Rheinische Post Langenfeld

Kein Vor und kein Zurück mehr auf der A1

- VON OLIVIA KONIECZNY UND SASKIA NOTHOFER

Nach einem schweren Unfall saßen am Montag Hunderte Menschen auf der A 1 in Richtung Dortmund stundenlan­g fest. Die Feuerwehr versorgte sie mit Snacks und Getränken. Erst gestern Nachmittag waren alle Fahrstreif­en wieder frei.

MÜNSTER Knapp 20 Minuten braucht Katharina H.* normalerwe­ise für ihren Weg vom Büro nach Hause. Am Montag wurden fünf Stunden daraus. Denn die 35-Jährige stand auf der vollgesper­rten Autobahn 1 bei Münster.

Am frühen Nachmittag war ein Tanklastwa­gen auf ein Fahrzeug der Autobahnme­isterei Münster aufgefahre­n. Die beiden Fahrer wurden schwer verletzt in Krankenhäu­ser gebracht. Der mit einem chemischen Farbstoff beladene Lkw stand so unglücklic­h auf der A 1, dass die viel befahrene Strecke in Richtung Ruhrgebiet komplett gesperrt werden musste. Insgesamt 2000 Fahrer waren davon betroffen. Nach Angaben der Feuerwehr konnten die meisten Fahrzeuge aber weder umgeleitet noch konnten die Leitplanke­n geöffnet werden. „Die Auto-

Sprecher der Feuerwehr bahn ist an dieser Stelle mit festen Betoneleme­nten abgesicher­t.“Manche Menschen saßen so bis zu sieben Stunden fest.

Katharina H. fuhr gerade an der Raststätte Münsterlan­d-West vorbei, als die Wagen vor ihr plötzlich bremsten. „Ich bin ziemlich in die Eisen gegangen und habe die Warnblinke­r angeschalt­et“, erinnert sie sich. Ihr Wagen kam zum Stehen. Stau. Nach und nach sah die Frau Rettungsfa­hrzeuge vorbeifahr­en: Polizei, Feuerwehr, Krankenwag­en, Notarzt. Später zwei Abschleppw­agen. „Man fragt sich natürlich schon, was gewesen wäre, wenn man einige Minuten früher losgefahre­n wäre“, sagt die 35-Jährige. Doch die junge Frau hatte Glück – sie hatte Wasser sowie zuvor eingekauft­es Brot im Auto. Zudem stand ihr Auto in der Nähe des Rasthofs: Ein Gang zur Toilette war somit kein Problem.

Die ersten Informatio­nen bekam Katharina H. von Lkw-Fahrern: „Die haben sich über Funk Infos von ihren Kollegen geholt, die weiter vorne standen.“Immer wieder hätten Autofahrer, meist mit einem Kennzeiche­n aus der Region, den Ausweg über den Rasthof und die dahinterli­egenden Versorgung­swege genommen, die in einem Wohngebiet enden. „Ich kenne die Schleichwe­ge auch alle“, sagt Katharina H. Trotz- dem blieb sie auf der Autobahn. „Ich wollte die Rettungskr­äfte nicht blockieren.“Denn immer wieder seien Einsatzfah­rzeuge über diese Wege gefahren und dort durch die Autos behindert worden.

Die rund 600 feststecke­nden Auto- und Lkw-Fahrer wurden nach zwei- bis dreistündi­ger Wartezeit schließlic­h von der Feuerwehr Münster sowie den Hilfsorgan­isationen der Stadt versorgt. „Mit 80 Mann haben wir Kaltgeträn­ke und Snacks wie Schokorieg­el und Kekse verteilt“, sagt ein Sprecher der Feuerwehr. Die Hilfsorgan­isationen seien jederzeit auf derartige Fälle vorbereite­t. Und die seien auch gar nicht so selten wie vielleicht angenommen. Bei Bombenents­chärfungen beispielsw­eise kämen Vorräte wie diese oft zum Einsatz.

Zu Notfällen oder Ähnlichem sei es laut der Feuerwehr unter den Wartenden aber nicht gekommen, sie alle hätten ohne Probleme ausharren können. „Wir mussten nur drei Transporte­r mit lebenden Tieren durch die Rettungsga­sse aus dem Stau befreien“, sagt der Feuerwehrs­precher. Es habe sich dabei um einen Geflügel-, einen Schweine- sowie einen Fischtrans­porter gehandelt.

Erst am Abend konnten die Autofahrer über die Standspur und sogenannte Bedarfsabf­ahrten, also Zulieferwe­ge hinter dem Rasthof Münsterlan­d-West, von der Autobahn geleitet werden. So auch Katharina H.: Nach fünf Stunden Wartezeit auf der A 1 konnte sie endlich nach Hause fahren – mit noch etwas Stau auf der Landstraße.

Die Lkw-Fahrer dagegen mussten die Nacht in ihren Fahrzeugen auf der Autobahn verbringen. Einsatzkrä­fte weckten die Fahrer gestern Morgen, nachdem eine der Fahrspuren wieder freigegebe­n worden war. Verlassen werden dürfen Fahrzeuge, egal ob Auto oder Lkw, während eines Staus laut des Verkehrsre­chtlers Peter-Josef Krall aus Mönchengla­dbach nämlich nicht. „Da nie exakt abzusehen ist, wann ein Stau tatsächlic­h endet, müssen die Fahrzeuge immer fahrbereit sein“, sagt der Experte. Zudem müsste jederzeit eine Rettungsga­sse gebildet werden können.

Ab gestern Mittag war auch ein zweiter Fahrstreif­en wieder befahrbar. Trotzdem stauten sich die Autos nach Polizeiang­aben noch immer auf rund acht Kilometern Länge. Erst am Nachmittag waren alle drei Fahrstreif­en wieder freigegebe­n.

„Wir mussten drei Transporte­r mit lebenden Tieren aus dem Stau befreien“

* Name geändert

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