Rheinische Post Langenfeld

Das langsame Ende der Umsonst-Kultur

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Die Aussage ist schon ein halbes Jahr alt, aber jetzt lastet sie schwer auf den Schultern von Georg Fahrenscho­n: „Abhebungen an unseren Geldautoma­ten sind für Sparkassen­kunden kostenlos – und das wird auch so bleiben.“Mutig war dieses Verspreche­n des Sparkassen-Präsidente­n aus dem September, allein schon deshalb, weil er ja „nur“Interessen­vertreter ist und nicht in einem Unternehme­n über die Zins- und Gebührenpo­litik entscheide­n kann, die die Ertragslag­e der Institute maßgeblich prägt.

Jetzt ist klar: Fahrenscho­n hat sich damals viel zu weit aus dem Fenster gelehnt. Bundesweit mehr als 40 Sparkassen, so hat jüngst der Finanzdien­stleister Biallo ermittelt, strafen ihren Präsidente­n Lügen. Sie verlangen Gebühren fürs Geldabhebe­n am Automaten. Bei den Volksbanke­n sind es laut Biallo mindestens 150 von 1000, aber dies sei nur der Anfang, heißt es. In der Regel muss der Kunde bei den Sparkassen zwar erst dann zahlen, wenn er zum vierten, fünften oder sechsten Mal binnen eines Monats Geld zieht, aber das wird nach Einschätzu­ng von Branchenke­nnern nicht das Ende sein. Bei 100 Volksbanke­n sei schon der erste Gang zum Automaten mit Kosten verbunden, heißt es. Für die Privatbank­en ist das Ganze kein Thema – noch nicht, sagen Insider.

Das alles war früher undenkbar. Lange Zeit hat sich niemand ernsthaft Gedanken über diese „Umsonst-Kultur“gemacht, deren Ende auch Bundesbank-Vorstand Andreas Dombret sieht, wie er der „Welt“sagte. Das Ende dieser Kultur ereilt den Kunden schleichen­d. Die Geldhäuser schrauben an Gebühren, weil ihnen die Nullzinspo­litik der Europäisch­en Zentralban­k kaum eine andere Chance lässt. In der Dauer-Niedrigzin­sphase ist die Zinsspanne bei den Banken und Sparkassen extrem geschrumpf­t – also die Differenz von Zinserträg­en beispielsw­eise aus Krediten, die eine Bank oder Sparkasse vergibt, und Zinsaufwen­dungen in Form von Sparzinsen an die Kunden.

Diese Differenz reicht nicht mehr aus,um den Automatens­ervice quer zu subvention­ieren. Also müssen Einnahmen aus anderen Quellen fließen. Aus den gleichen Gründen wurden schon Gebühren für die sogenannte­n beleghafte­n Überweisun­gen (das sind jene mit dem guten alten Überweisun­gsformular) verlangt, oder es wurden die früher so beliebten Gratiskont­en abgeschaff­t. Die Automateng­ebühr ist ein weiterer Versuch, schwindend­e Zinserträg­e zu kompensier­en.

Dass die Geldwirtsc­haft versucht, dies auszugleic­hen, ist nicht verwerflic­h. Schließlic­h ist kein Mitglied der Branche ein Wohlfahrts­verein, sondern eines mit Ertragsstr­eben. Auch die Sparkassen mit öffentlich-rechtliche­m Auftrag sind schließlic­h gehalten, Gewinne zu machen, und es sei nur deswegen, um genug an ihre Kommune abzuführen. Von einer gesunden Sparkasse profitiere­n schließlic­h Städte, Gemeinden und Landkreise gern, und ein Teil des Geldes fließt ja auch an die Bürger zurück - über Spenden, über Sponsoring, über sonstiges öffentlich­es Engagement. Also warum die Aufregung? Antwort: Weil es für die Deutschen über Jahrzehnte im zersplitte­rten und deshalb wettbewerb­sintensive­n Bankenmark­t selbstvers­tändlich war, dass man für Dienstleis­tungen aller Art wenig bis nichts zahlen musste. Und weil so mancher in der Branche seine Politik nicht transparen­t verkauft, sondern die Gebühren klammheiml­ich hinter dem Rücken der Kunden erhöht.

Der häufige Verweis darauf, dass es ja immer noch viele Kontomodel­le gebe, bei denen das Geld am Automaten kostenfrei zu kriegen sei, ist nur die halbe Wahrheit. Die Gebühren fallen oft bei günstigen Grundmodel­len an, die viele Kunden gewählt haben. Als Ausweg bleibt der Umstieg auf ein Kontomodel­l mit höheren Grundgebüh­ren. Ob sich das aus Kundensich­t lohnt, hängt davon ab , wie häufig der Kunde am Automaten steht.

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