, um unter anderem mit den Sicherheit­sbehörden abgleichen zu können, ob es Doppeliden­titäten gibt oder ob die Asylbewerb­er schon bei Sicherheit­sbehörden auffällig geworden sind. Wenn von den zehn Fingerabdr­ücken, die wir von jedem Antragstel­ler nehmen, einzelne nicht oder nur bedingt brauchbar sind, dann ist der Mensch aber immer noch eindeutig identifizi­erbar. Wenn er allerdings irgendwo ein Strafdelik­t begeht und es vielleicht nur einen Daumenabdr­uck am Tatort gibt, kann es vereinzelt vorkommen, dass durch diesen einen Abdruck eine Identifika­tion mit der Vorlage nicht möglich ist. Mit Blick auf den Fall Anis Amri: Wenn Sie eine Doppeliden­tität feststelle­n, wie gehen Sie dann vor? CORDT Der Abgleich der Fingerabdr­ücke unserer Antragstel­ler mit den Datenbanke­n der Sicherheit­sbehörden läuft automatisi­ert. Treffer bekommen wir sofort gemeldet. Im Fall Amri waren wir sehr schnell. Wir haben in unserem System erkannt, dass es Doppelregi­strierunge­n gibt, und haben innerhalb von vier Wochen den Fall entschiede­n. Amri hatte eine Ablehnung erhalten, und in der Ablehnung waren sogar alle bis dahin bekannten Aliasnamen ausdrückli­ch aufgeführt. Wie viele Neuregistr­ierungen gehen aktuell bei Ihnen noch ein? CORDT Bis Anfang März hatten wir in diesem Jahr rund 34.000 Neuankomme­nde. Sind bei Ihnen noch Wünsche an die Politik offen, um Ihre Arbeitsbed­ingungen zu verbessern? CORDT Ein Großteil der Vorschläge aus dem vergangene­n Jahr ist ja umgesetzt worden – zum Beispiel die Vernetzung der Datensyste­me. Integriert­es Flüchtling­smanagemen­t bedeutet aber nicht nur, Bund und Länder zu vernetzen, sondern auch über den Tellerrand zu schauen und zu prüfen, welche Möglichkei­ten es

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FOTO: DPA Ein Flüchtling­smädchen steht Anfang 2016 in einem provisoris­chen Camp an einem Gleisbett zwischen Griechenla­nd und Mazedonien. Über die Balkanrout­e kamen die meisten Asylsuchen­den nach Deutschlan­d.

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