FDP bremst vor der Ampel
Die SPD-Spitze sucht Machtoptionen ohne Linke und CDU. Die Liberalen indes sind skeptisch, ob sie mit Rot-Grün koalieren sollen.
BERLIN Noch vor acht Jahren galt es als Tabu für Sozialdemokraten, mit Abgeordneten der Linken über Gemeinsamkeiten zu plaudern. Mittlerweile ist das Eis gebrochen, selbst Linken-Fraktionschefin Sahra Wagenknecht traf sich schon mit ExSPD-Chef Sigmar Gabriel zum Essen. Dennoch haftet Rot-Rot-Grün zumindest auf Bundesebene das Image eines Schreckgespenstes an – befeuert durch Wahlkampfrhetorik der Union. Und spätestens seit der Wahl im Saarland, wo SPD und Linke offensiv für Rot-Rot warben und am Ende vor allem die CDU zulegen konnte, ist es in Berlin selbst bei Befürwortern weitgehend still um das Projekt mit der Abkürzung „R2G“geworden.
Also doch wieder große Koalition? Weit gefehlt, es gibt ja noch die Ampel. SPD, FDP und Grüne, mit dem Fokus auf soziale Gerechtigkeit, Innovation und ökologische Verantwortung – ein Dreierbündnis mit Zukunft. So jedenfalls sehen es laut „Spiegel“angeblich SPD-Chef Martin Schulz und dessen Vorgänger Gabriel. Und andere, wie der Vorsitzende des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Carsten Schneider, sagen das auch laut: „Die Ampel passt für uns am besten“, so der Abgeordnete. Die Genossen wollen keine große Koalition mehr, schon gar nicht als Juniorpartner.
Aber welche Chancen auf Umsetzung hat dieses Projekt, das anders als Rot-Rot-Grün nicht schon seit Jahren in eigens dafür gegründeten Netzwerkgruppen vorgedacht wird? FDP-Vize Wolfgang Kubicki hatte der Ampel-Debatte mit einer gelassenen Bewertung immerhin zusätzliche Nahrung gegeben, indem er feststellte: „Die Ampelkoalition treibt mir keine Schweißperlen auf die Stirn.“Für sein eigenes Bundesland Schleswig-Holstein schloss er diese Konstellation jedoch aus. Auch Parteichef Christian Lindner hatte beim Parteitag in NRW per Antrag beschließen lassen, dass es an Rhein und Ruhr keine Ampel geben werde. Parteivize Marie-Agnes Strack-Zimmermann betonte andere Prioritäten: „Bei allen Enttäuschungen über die CDU in der großen Koalition ist sie uns aktuell unter dem Strich näher als die SPD.“
FDP-Schatzmeister Hermann Otto Solms warnte seine Parteifreunde indes vor jeglichen Koalitionsspekulationen. „Als außerparlamentarische Opposition wäre es vermessen, sich auf eine Diskussion über mögliche Regierungsbeteiligungen einzulassen“, sagte Solms unserer Redaktion. Die Debatte um ein Ampelbündnis sei von der SPD gestartet worden, weil sie händeringend nach Regierungsoptionen suche. „Die FDP ist gut beraten, wenn sie sich an dieser Diskussion nicht beteiligt“, unterstrich Solms. Lindner ließ die Ampel-Option für den Bund jedoch bewusst offen.
Und die Grünen? Die hatten ihren rot-grünen Linkskurs von Jürgen Trittin wieder korrigiert, nachdem sie damit 2013 nur 8,4 Prozent eingefahren hatten. Seitdem propagieren die neuen Spitzenkandidaten Katrin Göring-Eckardt und Cem Özdemir einen „Kurs der Eigenständigkeit“. Die Koalitionsfrage ist für sie heikel: Zeigen die Grünen zu viel Präferenz für die SPD, verprellen sie die schwarz-grünen Anhänger – und umgekehrt. Und die FDP genießt – nach der AfD – unter Grünen-Anhängern die wenigsten Sympathien. Angesprochen auf die möglichen Dreierkoalitionen, reagiert Göring-Eckardt dünnhäutig. „Mich nervt es, wenn alle immer über Koalitionen reden. Wir machen das nicht.“Die Folge: Die Wähler wissen nicht, für welches Bündnis sie mit einem Kreuzchen bei den Grünen stimmen.
In der SPD freut die Diskussion nun wieder die Vorkämpfer von RotRot-Grün. Frank Schwabe, einer der engagiertesten R2G-Freunde, sagte unserer Redaktion: „Ich habe nichts gegen die Debatte um eine mögliche Ampel-Koalition, weil das bei den Befürwortern eines rot-rot-grünen Bündnisses die Disziplin stärkt.“Nach dem Motto: Wegen der Ampel-Konkurrenz braucht es jetzt konkretere Pläne. Rot-Rot-Grün bleibe je nach Wahlergebnis im Bund als reale Machtoption auf dem Tisch. „Klar ist, dass die SPD ein solches Bündnis nur dann unterstützt, wenn unter dem Strich ein verantwortungsvoller Koalitionsvertrag steht. Bewegt sich die Linkspartei aber so weit, erwarte ich von allen in meiner Partei, Rot-Rot-Grün eine Chance zu geben“, sagte Schwabe. Für die NRW-Wahl hoffen unterdessen viele Genossen in Berlin, dass Kraft eine große Koalition mit der CDU eingehen wird – damit für den Bund keine Tendenz zu Ampel oder Rot-Rot-Grün erkennbar wird.