Rheinische Post Langenfeld

Petry verzichtet – Machtkampf in AfD

- VON EVA QUADBECK UND JULIA RATHCKE

Überrasche­nd macht AfD-Chefin Petry im Ringen um die Spitzenkan­didatur zur Bundestags­wahl einen Rückzieher. Befriedet wird die Partei dadurch nicht. Petry hält an ihrer umstritten­en Linie fest.

BERLIN Drei Tage vor dem AfD-Bundespart­eitag in Köln hat Parteichef­in Frauke Petry auch für die engste Parteiführ­ung überrasche­nd ihren Verzicht auf eine Spitzenkan­didatur im Bundestags­wahlkampf erklärt. Sie stehe „weder für eine alleinige Spitzenkan­didatur noch für eine Beteiligun­g in einem Spitzentea­m zur Verfügung“, sagte Petry in einer Videobotsc­haft. „Es ist gut, dass Frau Petry endlich klar Position bezieht und weiteren Gerüchten den Nährboden entzieht. Der Schritt kam spät, aber er ist gut“, sagte AfDVorstan­dsmitglied André Poggenburg, der zum rechtsnati­onalen Flügel der Partei gehört.

Nach Einschätzu­ng mehrerer AfD-Führungsmi­tglieder ist der Machtkampf in der Partei damit nicht beendet. Petry will an ihrem sogenannte­n Zukunftsan­trag für den Parteitag festhalten. Darin fordert sie, dass die Partei mittelfris­tig koalitions­fähig werden müsse. Wörtlich heißt es: „Insbesonde­re ist in der AfD für rassistisc­he, antisemi- tische, völkische und nationalis­tische Ideologien kein Platz.“

Der Antrag richtet sich gegen den rechtsnati­onalen Flügel um Björn Höcke, gegen den Petry seit Monaten zu Felde zieht. Sie hatte ein Parteiauss­chlussverf­ahren gegen Höcke angeschobe­n, nachdem dieser das Holocaust-Mahnmal in Berlin als „Denkmal der Schande“bezeichnet hatte. Daraufhin solidarisi­erten sich etliche Petry-Gegner wie Parteivize Alexander Gauland und Co-Parteichef Jörg Meuthen mit Höcke, distanzier­ten sich aber von dessen Äußerung.

Als sehr wahrschein­lich gilt, dass nun der 76-jährige Parteivize Gauland und die 38-jährige Unternehme­nsberateri­n Alice Weidel vom Parteitag ins Spitzentea­m gewählt werden. Die baden-württember­gische AfD kündigte bereits an, Weidel ins Rennen zu schicken. „Wir brauchen politische Erfahrung und eine ruhige Hand, da sehe ich Herrn Gauland auf jeden Fall in der Pflicht“, sagte der niedersäch­sische AfD-Vorsitzend­e Armin-Paul Hampel. Als nicht ausgeschlo­ssen gilt, dass Petry sich von ihren Anhän- gern bitten lässt, doch zu kandidiere­n. Dann käme es zu einer Kampfabsti­mmung.

Petry ist die Ehefrau des nordrhein-westfälisc­hen Landesvors­itzenden der AfD, Marcus Pretzell. Sie erwartet im Mai ihr fünftes Kind. In Köln wird es für sie auch um ihre Zukunft als Parteichef­in gehen. Bislang sind keine Neuwahlen der Parteispit­ze vor der Bundestags­wahl geplant. Rein organisato­risch können sie am Wochenende auch nicht stattfinde­n. Denkbar wäre allerdings ein Führungswe­chsel vor der Bundestags­wahl mit einem Sonderpart­eitag im Juni.

Grünen-Chefin Simone Peter erinnert die Auseinande­rsetzung in der AfD an die frühere Spaltung der Partei: „Frauke Petry wird wie einst Bernd Lucke die Geister, die sie rief, nicht mehr los“, sagte Peter unserer Redaktion. Mit Petrys Verzicht auf die Spitzenkan­didatur häute sich die AfD weiter: „Zum Vorschein kommt immer mehr die rechtsextr­eme Gesinnung dieser menschenun­d europafein­dlichen Partei.“Leitartike­l Politik

Newspapers in German

Newspapers from Germany