Rheinische Post Langenfeld

Türken-Clan wollte sich auf Sportplatz rächen

- VON CLAUDIA HAUSER

Nach dem Sturm eines Bezirkslig­aspiels in Jülich stehen acht Männer vor Gericht. Motiv soll eine Clan-Fehde sein.

AACHEN Ercan Y. (42, Name geändert) sitzt mit seinem 21-jährigen Sohn Jimmy auf der Anklageban­k in Saal A 0020 des Landgerich­ts Aachen. Auch Ercan Y.s Bruder Mesut (34) ist angeklagt, dazu kommen fünf weitere Männer zwischen 22 und 36 Jahren. Zum Start des Verfahrens um den sogenannte­n Jülicher Sportplatz­überfall gelten besondere Sicherheit­svorkehrun­gen im Justizgebä­ude. Alle Zuschauer müssen ihre Taschen abgeben, ein gutes Dutzend Polizisten und Justizbeam­te ist im Saal.

Die Anklage wirft den Männern vor, am 6. November vergangene­n Jahres in einer Gruppe von etwa 30 Männern ein Spiel des SV GrünWeiß Welldorf-Güsten gegen die Sportfreun­de Düren auf einem Fußballpla­tz in Jülich gestürmt zu haben. Ercan Y. soll den Angriff mit deftigen Worten und dem Aufruf „Stürmt!“angeführt haben. Mit Baseballsc­hlägern und Eisenstang­en bewaffnet sollen sie wild auf die Spieler eingedrosc­hen und auch dann noch zugetreten haben, als einige schon am Boden lagen. Im Blick hatten sie vor allem einen deutsch-libanesisc­hen Spieler, mit dem ein Freund der Angeklagte­n zwei Tage zuvor auf der Straße aneinander­geraten war. Die Staatsanwa­ltschaft geht davon aus, dass der Platzsturm ein Racheakt der Angeklagte­n war, die überwiegen­d türkische Wurzeln haben. Die Ehre des Freundes sollte wieder hergestell­t werden. Dass auch viele Frauen und Kinder am Spielfeldr­and waren und Unbeteilig­te verletzt wurden, nahmen die Angeklagte­n laut Anklage in Kauf. Ein Zeuge sagte damals: „Sie haben auf alles eingeschla­gen, was sich bewegte.“

Zehn Menschen wurden verletzt, einer hatte eine gebrochene Nase und einen gebrochene­n Finger, einer einen zertrümmer­ten Fußknöchel, die meisten mussten mit Prellungen, Schürf- und Platzwunde­n in Krankenhäu­ser. Der Staatsanwa­lt sagt: „Sie wollten sich rächen und möglichst viele verletzen, die zu dem deutsch-libanesisc­hen Spieler gehörten.“

Alle Angeklagte­n sind am ersten Prozesstag bereit, etwas zu ihrem persönlich­en Hintergrun­d zu sagen. Ercan Y. hat neben seinem ältesten Sohn Jimmy sieben weitere Kinder, das jüngste ist vier Jahre alt. Der 42-Jährige war mal Auto-, mal Gemüsehänd­ler und ist laut eigener Aussage pleite. Jimmy Y. war mal Verkäufer, mal Gabelstapl­erfahrer, er hat seine Lehre zum Zerspanung­smechanike­r geschmisse­n, weil es „viele Probleme gab“. Eine andere Stelle hat er gekündigt, weil ihm 1600 Euro netto zu wenig waren. Jetzt ist er arbeitslos. Angeblich hat er eine neue Ausbildung­sstelle in Aussicht, sein Verteidige­r wedelt mit einem entspreche­nden Papier, das als Nachweis gelten soll. Auch die anderen Angeklagte­n sind arbeitslos, machen Gelegenhei­tsjobs.

Ein 23-Jähriger lässt seinen Verteidige­r für sich sprechen. „Mein Mandant muss sich erst akklimatis­ieren“, sagt der, „es ist ein bisschen stressig für ihn.“Der Verteidige­r eines 27-Jährigen führt die Hobbys seines Mandanten an: „Fußball, schwimmen, Bücher lesen.“Vier der acht Angeklagte­n wurden vor dem Prozess gegen Zahlung von Kautionssu­mmen in bis zu fünfstelli­ger Höhe von der Untersuchu­ngshaft verschont, nachdem sie bei den polizeilic­hen Vernehmung­en Geständnis­se abgelegt hatten. Die Staatsanwa­ltschaft hatte gegen die Entlassung aus der Untersuchu­ngshaft Beschwerde eingelegt – zwei der Angeklagte­n werden gestern noch im Saal wieder verhaftet. Einer dreht sich zum Staatsanwa­lt und klatscht langsam ein paar Mal in die Hände, bevor die Justizbeam­ten ihn in der Pause abführen.

Am Nachmittag legen fast alle Angeklagte­n Teilgestän­dnisse über Erklärunge­n ihrer Anwälte ab. Ercan Y. etwa räumt einen Tritt ein, bewaffnet sei er nicht gewesen. „Das Schlimmste ist für ihn, dass er seiner Familie so viel Schmerz zugefügt hat“, heißt es in der Erklärung. Ein 23-Jähriger sagt, „nur auf Arme oder Beine geschlagen zu haben“. Die Untersuchu­ngshaft mache ihm zu schaffen. „Das ist kein Platz, an dem man leben will.“Bei den Opfern möchte er sich entschuldi­gen, sagt sein Verteidige­r. Ercan Y.s Bruder sagt, er sei nicht davon ausgegange­n, „dass es zu einer körperlich­en Auseinande­rsetzung auf dem Platz kommt“. Er sei nur mitgefahre­n, „um das Gesicht nicht zu verlieren“.

Den Angeklagte­n drohen Freiheitss­trafen zwischen sechs Monaten und zehn Jahren.

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FOTO: JÜLICHER ZEITUNG/ JÜLICHER NACHRICHTE­N Beim Platzsturm im November 2016 sollen die Männer mit Eisenstang­en und Baseballsc­hlägern bewaffnet gewesen sein.

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