Die Diamanten von Nizza
Gut. Ziemlich gut. Monica war völlig verzaubert. Wahrscheinlich schwebt sie nachher mit einem Lied auf den Lippen die Treppe hinunter.“Er schenkte beiden Kaffee ein. „Also, wo waren wir gestern Abend stehengeblieben?“
„Sie haben mir erzählt, wie Coco tickt. Doch bevor wir darauf zu sprechen kommen, gibt es noch eine andere Sache, die mir rätselhaft ist. Diese Miniaturhände. Ich meine, warum sollte sie solch eindeutige Spuren hinterlassen, wenn sie irgendetwas mit diesen Raubüberfällen zu tun hat? Das macht eigentlich keinen Sinn.“
„Sam, das entspricht ganz und gar ihrem Charakter. Zum einen glaubt sie, dass alles, was sie macht, Kunst ist, und Kunstwerke sollten mit der Signatur des Künstlers versehen werden. Die Hände sind ihre Signatur. Zum anderen ist sie eine außerordentlich von sich überzeugte Frau, deren Selbstsicherheit möglicherweise an Sorglosigkeit grenzt. Vielleicht glaubte sie felsenfest daran, dass niemand auf diese Kleinigkeiten achten würde. Und bis Philippe und Sie hier aufkreuzten, war das ja auch der Fall. Die Polizei hat die Bronzehände nicht bemerkt, und Mimi ist nur zufällig darauf gestoßen. Abgesehen davon, sind das lediglich Indizien, keine Beweise, auf die Sie im Ernstfall zurückgreifen könnten. Wenn Sie auf die Idee kämen, Coco damit zu konfrontieren, würde sie Ihnen ins Gesicht lachen.“
Sam musste ihm notgedrungen zustimmen. „Sie haben recht. Ich habe bereits überlegt, ob ich Hervé bitten soll, einen Blick darauf zu werden, aber vermutlich hat das keinen Zweck. Was könnte er schon bewirken?“„Nicht aufgeben“, sagte Reboul. „Wenn Sie drei Mal ungestraft davongekommen ist, besteht die Möglichkeit, dass sie es wieder versucht – und das wäre ein idealer Moment, um sie in flagranti zu erwischen.“
Während Sam darüber nachsann, gesellte sich Monica zu ihnen auf die Terrasse, ein Bild von einer Frau in Schwarz-Weiß: weißes T-Shirt, weiße lange Hose, glänzende schwarze Sonnenbrille und glänzende schwarze Haare. „Ihr beide seht viel zu ernst aus für einen so herrlichen Morgen. Was ist passiert? Wurde der nationale Notstand ausgerufen, weil der Rosé ausgegangen ist?“
Claudine saß im Fond des Wagens und sah das Informationsmaterial noch einmal durch, das sie für die Johnsons eingepackt hatte. Der Papierwust, der jede Transaktion in Frankreich begleitete, füllte eine ganze Mappe. Er enthielt eine Auswahl von Druckfahnen, die komplett waren einschließlich der Bildunterschriften, sowie Einzelheiten zur vorgeschlagenen Gestaltung des Titelblatts. Das wird ein Knaller für unser Magazin, dachte sie, als Roland, ihr Fahrer, vor dem Eingangstor zum Anwesen der Johnsons hielt.
„Haben Sie die Kekse dabei?“Claudine war von Philippe vorgewarnt worden, dass sie auf der Zufahrt vermutlich von Percy in Empfang genommen würden, der eine Schwäche für ausländische Automarken besaß.
„Selbstverständlich, Madame“, erwiderte Roland. „Die allerbesten – die Fido-Hundeleckerli in Knochenform. Ich habe gleich eine ganze Schachtel griffbereit.“
Und tatsächlich: Kaum dass sie die Zufahrt hinauffuhren, rauschte der Höllenhund heran, gab jedoch rasch jeden Gedanken an eine Attacke auf, als eine Handvoll Hundekekse auf ihn niederprasselte. Johnson, der an der Eingangstür seines Hauses stand und die Szene beobachtet hatte, begrüßte Claudine mit einem Lächeln. „Ich sehe schon, Sie wissen, wie man das Herz eines Hundes gewinnt. Treten Sie ein.“„Himmlisch“, sagte Claudine, als sie durch das Haus in Johnsons Büro gingen. „Noch imposanter, als ich erwartet hatte.“„Das liegt an der ganzen Atmosphäre, die hier herrscht. Ich schätze, wir werden prächtig miteinander auskommen. Jetzt lassen Sie uns erst einmal anschauen, was Sie mitgebracht haben.“Claudine begann, die Fahnen auf Johnsons Schreibtisch auszubreiten. Das Titelblatt zeigte eine Totalaufnahme des Hauses, das im Sonnenlicht glühte. Darüber stand „Paradies zu verkaufen“. Johnson nickte. „Das gefällt mir. Ganz famos.“Seine Begeisterung steigerte sich noch, als Claudine ihm den Inhalt des sechsseitigen Artikels wiedergab, der mit einer kleinen Leerstelle endete, an der sich lediglich ein Fragezeichen befand. „Hier brauche ich Ihre Hilfe“, sagte Claudine. „Für alle Leser, die gerne mehr erfahren möchten – und ich denke, das werden viele sein – sollten wir den Namen und die Kontaktdaten von jemandem anführen, der weitere Auskünfte erteilen kann: beispielsweise über den Preis, was ja auf der Hand liegt, und alles andere, was Ihrer Ansicht nach für einen potenziellen Käufer von Interesse sein könnte. Ich bin sicher, dass Sie diese Aufgabe nicht selbst übernehmen wollen.“ „Das überlasse ich diesem Anwalt, den ich in Nizza an der Hand habe. Ein durch und durch vernünftiger Mann. Seine Kanzlei kann sich darum kümmern. Was ich bisher von Ihnen gehört habe, klingt alles höchst zufriedenstellend. Ich habe nur noch eine Frage: Was bin ich Ihnen für Ihre Mühe schuldig?“„Mais rien du tout. Sie liefern dem Magazin schließlich eine wunderbare Geschichte. Wenn sich Ihr Haus aufgrund des Artikels verkaufen lässt, vielleicht eine Kiste Champagner. Aber das ist alles.“Johnson stellte ein paar einfache Berechnungen an. Die Provision eines Immobilienmaklers belief sich in dieser Gegend auf rund fünf Prozent. Bei einem Verkaufserlös von zehn Millionen wäre das eine halbe Million Euro, die er nicht berappen musste. „Ausgezeichnet“, erwiderte er. „Jede Kleinigkeit zählt.“
22. KAPITEL Gastgeber zu sein ist eine der größten Freuden, die man auf dieser Welt erleben kann! Das Haus der Fitzgeralds wurde für die Party, die am folgenden Abend stattfinden sollte, buchstäblich verwandelt. Arbeiter spannten die weißen Segeltuchmarkisen rund um die Terrassen auf. Drei Männern mit musikalischen Referenzen zimmerten die provisorische Bühne für die Band zusammen und alle fünf Minuten schienen Lieferungen einzutrudeln: Trois Étoiles Chez Nous, die derzeit angesagte Cateringfirma an der Küste, hatte die Tischdecken, Servietten und das Besteck nebst einer ganzen Batterie berauschender Getränke aller Art besorgt, von Champagner bis Bier.
(Fortsetzung folgt)