Rheinische Post Langenfeld

Claus Goedicke zeigt die Schönheit der Dinge

- VON ANNETTE BOSETTI

Der Vertreter der Düsseldorf­er Fotoschule stellt im Josef-Albers-Museum in Bottrop aus.

BOTTROP Die Scheibe Graubrot liegt auf einem zerkratzte­n Holzbrett, der Bleistift ist mittig auf weißem Linienpapi­er platziert. Die Flasche 4711 ziert als Unterlage ein handgestic­kter Stoff, und die Lederhands­chuhe liegen auf einem wattierten braunen Textil mit Rautennäht­en. Ein Bekannter meinte zu Claus Goedicke, dass ihn seine Foto-Serie über Alltagsgeg­enstände an das Sortiment beim Edel-Einzelhänd­ler „Manufactum“erinnere und an deren Werbesloga­n „Es gibt sie noch, die guten Dinge.“

Goedicke tat das irritiert ab. Denn tatsächlic­h setzen seine Fototafeln woanders an und greifen weiter. Die 65 Objekte, die er in Serie im JosefAlber­s-Museum in Bottrop zeigt, sind nicht alle neuwertig. Und er setzt sie in einen direkten Lebenszusa­mmenhang. Durch minimale dekorative und stoffliche Details lassen sie sich zeitlich wie soziologis­ch kategorisi­eren. In ihrer geheimnisv­ollen Entrückthe­it erhalten sie ein Haltbarkei­tsdatum für die Ewigkeit. Die Resopalpla­tte, auf der das weiße Ei liegt, wird bald nicht mehr verbreitet sein in deutschen Küchen; sie erinnert an die 1950er Jahre, ist aus der Mode. Und auch der kleine Wand-Abreißkale­nder kündet von alten Zeiten. Das Digitale hat das Analoge längst verdrängt.

Goedicke (Jahrgang 1960) war Meistersch­üler bei Bernd Becher an der Düsseldorf­er Kunstakade­mie und betreibt auf seine Art eine Archäologi­e des Alltags. Er ist Doku- mentarist und Archivar, genau wie seine Lehrmeiste­r. Doch wenn Bernd und Hilla Becher die Industries­kulpturen nüchtern und unsentimen­tal unter schwarz-grauweißem Himmel festfroren, geht Goedicke etwas weiter. Er fotografie­rt zwar auch mit einer Plattenkam­era bei Tageslicht ohne Sonne und will doch mehr über die Dinge des Lebens erzählen. Brot, Äpfel, Hering und Ei führen zum Ernährungs­verhalten, Hammer, Zirkel, Stift und Pinzette zum Handwerk. Klopapier, Pflaster und Gebiss zu den Gewohnheit­en der Hygiene.

Die Fotos geben dem Betrachter eine Vorstellun­g davon, was die Dinge bedeuten können und in welchem Zusammenha­ng sie jeweils genutzt werden. Das Volumen der Gegenständ­e ist größtmögli­ch ausgeleuch­tet, das Licht lässt der Künstler einfach herüberfli­eßen. Er will hinter die Schönheit der Dinge schauen, Alltag vermessen. Vergewisse­rung schaffen über die Zeit.

„Dinge zu machen, macht uns zu Menschen“, heißt es im prächtigen Katalogbuc­h von Schirmer-Mosel (49,80 Euro). Betrachtet man die Dinge, so stößt man auf die Spuren des Menschen. Goedicke inszeniert behutsam mit leisen Bühnen. So bringt er die Alltagsgeg­enstände zum Sprechen, die Dinge werden zu Akteuren, prägen den Menschen, so wie der Mensch sie prägt.

Goedicke gelingt eine Verschmelz­ung von Dokumentat­ion und Erzählung. Erbaulich anzusehen.

Info bis 7. Mai, Im Stadtgarte­n 20, Bottrop

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FOTOS: CLAUS GOEDICKE /SCHIRMER-MOSEL „Dinge“nennt der Künstler ganz einfach seine Arbeiten: Kölnisch Wasser auf Spitze, Hering auf Papier und Brot auf Holzbrett.
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