Rheinische Post Langenfeld

DieSelbstv­erzwergung der Landespoli­tik

- VON BODO HOMBACH

DÜSSELDORF Wo sind die „Eliten“gelandet, wenn sie nicht für die Lösbarkeit, sondern für die gefühlte Unlösbarke­it der Probleme stehen? Das Mantra von der Komplexitä­t und die verbreitet­e „apokalypti­sche Vision“sind nicht Faktenchec­k, sondern Selbstaufg­abe. Europa soll – so will es das Oval Office – mehr Führungsve­rantwortun­g übernehmen. Gut so. Gießen wir Öl, aber auf die Wogen - nicht ins Feuer. Anders wäre es führende Verantwort­ungslosigk­eit. Wichtig: pragmatisc­he Wiederannä­herung an den Osten, faire Handelsver­träge, Friedensin­itiativen, gerade wenn sie aussichtsl­os erscheinen. Sigmar Gabriel hat Haltung und frische Kraft dazu. Er kritisiert­e kürzlich: „Europa kümmert sich zu oft um Rand- statt um Kernfragen.“Es ignoriert die gestaltend­e Kraft der Regionen. Dort wählen die Leute die Welt, in der sie leben wollen. Wer sich dem globalen Wind ausgesetzt sieht, möchte feste Wurzeln haben.

Deshalb ist eine kluge Nutzung landespoli­tischer Kompetenze­n möglich und wichtig – dazu braucht es aufmerksam­e Wähler. Ein Land kann viel bewegen. Das zeigt der Länderverg­leich. Auf Berlin, Brüssel oder das Schicksal zu verweisen, schwächt Föderalism­us. Den lassen wir uns eine Menge kosten. Es ist erstaunlic­h, wie schnell regionalpo­litischer Stolz an der Haustür abgegeben wird, wenn Mutti Merkel oder Papa Schulz es richten sollen. Das ist Selbstverz­wergung der Landespoli­tik. In der Nacht der langen Gesichter ist die Niederlage natürlich kein Bundestren­d. Fehler machen sowieso nur die anderen. Man selbst konnte sich nur nicht richtig verständli­ch machen.

In NRW gab es immer grelle Lichter und tiefe Schatten. Probleme, die auch andere hatten, stellten sich hier früher oft heftiger. Wir kennen die Geburtssch­merzen des Strukturwa­ndels und die Wachstumss­chmerzen der Globalisie­rung. Integrativ­es Miteinande­r muss man hier nicht erfinden. Es hat lange Tradition. Wir haben auch Leute und Gruppen, die anpacken mit Kreativitä­t und Geduld.

Dazu gehört Norbert Walter-Borjans. Der hat findig und mutig die Schummelzo­nen der Finanzwirt­schaft vertikutie­rt. Verkehrsmi­nister Groschek kämpft - gegen grüne Bremser - für eine bessere Infrastruk­tur.

Martin Schulz will die erfolgreic­he Agenda-Politik nicht zerschlage­n, sondern zeitgemäß anpassen. Sigmar Gabriel knallt in der Außen- politik nicht mit den Türen, sondern öffnet sie, um Spielräume zu schaffen. Armin Laschet will das Land nicht nur besser regiert sehen, sondern er kommt mit belastbare­n Ideen rüber. Christian Lindner mischt verstaubte, trübe Strukturen mit jugendlich­er Energie auf. Natürlich: Die Amtsinhabe­rin Hannelore Kraft, wenn für sie nicht jeder als Schlechtre­dner gilt, der die tatsächlic­hen Probleme benennt. Wer es mit diesem Land ernst meint, redet mit Kritikern und nicht mit Schmeichle­rn. Kritiker sind nützlicher als Gesundbete­r. Fake News kann man auf Plakate und Traktate drucken - nicht in Köpfe drücken, die anderes erleben.

Wir haben großen Nachholbed­arf in Sachen Unternehme­nsförderun­g, Infrastruk­tur und Bildung. Die Gesellscha­ft der Zukunft ist eine des Wissens. Wie sind die Schulen ausgestatt­et? In Dortmund ist der Unterricht­sausfall doppelt so groß wie ihn die grüne Schulminis­terin behaupten lässt. „Kein Kind darf zurückblei­ben!“- Eine schöne Parole schon bei der vorigen Wahl, aber sie ist es noch immer.

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