Mit Leib und Seele
Ein altes Ritual kehrt in die christliche Praxis zurück: die Ganzkörpertaufe. Durch sie wird deutlich, was das Sakrament symbolisiert: Tod und Auferstehung Jesu.
Als sie im weißen Gewand vor den Stufen steht, die hinabführen in das dunkle Taufbecken von St. Maria Magdalena in Bochum, ist Tina Stadtfeld (28) aufgeregt wie nie zuvor in ihrem Leben. Dabei hat sie früher Leistungssport gemacht, mit Nervosität kann sie umgehen. „Aber das Gefühl in der Kirche war viel intensiver“, sagt sie, „das hat etwas in meinem Innersten berührt.“Als der Pastor ihr die Hand reicht, steigt sie hinunter in das Becken, spürt, wie ihre Kleider sich vollsaugen, schwer werden. Sie kniet nieder, dann legt Pastor Dietmar Schmidt ihr die Hand auf die Stirn, taucht ihren Kopf dreimal in das Wasser. „Tina, ich taufe dich im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.“Seit 2000 Jahren werden diese Worte gesprochen.
Ihre Gemeinde steht um das Becken versammelt, die Kinder vorn, dahinter die Erwachsenen, knapp 600 Menschen sind es an diesem Morgen. Und als die frisch Getaufte am anderen Ende des kreuzförmigen Beckens die Stufen wieder heraufsteigt, nimmt die katholische Gemeinde das neue Mitglied ihrer Gemeinschaft in Empfang. „Für mich war das wie eine Umarmung durch das Wasser“, sagt Stadtfeld, „ich konnte am ganzen Körper spüren, dass etwas Neues beginnt.“
Ganzkörpertaufen sind ein urchristliches Ritual. Bis ins späte Mittelalter wurden Menschen durch Untertauchen oder Übergießen des gesamten Körpers in die Gemeinschaft der Christen aufgenommen. So wurde daran erinnert, wie Johannes der Täufer Jesus im Jordan mit Wasser übergoss. Die Taufe ist ein Zeichen für Leben und Sterben Christi, der alte Mensch wird von Wasser begraben und taucht als neuer Mensch wieder auf. Im frühen Christentum waren es überwiegend Erwachsene, die sich zu die- sem Schritt entschlossen. Oft wurden dann auch die Familienmitglieder – das „ganze Haus“– getauft, also auch Kinder und Säuglinge. „Durchgesetzt hat sich die Säuglingstaufe schließlich, weil das Sakrament immer auch als Reinigung verstanden wurde, als das Abwaschen von Schuld“, sagt Tobias Wiegelmann, Diakon und Taufexperte beim Erzbistum Köln. „Das wollten Christen späterer Jahrhunderte ihren Kindern möglichst früh gewähren.“An der Gestaltung von Taufsteinen kann man das heute ablesen: Aus den Ganzkörperbecken, eines aus dem 6. Jahrhundert findet sich am Kölner Dom, wurden kleinere Becken in Hüfthöhe, wie sie heute in den meisten Kirchen üblich sind.
Doch es gibt eine Bewegung zurück in der katholischen Kirche. An deren Spitze steht die Gemeinde St. Maria Magdalena in BochumHöntrop. Dort wird die Ganzkörpertaufe seit 17 Jahren praktiziert – bei Erwachsenen wie Kindern. „Das ist immer sehr bewegend“, sagt Gemeindereferentin Gertrude Knepper, „bei einer Ganzkörpertaufe kann man physisch erleben, wie Menschen einen neuen Abschnitt im Glaubensleben beginnen.“Nach längerem Prozess hatte sich die Gemeinde entschieden, ein Baptisterium, ein Ganzkörpertaufbecken, in ihrer Kirche einzurichten, um an die Kraft des Ursprungs des christlichen Glaubens anzuknüpfen. Seitdem habe sich das Taufverständnis in der Gemeinde gewandelt, sagt Knepper. Die Tauffeiern seien nicht mehr nur „niedlich und schön“, sondern ein starkes Symbol dafür, mit Christus unterzugehen und neu geboren zu werden. „Der Computer wird heruntergefahren und ganz neu gestartet“, sagt Knepper und lacht ein wenig über den Vergleich, fügt dann hinzu, „es geht darum, in Christus ein neues Leben zu wagen – das ist mehr als der Beitritt zu einer Kirche.“
„Es geht darum, in Christus ein neues Leben zu wagen – das ist mehr als der Beitritt zur Kirche“
Gertrude Knepper
Gemeindereferentin in Bochum