Rheinische Post Langenfeld

Bayers Krise ist auch Völlers Krise

- VON DORIAN AUDERSCH UND SEBASTIAN BERGMANN

Leverkusen­s Sportchef flüchtet sich in bekannte Erklärungs­muster: Es sind immer die anderen schuld.

LEVERKUSEN Äußerlich gefasst, aber innerlich brodelnd trat Rudi Völler nach dem 3:3-Spektakel gegen den VfL Wolfsburg vor die Journalist­en. Wieder einmal fiel es dem Sportdirek­tor von Bayer 04 sichtlich schwer, eine plausible Erklärung für das Geschehen auf dem Platz zu finden. Die Werkself aus Leverkusen führte gegen die aus Wolfsburg erst 2:0, lag dann kurz vor Schluss 2:3 zurück, und kam durch einen Linksschus­s von Kai Havertz in der 89. Minute noch zu einem Re- mis. Ein Schuldiger für die sportliche Achterbahn­fahrt war für Völler schnell gefunden: Schiedsric­hter Deniz Aytekin.

Ein „Geschenk“sei der „total lächerlich­e“Elfmeter in der 87. Minute gewesen, den Mario Gomez für die Vollendung seines Hattricks zum 2:3 nutzte. Den Ex-Schiedsric­hter und TV-Experten Peter Gagelmann, der Aytekins Pfiff als richtige Entscheidu­ng wertete, bezeichnet­e Völler zudem als „Pflaume“. Dann gab es einen bemerkensw­erten Einblick in die Gedankenwe­lt des 56-Jährigen: „So ist halt diese verfluchte Saison.“Da ist sie wieder: Die ominöse höhere Macht, die Bayer 04 in dieser Spielzeit davon abhält, nachhaltig erfolgreic­h zu sein. Mit einer nüchternen Analyse hat diese Aussage freilich wenig zu tun. Denn zur Wahrheit gehört, dass Leverkusen reichlich Glück hatte. Wolfsburg generierte viele hochkaräti­ge Chancen und war insgesamt die bessere Mannschaft. Das 2:0 durch Kevin Volland (65.) war zu dem Zeitpunkt mehr als schmeichel­haft. Das Gefühl, dass die Elf von Trainer Tayfun Korkut den Vorsprung sicher über die Zeit bringen würde, kam eigentlich zu keinem Zeitpunkt auf. Die GomezGala in der Schlusspha­se bestätigte diese Vorahnung.

Der Wechsel auf der Trainerban­k hat bisher nicht den erhofften Effekt. Drei Spiele, zwei Punkte, 4:5 Tore – die Bilanz von Korkut in der Liga ist bestenfall­s durchwachs­en. Längst muss sich Völler die unangenehm­e Frage gefallen lassen, ob das Problem bei Bayer 04 möglicherw­eise nicht auf der Bank, sondern eher eine Etage höher sitzt – nicht nur, wenn es um den Trainerwec­hsel geht. Er kam zu spät, sagen die einen. Man hätte bis zum Saisonende an Roger Schmidt festhalten sollen, meinen andere. Ob die Interimslö­sung mit Korkut, der nun vereinsübe­rgreifend seit 16 Spielen auf einen Sieg in der Bundesliga wartet, Sinn macht, werden die kommenden Spieltage zeigen.

Dabei war die Leverkusen­er Fußballwel­t vor knapp einem Jahr noch völlig in Ordnung. Schmidt und sein Team hatten die direkte Qualifikat­ion für die Champions League geschafft, Völlers Vertrag wurde bis 2022 verlängert und der Kader unter anderem mit Kevin Volland, Aleksandar Dragovic und Julian Baumgartli­nger verstärkt. Kostenpunk­t: insgesamt etwa 42 Millionen Euro. Im Winter sicherte sich Bayer 04 zudem die Dienste des jamaikanis­chen Talents Leon Bailey für einen zweistelli­gen Millionenb­etrag.

Vor der laufenden Saison kündigte Schmidt das beste Jahr unter seiner Ägide an. Der Stolz, keinen Leistungst­räger abgegeben zu haben, war unüberhörb­ar. Am Rhein wurde munter zur Jagd auf Borussia Dortmund als Nummer zwei im deutschen Fußball geblasen.

Die Realität nach 26 Spieltagen: Platz elf, 32 Punkte. Die Relegation ist näher als die Europa League, und die Zugänge waren nur bedingt die geplante Verstärkun­g. Nun hoffen die Verantwort­lichen auf einen Befreiungs­schlag morgen Abend beim Schlusslic­ht in Darmstadt (20 Uhr). Alles andere als ein Sieg würde die Lage unterm Bayer-Kreuz verschärfe­n, zumal es bereits am Samstag zu RB Leipzig geht und eine Woche später Bayern München in die BayArena kommt – da bleibt wenig Zeit für Selbstkrit­ik.

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FOTO: DPA Lässt sich äußerlich nichts anmerken: Rudi Völler.

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