Linkeattackieren Sarrazin-Lesung
In Düsseldorf gibt es Widerstand gegen eine Veranstaltung mit dem „Deutschland schafft sich ab“-Autor – und Kritik an solcher Intoleranz.
DÜSSELDORF Helmut Müller ist immer gerne behilflich. Er hat eine kleine Wäscherei am Fürstenplatz in Düsseldorf und war sofort bereit, Unterschriftenlisten gegen eine Lesung von Thilo Sarrazin am 18. Mai in der quer gegenüberliegenden Weinbar und -handlung Feinstil auszulegen, denn Müller hält nicht viel von dem Mann. Nachbarn baten ihn zudem, ein Plakat in seinem Laden aufzuhängen. „Gegen Sarrazin im Feinstil“ist darauf zum Teil in altdeutscher Schrift zu lesen. Das fand nicht jeder Kunde gut. „Hier am Fürstenplatz wohnen Mitglieder aller Parteien, und das Stimmungsbild war nicht so eindeutig, wie ich es erwartet hatte. Außerdem wirkte das Plakat wirklich abschreckend.“Müller sammelt jetzt keine Unterschriften mehr, es waren ohnehin nur zwei, das Plakat ist unter der Ladentheke verschwunden.
Rund um den Fürstenplatz hat sich eine Gruppe von Nachbarn gebildet, die gegen die Veranstaltung mit Sarrazin, der aus seinem neuen Buch „Wunschdenken“lesen will, protestiert. Auf Facebook wurde ein Offener Brief an das Feinstil formuliert, in dem der Veranstalter aufgefordert wird, die Lesung abzusagen. „Herr Sarrazin trägt entschieden zur Stärkung und Verbreitung rechter Gedanken in der Mitte der Gesellschaft bei. Wenn man so wie er maßgeblich daran beteiligt ist, Menschen als minderwertig zu diffamieren, legitimiert man Ausgrenzung und Intoleranz. Die Thesen Thilo Sarrazins sind Teil eines Klimas, das am Fürstenplatz unerwünscht ist“, heißt es in einem Offenen Brief der Gruppe „Nachbarschaft ohne Rassismus“. Unterschrieben haben ihn rund 100 Einzelpersonen, Geschäfte, Parteien, Kneipen, Vereine und Galerien, auch Organisationen wie Düsseldorf stellt sich quer, Rock gegen Rechts oder die Flüchtlingsinitiative Stay.
„Nachbarschaft gegen Rassismus“will am 18. Mai auf dem Fürstenplatz ab 19 Uhr ein „Fest ohne Rassismus“feiern – mit Musik und „kreativen Beiträgen“. Eine Sprecherin der Gruppe sagt: „Wir wollen weder zu Gewalt noch zu Krawallen aufrufen, sondern zeigen, dass der Fürstenplatz für ein buntes und friedliches Miteinander steht.“
Aber es gibt in den Kommentaren auf der Facebookseite auch kräftigen Gegenwind. „Nachbarschaft gegen Meinungsfreiheit“heißt es dort etwa sarkastisch. Oder: „Und wer die Plakate nicht aufhängt, steht dann womöglich als nächstes auf der Liste. Wo habt ihr das gelernt? In Nordkorea?“Der Publizist Henryk M. Broder schreibt in dem InternetBlog Achgut.com: „Die deutsche Antifa kämpft gegen alles, das ihrem Verständnis nach falsch und unsachlich ist, wobei sie auch vor Gewalt nicht zurückscheut.“
Das Feinstil denkt jedenfalls nicht daran, die Lesung abzusagen, im Gegenteil: Im Schaufenster ist inzwischen auf einem Plakat zu lesen, dass es am 17. Mai um 20 Uhr einen Zusatztermin geben soll. Die erste Lesung war innerhalb eines Tages ausverkauft. Die Feinstil-Betreiber Nina Watzenberg und Uwe Breitfeld teilen auf Anfrage mit: „Wir stehen für Meinungsfreiheit und -vielfalt, sofern sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen.“