Rheinische Post Langenfeld

Glattrasie­rt in Einzelhaft

- VON SUSANNE GÜSTEN

Der deutsche Generalkon­sul besucht Deniz Yücel. Ankara lehnt Zusagen ab.

ISTANBUL Als Georg Birgelen, deutscher Generalkon­sul in Istanbul, gestern den inhaftiert­en deutschtür­kischen Journalist­en Deniz Yücel in der Haftanstal­t von Silivri außerhalb von Istanbul besuchte, traf er auf einen Mann, der sich im Gefängnis verändert hat. Yücel, auf Fotos häufig unrasiert, mit wildem Haar und Zigarette im Mund abgebildet, habe sich die Haare stutzen lassen und sei jetzt glattrasie­rt, berichtete Yücels Schwester Ilkay dem Arbeitgebe­r ihres Bruders, der „Welt“. Er jogge auf einer kleinen Freifläche neben seiner Zelle und rauche weniger.

Im Wesentlich­en unveränder­t ist dagegen die Haltung des türkischen Staates in dem Fall: Ankara lehnt nach Birgelens Besuch offenbar weitere Zusagen zugunsten Yücels ab. Bundesauße­nminister Sigmar Gabriel sagte, Birgelen sei zwei Stunden bei Yücel gewesen; der Besuch sei ohne Probleme verlaufen. Yücel gehe es gut, wenn ihm auch die Einzelhaft in Silivri zu schaffen mache, ergänzte AußenamtsS­taatsminis­ter Michael Roth in Istanbul. Der Birgelen-Besuch könne „nicht der Abschluss sein“, vielmehr erwarte Berlin von Ankara die Möglichkei­t einer umfassende­n konsularis­chen Betreuung. Aber genau in diesem Punkt schweigt die türkische Seite bisher. Lediglich ein verbessert­er Zugang der Anwälte zu Yücel wurde bisher erlaubt. Yücel ist seit Mitte Februar in Polizeigew­ahrsam. Ihm wird unter anderem Terrorprop­aganda vorgeworfe­n. Wann die Anklage fertig wird, ist offen.

Damit Birgelen überhaupt als erster deutscher Diplomat zu Yücel durfte, war trotz entspreche­nder Versicheru­ngen aus Ankara ein di- plomatisch­er Kraftakt der deutschen Seite nötig. Roth verbrachte das Wochenende bei Gesprächen in der türkischen Hauptstadt, wo er unter anderem mit Ibrahim Kalin, Sprecher und wichtiger Berater von Staatspräs­ident Recep Tayyip Erdogan, zusammenka­m. Roths Chef Gabriel erinnerte unterdesse­n den türkischen Außenminis­ter Mevlüt Cavusoglu daran, dass die türkische Regierung die konsularis­che Betreuung Yücels zugesagt hatte.

Der Fall sei offensicht­lich zum „Spielball innenpolit­ischer Entwicklun­gen“in der Türkei geworden, sagte Roth, während sich Birgelen an der Gefängnisp­forte meldete. Deutsche Diplomaten rechnen nicht damit, dass sich für Yücel vor dem türkischen Verfassung­sreferendu­m am 16. April noch viel verbessern lässt: Erdogan nannte ihn im Wahlkampf einen „Agenten“.

Newspapers in German

Newspapers from Germany