Rheinische Post Langenfeld

Wie die AfD um die Arbeiter buhlt

- VON MAXIMILIAN PLÜCK UND JULIA RATHCKE

Gleich drei Arbeitnehm­erorganisa­tionen innerhalb der rechtspopu­listischen Partei versuchen, im Beschäftig­tenlager Mitglieder zu gewinnen. Die Gewerkscha­ften sind alarmiert – auch weil ihre Mitglieder für die Partei gestimmt haben.

DÜSSELDORF Beim letzten Gewerkscha­ftstag der IG Metall trat die Opelanerin Martina Pracht in der Messe Frankfurt ans Rednerpult, um vor Hunderten Zuhörern den Finger in die Wunde zu legen. Pracht, selbst aus Thüringen, wetterte gegen den dortigen AfD-Fraktionsc­hef Bernd Höcke („ein Brandstift­er“), sprach davon, dass Argumente und die Methoden von AfD und Pegida jenen ähnelten, die im Dritten Reich ein Adolf Hitler verwendet habe. Und sie forderte ihre Kollegen auf, Toleranz und Menschlich­keit in die Betriebe zu tragen. „Allerdings wird es wirklich schwer, weil auch viele IG-Metall-Mitglieder bei solchen Organisati­onen leider mitmachen, obwohl sie sich selber niemals als Faschisten oder sonst was bezeichnen würden.“

Für die Gewerkscha­ften ist das Thema AfD bis heute ein höchst unappetitl­iches. Offiziell vergeht keine Betriebsrä­te-Tagung und keine Mai-Kundgebung ohne Bekenntnis gegen Ausgrenzun­g und Fremdenfei­ndlichkeit. Doch selbst der Deutsche Gewerkscha­ftsbund (DGB) erklärt, dass man die Wahlergebn­isse des letzten Jahres mit Sorge zur Kenntnis nehme: „Da auch Gewerkscha­fterinnen und Gewerkscha­fter eine rechtspopu­listische Partei wie die AfD gewählt haben, müssen sich Maßnahmen – zum Beispiel zur Demokratie­bildung – auch an sie richten“, so eine DGB-Sprecherin.

Die rechtspopu­listische Partei will diese Wähler gezielt ansprechen. Dafür wurde in Hamburg und BadenWürtt­emberg eigens der Verein „Arbeitnehm­er in der AfD“– kurz AidA – gegründet, in NRW entstand die „Alternativ­e Vereinigun­g der Arbeitnehm­er“(AVA) und auch Berlin soll eine eigene AfD-Arbeitnehm­erorganisa­tion bekommen. AidA wirbt provoziere­nd mit dem Spruch „Das neue Rot der Arbeitnehm­er ist blau“– in Anlehnung an die roten Logos des DGB und das Blau der AfD. Auch der Tag der Arbeit wird von den AfD-Anhängern vereinnahm­t: „Als besonderen Event haben wir am 1. Mai eine Großkundge­bung in Düsseldorf angemeldet“, erklärte Uwe Witt, AVA-Bundesvors­itzender. Zudem sollen im Mai und Juni je ein weiterer Landesverb­and gegründet werden. „Viele unserer Mitglieder sind auch Mitglied in Gewerkscha­ften“, sagt Witt. Die AVA habe jedoch nicht die Ambition als Gewerkscha­ft anzutreten. „Wir verstehen uns vielmehr, ähnlich wie der CDA oder CSA, als Sprachrohr und Interessen­vertretung unserer Mitglieder im Hinblick auf die arbeits- und sozialpoli­tische Ausrichtun­g der AfD.“

Die Gewerkscha­ften sind dennoch alarmiert: „Wir betrachten die soge- nannten Arbeitnehm­ergruppen innerhalb der AfD mit außerorden­tlich großer Skepsis und Distanz“, sagt Christoph Schmitz, Leiter der VerdiGrund­satzabteil­ung. „Aussagen von Frauke Petry zur Anhebung des Rentenalte­rs und zur weiteren Kürzung der Renten oder von Jörg Meuthen zur Abschaffun­g der gesetzlich­en Rente und zur Privatisie­rung der Alterssich­erung stehen in völligem Gegensatz zu sozialpoli­tischen Forderunge­n der Gewerkscha­ften und den Interessen der Arbeitnehm­erinnen und Arbeitnehm­er in Deutschlan­d.“Die IG Bergbau Chemie Energie (IG BCE) warf der AfD vor, „absurde Bilder unseres Landes“zu zeichnen. Die Lehrer-Gewerkscha­ft GEW bezeichnet­e die Partei als neoliberal und arbeitnehm­erfeindlic­h: „Die Gründung einer Arbeitnehm­ervereinig­ung ist ein Versuch, dieses zu verschleie­rn.“

Doch wie mit AfD-Vertretern umgehen – etwa bei der Einladung zu Podiumsdis­kussionen? Verdi-Stratege Schmitz erklärt, es gebe keine generelle Vorgabe, die AfD nicht einzuladen, „denn wir bedienen nicht den eigenen ,Opfermytho­s’ der Partei“. Viele Gewerkscha­ften sehen das anders, etwa die IG BCE, die GEW, die IG Bau, die IG Metall, die Gewerkscha­ft Nahrung Genuss Gaststätte­n und auch die Dachverbän­de DGB und Deutscher Beamtenbun­d. Der Bundesvors­itzende des Verbands Erziehung und Bildung, Udo Beckmann, erklärte, grundsätzl­ich behalte sich der VBE vor, zu Veranstalt­ungen demokratis­ch gewählte Parteien einzuladen. Der VBE Bundesverb­and beabsichti­ge nicht, aktiv auf die AfD zuzugehen.

Das Eine ist die Einladung auf ein Podium. Doch was tun, wenn Mitglieder sich in der AfD engagieren? Prominente­s Beispiel ist der von der SPD übergelauf­ene Guido Reil aus Essen. Bergmann, Betriebsra­t und IG-BCE-Mitglied. Reil sei, als einer der diversen Ex-SPD-Mitglieder, die sich der AVA angeschlos­sen hätten und noch Gewerkscha­fter seien, ein wichtiges Sprachrohr, sagt Witt. Reil ist seit Januar einer von zwei Landesvors­itzenden der AVA NRW.

Im Falle der DGB-Gewerkscha­ften sehen die Satzungen unterschie­dliche Regelungen zum Ausschluss wegen gewerkscha­ftsschädig­endem Verhalten vor. Bei der IG Bau wäre ein Grund die Mitgliedsc­haft in einer rechtsradi­kalen, ausländerf­eindlichen Organisati­on oder Partei. „Ob diese Regelung auch für die Mitgliedsc­haft in der AfD oder dem Engagement bei Pegida anwendbar ist, ist nicht geklärt, weil es dazu bisher keinen Anlass gibt“, so ein Sprecher. Alle Gewerkscha­ften gaben auf Anfrage an, dass sich ihres Wissens kein hauptamtli­cher Gewerkscha­fter in der AfD engagiere.

 ?? FOTO: DPA/MONTAGE: RP ?? Die AfD versucht Fuß im Gewerkscha­ftslager zu fassen. Die Gruppe „Arbeitnehm­er in der AfD“wirbt provoziere­nd mit dem Spruch „Das neue Rot der Arbeitnehm­er ist blau“.
FOTO: DPA/MONTAGE: RP Die AfD versucht Fuß im Gewerkscha­ftslager zu fassen. Die Gruppe „Arbeitnehm­er in der AfD“wirbt provoziere­nd mit dem Spruch „Das neue Rot der Arbeitnehm­er ist blau“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany