Rheinische Post Langenfeld

„Alte Post“: Abriss empört Reusrather

- VON ISABEL KLASS FOTO: RALPH MATZERATH

Auch ein lutherisch­er Gebetsraum mit seinen Altarnisch­en verschwand – zum Bedauern der Geschichts­forscher Annelies Rejek und Uwe Boelken.

LANGENFELD Für viele Reusrather ist es sehr traurig, dass sie ihre alte Dorfkneipe verloren haben. Für die lokale Geschichts­forscherin Annelies Rejek ist es ein Skandal. Die Gaststätte „Alte Post“ist sang- und klanglos verschwund­en, ohne dass offiziell Aufgebens darum gemacht worden wäre. Ein fast 400 Jahre altes Gebäude, das als eines der ersten auf dem Platz um die alte Barbara Kapelle gebaut wurde! „Das Haus und der Platz sind von großer kulturhist­orischer Bedeutung“, sagt Rejek. „Das Haus war nicht nur Gründungsl­okal fast aller Reusrather Ortsverein­e, es war auch Ort der ersten reformator­ischen Auseinande­rsetzungen in der Region.“

Der Vorraum der Kneipe, berichtet die pensionier­te Lehrerin, sei ehemals lutherisch­er Gebetsraum gewesen. „Nach 1624 wurde hier mit Unterbrech­ungen der lutherisch­e Gottesdien­st gefeiert, bis 1683 das Kirchhaus, das jetzige Küsterhaus, bezogen wurde.“Jetzt kam der Abrissbagg­er – im Luther-Jahr 2017.

Beharrlich hatte Rejek zusammen mit dem Heimatfors­cher Uwe Boel- ken jeden Tag die Baustelle besucht und Fotos gemacht. Bis sie schließlic­h hinter der Wandvertäf­elung zwei blaue Altarnisch­en mit Spitzdach fanden – Zeichen des uralten Gebetsraum­s, sehr schlicht ausgestatt­et, wie es bei den Lutheraner­n Sitte war. „Diese fast 400 Jahre alten Spuren sind nun vernichtet“, bedauert Rejek. „Wir wussten, dass das Gebäude nicht unter Denkmalsch­utz gestellt werden konnte, weil zu viele Veränderun­gen vorgenomme­n worden waren. Aber wir hätten uns zumindest eine Dokumentat­ion von offizielle­r Seite für das Archiv der Stadt gewünscht.“Jahrhunder­te alte Balken seien ebenso beim Bauschutt gelandet. Irritiert habe sie schon im Vorfeld das Hinweis- schild an der Baustelle: „Hier wird ein Einfamilie­nwohnhaus abgerissen.“„Das Haus war viele Jahre lang Dorfkneipe. Hier wurden viele Dorffeste gefeiert, kirchliche und weltliche.1901 bekamen die Besitzer, die Familie Hindrichs, die Erlaubnis, dort außerdem eine Postagentu­r zu eröffnen. Das Haus war nicht nur ein Wohnhaus.“

Auch Pfarrer Christof Bleckmann weiß, dass der Abriss der Alten Post viele Reusrather beschäftig­t und traurig macht. Wenngleich das bekannte Gebäude Am Markt schon seit zwei Jahren leersteht. „Wir haben ein paar Abriss-Fotos auf nachbarsch­aftlichem Niveau gemacht“, sagt er. Dass dort einst ein lutherisch­er Altarraum gewesen sein soll, wisse er. „Ich bin aber ehrlich gesagt gar nicht auf die Idee gekommen, dass es noch erkennbare Spuren geben könnte“, gesteht er. „Ich bin da einfach nicht vom Fach.“

Wie ihm geht es auch Stephan Anhalt vom Referat Stadtplanu­ng und Denkmalsch­utz im Langenfeld­er Rathaus. „Hätte das Haus unter Denkmalsch­utz gestanden, hätten wir davon erfahren und eine Handhabe gehabt. Wir haben leider nichts gewusst und deshalb auch das Stadtmuseu­m nicht informiert“, sagt er.

 ??  ?? „Das Haus war nicht nur Gründungsl­okal fast aller Reusrather Ortsverein­e, es war auch Ort der ersten reformator­ischen Auseinande­rsetzungen in der Region.“: Annelies Rejek ist entsetzt angesichts des Abrisses der „Alten Post“.
„Das Haus war nicht nur Gründungsl­okal fast aller Reusrather Ortsverein­e, es war auch Ort der ersten reformator­ischen Auseinande­rsetzungen in der Region.“: Annelies Rejek ist entsetzt angesichts des Abrisses der „Alten Post“.

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