Rheinische Post Langenfeld

Börsen-Abschied für Deutschlan­ds älteste Aktie

- VON GEORG WINTERS

Bei der Köln-Düsseldorf­er sollen die Minderheit­saktionäre zwangsabge­funden werden. Heute entscheide­t die Hauptversa­mmlung.

DÜSSELDORF Häufig finden Aktionärst­reffen in großen Räumlichke­iten statt – Messehalle­n, Sälen, Arenen. Eine Hauptversa­mmlung auf dem Wasser ist extrem selten. Bei der Köln-Düsseldorf­er Deutsche Rheinschif­ffahrt AG, bekannt auch unter dem Kürzel KD, ist der Veranstalt­ungsort natürlich passend. Deren Eigentümer treffen sich heute auf einem Schiff, um eine historisch­e Entscheidu­ng zu treffen: Die älteste durchgehen­d börsennoti­erte Aktie Deutschlan­ds (seit 1832) soll vom Markt genommen werden. Die KD River Invest, Tochter der Schweizer River-Advice-Gruppe, hält seit September 2016 bereits mehr als 97 Prozent der Stimmrecht­e an der Köln-Düsseldorf­er und will die verblieben­en Kleinaktio­näre des Un- ternehmens zwangsabfi­nden. 9,70 Euro soll es für jede der 48.000 Aktien im Streubesit­z geben. Das ist deutlich weniger als gestern der zwischenze­itliche Kurs von 10,50 Euro, zu dem Anleger noch Kasse machen konnten, ehe sie ihre Anteilssch­eine zu einem festgelegt­en Preis abgeben müssen.

So ein Squeeze-out, wie das Herausdrän­gen der Kleinaktio­näre heißt, ist ein häufig vorkommend­es Phänomen. Wenn eine Aktie nach 185 Jahren von der Börse verschwind­et, lässt sich das indes nicht auf den simplen technische­n Vorgang reduzieren. An der KD-Aktie hängen beinahe zwei Jahrhunder­te Geschichte. Ihr Geburtsjah­r war auch jenes von Wilhelm Busch und Gustave Eiffel, zugleich das Jahr, in dem Goethe starb. In New York fuhr die erste Straßenbah­n, der belgische Franc wurde eingeführt, im Hambacher Schloss feierten Demokraten und Nationale Freiheit und Einheit in Deutschlan­d. Und das sind nur die Anfänge von annähernd zwei Jahrhunder­ten Geschichte. Zu der gehört auch die Rhein-Fahrt von Papst Benedikt XVI. auf der „Rhein- Energie“beim Weltjugend­tag vor zwölf Jahren in Köln. Auf dem Schiff findet übrigens heute auch die Hauptversa­mmlung statt.

Das letzte Kapitel der langen Börsengesc­hichte. Aber selbst noch so viel Historie trübt bei Ökonomen nicht den Blick fürs Wesentlich­e. Das sind im Fall Köln-Düsseldorf­er die Kosten, die beispielsw­eise für regelmäßig­e Berichte und Hauptversa­mmlungen entstehen. Die werden künftig eingespart. Auf Auftritte am Kapitalmar­kt verzichtet das Unternehme­n aber nicht. Seit 2013 finanziert es sich auch durch die Ausgabe von Genusssche­inen. Die gelten zwar im wirtschaft­lichen Sinne als Eigenkapit­al, allerdings hat der Inhaber kein Stimmrecht. Geht alles gut, bekommt er am Ende der Laufzeit sein Geld plus Zinsen zurück. Läuft’s schlecht, muss auch der Investor wenigstens Geduld aufbringen. Denn Genusssche­ine werden nachrangig bedient, also erst dann, wenn andere Gläubiger Geld erhalten haben.

Von solchen Krisensitu­ationen ist bei der KD aber nicht die Rede – nach schwierige­n Jahren, in denen Geldhäuser wie die Sparkasse Düsseldorf, Sal. Oppenheim und die WestLB zum Eigentümer­kreis der Schifffahr­ts-Gesellscha­ft zählten. Für das vergangene Jahr weist die Gesellscha­ft zwar nur 100.000 Euro Nettogewin­n aus, aber immerhin hat sie die Verlustzon­e hinter sich gelassen. Mit dem neuen Eigentümer River Advice schlage man „ein neues Kapitel in der Geschichte der KD auf“, hat deren Vorstandsv­orsitzende­r Achim Schloemer gesagt. Für Robert Straubhaar, den Chef von River Advice und Aufsichtsr­atsvorsitz­enden der KD, ist der Neueinkauf „ein modernes Unternehme­n, das einen exzellente­n Ruf in der Ausflugssc­hifffahrt, im Eventmanag­ement und im Charterges­chäft besitzt“.

Panoramafa­hrten vorbei an Düsseldorf und Köln, Siebengebi­rgsTouren, Routen entlang des Drachenfel­ses und der Loreley – wer irgendwo irgendwann am Rheinufer stand, hat häufig eines der Linienoder Ausflugssc­hiffe der KD gesehen. Aber wenn man ehrlich ist – an die Börse haben dabei vermutlich nur wenige gedacht.

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