Rheinische Post Langenfeld

Forró – Brasilien tanzt nicht nur Samba

- VON GUIDO RADTKE

Der südamerika­nische Paartanz gilt in Nordrhein-Westfalen als Geheimtipp. Die Szene steckt ähnlich wie Salsa vor rund 15 Jahren noch in den Kinderschu­hen, wächst aber kontinuier­lich. Die Grundschri­tte sind einfach zu erlernen.

SOLINGEN Wer an Brasilien denkt, denkt an Fußball und Samba. Sportlich sind Mitteleuro­päer durchaus in der Lage, mit den Kickern aus Südamerika auf höchstem Niveau mithalten zu können. Tänzerisch allerdings macht den Brasiliane­rn so schnell keiner etwas vor, wenn es bei Samba um schnelle Schrittfol­gen in Kombinatio­n mit Hüft- und Oberkörper-Bewegungen geht.

Regina Rodrigues

Einst im Schatten der Samba als Musik der Armen verschriee­n, gilt mittlerwei­le ein Paartanz genauso als typisch für Brasilien: der Forró. Im Nordosten des Landes entstanden, hat sich der vom Akkordeon dominierte Musikstil im ganzen Land mit dem einfachen, unkomplizi­erten, sehr innigen Tanzstil ausgebreit­et. „Forró ist so bekannt und populär, dass dort in den Städten häufig Feste stattfinde­n, die die ganze Nacht dauern können“, sagt Regina Rodgrigues, die so manche Nacht durchgetan­zt hat, als sie vor ein paar Jahren nach Brasilien geflogen ist, um ihre in Deutschlan­d erlernten Kenntnisse in der Heimat des Forró zu vertiefen. Hierbei hat die 39-Jährige ihren Mann Kalil kennengele­rnt, mit dem sie in Düsseldorf und Solingen in einer kleinen, aber kontinuier­lich wachsenden Szene regelmäßig Unterricht gibt.

Im Gegensatz zur Samba sind die ersten Schritte beim Forró spielend leicht zu lernen. Die Basis-Steps erinnern an Salsa, die Körperbewe­gung an Merengue, die Tanzhaltun­g an Tango Argentino. „Eigentlich bewegt man sich ähnlich wie auf dem Bürgerstei­g, nur dass der vierte Schritt hinausgezö­gert wird.“In ihren Workshops beobachtet Regina Rodrigues, dass vor allem die Männer aufatmen, wenn sie erklärt, dass es bei Forró gar nicht so sehr auf die Hüftbewegu­ng ankommt. Was auch damit zu tun hat, dass der Herr sta- bil auf dem Boden bleiben muss. „Mädels, für euch ist es anstrengen­der, weil ihr stets auf Zehenspitz­en tanzt und durch die Gegend gewirbelt werdet“, sagt Rodrigues. Anfängerin­nen werden nach der ersten Unterricht­sstunde nicht noch ein- mal den Fehler machen und Schuhe mit Absätzen für den Forró anziehen – auch, um den Partner nicht zu verletzen. Der bewegt sich nämlich – wie viele Frauen auch – oft nur barfuß zur Musik.

Knapp 30 Paare schauen Regina und Kalil Rodrigues bei einem Workshop im Solinger Tanz -Zentrum Kai Koch fasziniert zu, wie sie eng umschlunge­n über die Tanzfläche gleiten oder später Figuren und Drehungen einbauen, die ähnlich auch im Discofox oder Salsa zu finden sind. „Hemmungen vor Körperkont­akt sollte keiner haben“, sagt Regina Rodrigues. In der Grundhaltu­ng lehnen die Tanzpartne­r ihre Schläfen aneinander. Nicht selten schließen die Frauen die Augen, um sich der Führung des Partners und der Musik zu überlassen. Wenn der Rhythmus von ganz langsam zu extrem schnell variiert, kann Forró auch schweißtre­ibend sein. „Eigentlich wollen wir unseren Partner nie loslassen. Wir brauchen die Nähe und den Kontakt beim Führen und Folgen, um uns nicht auf die Füße zu treten.“

Regina Rodrigues hat vor drei Jahren erstmals Forró unterricht. „Damals kamen drei Leute, heute sind es im Durchschni­tt 20.“Die Szene steckt in den Kinderschu­hen und gilt in Düsseldorf, Köln oder Essen als Geheimtipp. Ähnlich wie bei Salsa vor rund 15 Jahren ist die Atmosphäre bei Partys oder Festivals familiär. Die Wahl-Solingerin hat Forró bislang im Rahmen des Hochschuls­ports an der Heinrich-HeineUnive­rsität in Düsseldorf unterricht­et. Inzwischen werden wie in der „Boteco Carioca“in Düsseldorf auch in einigen südamerika­nischen Restaurant­s oder Bars regelmäßig Tische und Stühle beiseite geräumt, um im brasiliani­schen Ambiente eine Tanzfläche zu schaffen. „Am schönsten ist es jedoch, unter freiem Himmel Forró zu tanzen“, schwärmt Regina Rodrigues. Im Sommer organisier­t sie vier OpenAir-Events mit Livemusik im Düsseldorf­er Volksgarte­n.

Das Publikum ist jung, weswegen kaum jemand den ganzen Abend mit dem gleichen Partner tanzt. Jeder tanzt mit jedem, Fortgeschr­ittene mit Anfängern, Jung mit Alt. Ein großer Teil, der mit Forró anfängt, belässt es nicht bei einer Tanzstunde pro Woche und gehört schnell zur wachsenden Forró-Familie. www.forroduess­eldorf.de

„Eigentlich wollen wir unseren Partner

nie loslassen“

Tanzlehrer­in

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FOTOS: MARTIN KEMPNER Tanzschuhe werden beim Forró eigentlich nicht benötigt. Sneakers, Ballerinas, Sportschuh­e – alles ist erlaubt. Fortgeschr­ittene tanzen barfuß, weil dadurch mehr Bodenhaftu­ng gewährleis­tet ist.
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