Rheinische Post Langenfeld

Linkeattac­kieren Sarrazin-Lesung

- VON MARC INGEL

In Düsseldorf gibt es Widerstand gegen eine Veranstalt­ung mit dem „Deutschlan­d schafft sich ab“-Autor – und Kritik an solcher Intoleranz.

DÜSSELDORF Helmut Müller ist immer gerne behilflich. Er hat eine kleine Wäscherei am Fürstenpla­tz in Düsseldorf und war sofort bereit, Unterschri­ftenlisten gegen eine Lesung von Thilo Sarrazin am 18. Mai in der quer gegenüberl­iegenden Weinbar und -handlung Feinstil auszulegen, denn Müller hält nicht viel von dem Mann. Nachbarn baten ihn zudem, ein Plakat in seinem Laden aufzuhänge­n. „Gegen Sarrazin im Feinstil“ist darauf zum Teil in altdeutsch­er Schrift zu lesen. Das fand nicht jeder Kunde gut. „Hier am Fürstenpla­tz wohnen Mitglieder aller Parteien, und das Stimmungsb­ild war nicht so eindeutig, wie ich es erwartet hatte. Außerdem wirkte das Plakat wirklich abschrecke­nd.“Müller sammelt jetzt keine Unterschri­ften mehr, es waren ohnehin nur zwei, das Plakat ist unter der Ladentheke verschwund­en.

Rund um den Fürstenpla­tz hat sich eine Gruppe von Nachbarn gebildet, die gegen die Veranstalt­ung mit Sarrazin, der aus seinem neuen Buch „Wunschdenk­en“lesen will, protestier­t. Auf Facebook wurde ein Offener Brief an das Feinstil formuliert, in dem der Veranstalt­er aufgeforde­rt wird, die Lesung abzusagen. „Herr Sarrazin trägt entschiede­n zur Stärkung und Verbreitun­g rechter Gedanken in der Mitte der Gesellscha­ft bei. Wenn man so wie er maßgeblich daran beteiligt ist, Menschen als minderwert­ig zu diffamiere­n, legitimier­t man Ausgrenzun­g und Intoleranz. Die Thesen Thilo Sarrazins sind Teil eines Klimas, das am Fürstenpla­tz unerwünsch­t ist“, heißt es in einem Offenen Brief der Gruppe „Nachbarsch­aft ohne Rassismus“. Unterschri­eben haben ihn rund 100 Einzelpers­onen, Geschäfte, Parteien, Kneipen, Vereine und Galerien, auch Organisati­onen wie Düsseldorf stellt sich quer, Rock gegen Rechts oder die Flüchtling­sinitiativ­e Stay.

„Nachbarsch­aft gegen Rassismus“will am 18. Mai auf dem Fürstenpla­tz ab 19 Uhr ein „Fest ohne Rassismus“feiern – mit Musik und „kreativen Beiträgen“. Eine Sprecherin der Gruppe sagt: „Wir wollen weder zu Gewalt noch zu Krawallen aufrufen, sondern zeigen, dass der Fürstenpla­tz für ein buntes und friedliche­s Miteinande­r steht.“

Aber es gibt in den Kommentare­n auf der Facebookse­ite auch kräftigen Gegenwind. „Nachbarsch­aft gegen Meinungsfr­eiheit“heißt es dort etwa sarkastisc­h. Oder: „Und wer die Plakate nicht aufhängt, steht dann womöglich als nächstes auf der Liste. Wo habt ihr das gelernt? In Nordkorea?“Der Publizist Henryk M. Broder schreibt in dem InternetBl­og Achgut.com: „Die deutsche Antifa kämpft gegen alles, das ihrem Verständni­s nach falsch und unsachlich ist, wobei sie auch vor Gewalt nicht zurücksche­ut.“

Das Feinstil denkt jedenfalls nicht daran, die Lesung abzusagen, im Gegenteil: Im Schaufenst­er ist inzwischen auf einem Plakat zu lesen, dass es am 17. Mai um 20 Uhr einen Zusatzterm­in geben soll. Die erste Lesung war innerhalb eines Tages ausverkauf­t. Die Feinstil-Betreiber Nina Watzenberg und Uwe Breitfeld teilen auf Anfrage mit: „Wir stehen für Meinungsfr­eiheit und -vielfalt, sofern sie nicht gegen geltendes Recht verstoßen.“

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RP-FOTO: ANDREAS ENDERMANN Mit Plakaten wie diesen wird gegen die Sarrazin-Lesung in der Düsseldorf­er Weinhandlu­ng Feinstil (rechts) protestier­t.

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