Jesus mit den blauen Augen
In dem Bibelfilm „40 Tage in der Wüste“spielt Ewan McGregor Gottes Sohn.
Man muss natürlich erstmal verdauen, dass ein 45 Jahre alter Schotte mit blauen Augen, der schon das Drogenwrack Mark Renton in „Trainspotting“und den ObiWan Kenobi in „Star Wars“gespielt hat, nun der neue Jesus ist. Ewan McGregor tritt in der Bibel-Meditation „40 Tage in der Wüste“als Gottes Sohn auf, und gleich in der ersten Szene sitzt er zerlumpt und mit Perücke verkleidet da und ruft mit viel Pathos: „Vater, wo bist Du?“. Da ist man dann doch leicht irritiert.
Das gewissermaßen Wundersame dieser wortkargen Produktion, bei der Rodrigo Garcia, der älteste Sohn des wunderkundigen Literatur-Nobelpreisträgers Gabriel Garcia Marquez, Regie führt, ist dann aber, dass man sich von diesem arglosen, angenehm naiven, von Zweifeln verunsicherten und durch und durch menschlichen Jesus gern an die Hand nehmen lässt. Er führt einen vielleicht nicht zur Erleuchtung, aber er beseelt den Zuschauer, er gönnt ihm Ruhe.
Erzählt wird die Episode von Jesu Aufenthalt in der Wüste. Im Markus-Evangelium heißt es nach Jesu Taufe: „Danach trieb der Geist Jesus in die Wüste. Dort blieb Jesus vierzig Tage lang und wurde vom Satan in Versuchung geführt. Er lebte bei den wilden Tieren und die Engel dienten ihm.“Der Film hat ein kleines Budget, deshalb konnte man nicht in der Wüste Judäas drehen, man musste im Anza-Borrego-StatePark in Kalifornien arbeiten, aber auch die schroffen Berge dort sind nicht dafür gemacht, dass Menschen darin leben. Insofern bleibt die Botschaft trotz Ortwechsels klar und universell: Hier sucht jemand Einkehr. Er will aus sich heraustreten und Gott begegnen in der Stille.
McGregor findet zunächst jedoch nur Satan. Der sieht aus wie er selbst, er ist sein anderes Ich, ein Verführer, ein Lügner, ein Wegweiser in den Abgrund. Um sich abzulenken von dessen Einflüsterungen hilft Jesus einer Familie beim Hausbau. Der halbwüchsige Sohn der Familie versucht sich vom alttestamentarisch durchregierenden Vater zu befreien, und so wird der Film zu einem Versuch über Väter und Söhne, über den feinen Unterschied zwischen Fürsorge und Autorität, der im Himmel ebenso schwierig zu überbrücken scheint wie auf Erden.
Das Ereignis an diesem Film sind die Bilder, die Kameramann Emmanuel Lubezki auf die Leinwand bringt. Er wurde ja schon dreimal mit dem Oscar geehrt, für „Gravity“, „Birdman“und „The Revenant“, und seine Landschaften in „40 Tage in der Wüste“sind so weit und schön, dass man sie am liebsten zusammenschneiden und damit eine Meditations-App bauen würde.
Es passt nicht alles zusammen in diesem Film, das ist nicht der große Wurf, auf den man gehofft hatte, aber ihn durchweht ein guter Geist: menschenfreundliches Kino. Nach den bombastischen, lauten und brutalen Bibel-Adaptionen von Martin Scorsese, Mel Gibson, Darren Aronofsky und Ridley Scott tut es gut, dass ein Sandalenfilm mal auf leisen Sohlen daherkommt. 40 Tage in der Wüste, USA 2015 – Regie: Rodrigo García, mit Ewan McGregor, 99 Min.