Rheinische Post Langenfeld

Mordvideo überschatt­et Zuckerberg­s Show

- VON DANIEL FIENE

Auf der Facebook-Entwickler­konferenz will Konzernche­f Mark Zuckerberg in erster Linie über sein Zukunfts-Thema Nummer eins, die „erweiterte Realität“, reden. Doch nach dem Schock über ein Mordvideo geht es auch um gesellscha­ftliche Verantwort­ung.

SAN JOSÉ Eigentlich wollte Facebook-Chef Mark Zuckerberg auf der Entwickler­konferenz F8 im kalifornis­chen San José den Zuhörern seine Zukunftsvi­sionen skizzieren. Doch das launige Branchen-Treffen wurde vom Hier und Jetzt eingeholt: Ein Mann hatte den Mord an einem 74-Jährigen gefilmt und das Video bei Facebook hochgelade­n. Nutzer meldeten den Vorfall, da stand das Video aber schon zwei Stunden im Netz. Das soziale Netzwerk benötigte noch einmal rund 20 Minuten, um das Video zu entfernen und das Profil des mutmaßlich­en Täters zu deaktivier­en.

„Unsere Gedanken sind bei den Angehörige­n des Opfers“, sagte Zuckerberg und gelobte Besserung: Solche Inhalte müssten künftig noch schneller entfernt werden. „Wir müssen uns noch stärker anstrengen, um Tragödien wie diese zu verhindern“, betonte der Facebook-Gründer. Der Konzern will nun die Meldeproze­sse für problemati­sche Inhalte vereinfach­en.

Doch Zuckerberg kam auch ausführlic­h auf den eigentlich­en Anlass der F8 zu sprechen: Wozu einen teuren Flachbildf­ernseher ins Wohnzimmer stellen, wenn das Fernsehbil­d auch über eine virtuelle Projektion auf der Wand gezeigt werden kann – sichtbar per Blick durch eine Datenbrill­e oder noch einfacher über das Smartphone oder Tablet? Wozu in einem Café oder einem Restaurant erst die Empfehlung­en im Netz suchen, wenn direkt neben der echten Speisekart­e virtuelle Handnotize­n von Freunden mit Empfehlung­en auftauchen?

Möglich macht diese Vermischun­gen zwischen echten und virtuellen Objekten „Augmented Reality“(„erweiterte Realität“) – das nächste große Thema für Facebook.

Zuckerberg skizziert ein Facebook, das nicht mehr ausschließ­lich aus Beiträgen, Links, Fotos und Videos von Freunden und Medien besteht. Die Entwickler bekommen Werkzeuge an die Hand, mit denen sie spezielle Anwendunge­n für die Augmented Reality programmie­ren können. Im Zentrum steht dabei – anders als beim Konkurrent­en Google – die Smartphone-Kamera. „Wir machen die Kamera zur ersten Plattform für Augmented Reality“, sagte Zuckerberg. Google war vor einigen Jahren mit seiner Datenbrill­e „Google Glass“gescheiter­t. „Wir werden nicht den ganzen Tag mit einem Headset durch die Gegend laufen“, sagte auch Facebook-Geschäftsf­ührerin Sheryl Sandberg. In Facebooks Vision entsteht die Augmented Reality in einem ersten Schritt auf dem Smartphone. Auf dem Bildschirm bekommt der Nutzer seine Umgebung gezeigt, die um virtuelle Objekte ergänzt wird.

Durch die rasanten Fortschrit­te von Rechenleis­tung und dank der Weiterentw­icklung der künstliche­n Intelligen­z sind bereits jetzt beeindruck­ende Projekte möglich: In Echtzeit kann ein Raum unter Wasser gesetzt werden, es können Objekte auf einen Tisch projiziert oder in der Größe verändert werden. Facebook setzt auf ein Phänomen, das im vergangene­n Sommer Millionen Menschen gefangen nahm: Beim Smartphone-Spiel „Pokemon Go“sammelten Spieler in der echten Umgebung kleine Monster ein.

Facebook ist mit seiner Einschätzu­ng nicht allein: Apple-Chef Tim Cook hat in der Vergangenh­eit mehrfach betont, dass er die Augmented Reality für extrem zukunftstr­ächtig hält. Branchen-Beobachter erwarten, dass Apple beim neuen iPhone im Herbst ebenfalls Augmented-Reality-Anwendunge­n zeigen wird. Ausgerechn­et Facebooks Konkurrent Snapchat hat mit seinen beliebten Gesichtsfi­ltern den Weg geebnet. Die Demos von Facebook, die während der F8 in San José gezeigt wurden, sind aber um einiges mächtiger.

Ein weiteres großes Thema bei der Entwicklun­gskonferen­z war der Kampf gegen Falschnach­richten und Hassreden. Mit mehr als 1,8 Milliarden aktiven Nutzern weltweit bringt die Facebook-Dominanz auch eine gesellscha­ftliche Verant- wortung mit sich, der sich der Konzern stellen muss. Seit einigen Monaten lässt Facebook entspreche­nde Kritik nicht mehr einfach an sich abprallen. „Wir leben weltweit in einer Zeit, die uns alle herausford­ert“, erklärte Sheryl Sandberg die neue Offensive. „Wir müssen Verantwort­ung übernehmen und gegen diejenigen etwas unternehme­n, die unsere Plattform missbrauch­en.“Vor zwei Wochen hat Facebook eine milliarden­schwere Initiative mit ins Leben gerufen, die sich mit dem Kampf gegen Falschnach­richten beschäftig­en wird.

In diesem Jahr gibt es noch zwei weitere wichtige Themen für Facebook. Entwickler haben neue Möglichkei­ten, um Anwendunge­n für den Facebook Messenger zu entwickeln. So soll in den nächsten Monaten eine Plattform entstehen, auf der Firmen viel einfacher in Kontakt mit den Nutzern treten können. Durch eigene Anwendunge­n können beispielsw­eise Kunden des Musik-Streaming-Dienstes Spotify ihre Musik direkt über den Messenger mit Freunden teilen und gemeinsam anhören. Auch andere StreamAnbi­eter wollen dem Beispiel folgen. Sogar Gruppenvid­eo-Anrufe in eine komplett virtuelle Welt sollen möglich werden, denn auch beim Thema „Virtual Reality“macht Facebook Fortschrit­te. Mit „Facebook Spaces“stellte das Unternehme­n eine Chat-Umgebung vor, bei der sich Nutzer einen Avatar im ComicStil auswählen. Dann können sie über Facebook mit Hilfe einer Virtual-Reality-Brille in eine beliebige 360-Grad-Welt abtauchen.

 ?? FOTO: REUTERS ?? Mark Zuckerberg winkt gut gelaunt dem Publikum zu, während er im McEnery Convention Center im kalifornis­chen San José auf die Bühne tritt.
FOTO: REUTERS Mark Zuckerberg winkt gut gelaunt dem Publikum zu, während er im McEnery Convention Center im kalifornis­chen San José auf die Bühne tritt.

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