„Dat Fimmännchen“es fott
Ab sofort will Jürgen Hilger-Höltgen keine Typen mehr darstellen, sondern als er selbst auf der Bühne stehen.
Er wird auf der Bühne nie ein Gladiator des Karnevals sein, eher der Schalk mit witzigen und intelligenten Randbemerkungen. Aber von seiner Kunstfigur „dat Fimmännchen“unterscheidet sich Jürgen Hilger-Höltgen jetzt gewaltig, das sieht man gleich. Der blau karierte Anzug hat was von Kö zur Kaffeezeit, erst recht in der Kombination mit roten Schuhen, roter Krawatte und rotem Einstecktuch. Dann noch die rote Brille – damit schafft er es vielleicht noch mal in ein Stück des Kommödchens über Düsseldorf-Klischees. Hut ab also, auch weil die Mütze des Fimmännchens ebenso reif für die Altkleidersammlung ist wie die Weste dieses Lausbuben aus den zwanziger Jahren.
„Ich habe mein Leben lang Typen dargestellt“, sagt Jürgen HilgerHöltgen, der im richtigen Leben stellvertretender Direktor der Wil- helm-Ferdinand-Schüßler-Tagesschule ist. „Aber ich habe darauf keine Lust mehr.“Letzter Anstoß für das Abstreifen des alten Kostüms war der Umstand, dass er auf den Karnevalsbühnen nur noch als Jürgen Hilger-Höltgen angekündigt wurde – der „als dat Fimmännchen“auftritt. „Da habe ich mich gefragt: Wenn ich ohnehin als der eigentliche Gast genannt werde, was soll dann noch die Kunstfigur?“
Als dem 58-Jährigen in den Sinn kam, dass Bernd Stelter auch längst nicht mehr als Werbefachmann beklatscht wird und Guido Cantz nicht als „Mann für alle Fälle“, war für ihn klar: „Ich werde jetzt meine Eigenmarke.“Das ist auch deswegen gut, weil die meisten gar nicht wissen, was ein Fimmännchen eigentlich ist. Dahinter verbirgt sich in der rheinischen Mundart die Ohrfeige oder Watsche.
Die teilt Hilger-Höltgen weiter aus, und zwar, wie ein großes Publi- kum dieses Jahr bei der ARD-Fernsehsitzung am Karnevalssamstag erfahren durfte, auf so inhaltlich bissige wie vom Tonfall her liebevolle Weise. Trump und Erdogan wurden als Despoten vorgeführt, lokal Cannabis-Konsum und Tour de France durchs Säurebad gezogen. Aber so, wie die jecke Type einen historischen Edelrost hat, unterbrach Hilger-Höltgen nun den Vortrag öfter durch Lieder, um frischen Wind in den Saal zu lassen. „Dazu hatte mir im Vorfeld Stefan Kleinehr geraten.“Diesem sei als Sitzungspräsidenten aufgefallen, dass die Menschen nach einigen Reimen abglitten in Unterhaltungen, aber wieder aufmerkten, wenn die Musik losging. „Bau doch mehr Lieder ein“, war deswegen der lebenspraktische Rat des CC-Vizepräsidenten.
Hilger-Höltgen setzte das um und greift seit einiger Zeit öfter zur kleinen Gitarre, um sich die Konzentration seines Publikums zurückzuho- len. Das hat der Büttenredner auch früher bereits gemacht, die Evolution seiner Texte ist über vier Jahrzehnte gekennzeichnet durch die Aufnahme unterschiedlicher Reimformen bis hin zu Sprechgesang und hartem Rap. Der schnellere Wechsel zwischen Text und Musik kommt auch deswegen so gut an, weil er so gut zum geänderten Wahrnehmungsverhalten passt, das durchs TV-Zappen oder das Scrollen und Anklicken bei Facebook gekennzeichnet ist.
Der Pädagoge weiß, wovon er spricht, schließlich hat an seiner Schule jede Schülerin und jeder Schüler ein iPad. Und er denkt an seine Anfangszeit als Karnevalist. Seine Eltern waren Düsseldorfer und dem Karneval verbunden, und nur weil Mannesmann der Familie eine Wohnung in der nördlichen Nachbarschaft zur Verfügung stellte, wurde er Zufalls-Ratinger. Seinen ersten Vortrag vor Publikum hielt er 1971 als 13-Jähriger auf Vermittlung seiner Oma im Altenklub von St. Maria Rosenkranz in Wersten. Da hatte er auch Häppchen zusammengetragen. „Ich hatte mit dem Tonband aus karnevalistischen Radiosendungen alles zusammengeschnitten, worüber die Leute besonders lachten“, erinnert er sich. Das lernte er auswendig. Fehlte nur das geistige Band. Das knüpft er inzwischen perfekt und macht’s weiter, nun eben als Jürgen HülgerHöltgen. Ab jetzt, da Ostern vorbei ist, sammelt er erste Ideen für Hoppeditz und andere Reden.