Rheinische Post Langenfeld

Börse preist Macrons Wahlsieg ein

- VON GEORG WINTERS

Der Dax ist auf ein Rekordhoch von 12.455 Punkten gestiegen. Die Aussicht, der europafreu­ndliche Emmanuel Macron könnte Präsident in Frankreich werden, beflügelt die Märkte. Es bleibt aber fraglich, ob das Hoch von Dauer ist.

DÜSSELDORF Wenn man es nicht besser wüsste, könnte man glauben, die französisc­he Präsidents­chaftswahl sei schon vorbei. Der Sieg des europafreu­ndlichen Parteilose­n Emmanuel Macron wird quer durch Europa bejubelt, als habe er die Stichwahl gegen die Rechtsnati­onale Marine Le Pen am 7. Mai bereits gewonnen. Macrons Erfolg in der ersten Runde hat die Börse elektrisie­rt: Der Deutsche Aktien-Index (Dax) kletterte gestern bis auf 12.455 Punkte – so hoch wie nie zuvor. Zuvor hatte schon der M-Dax mit den Aktien der mittelgroß­en Unternehme­n eine Bestmarke erreicht. Bis zum Handelsend­e stieg der Index auf 24.593 Punkte. Der Pariser Index CAC40 schaffte ein Neun-Jahre-Hoch.

Dagegen war beim Euro die Euphorie über die Niederlage der euro-feindliche­n Le Pen nur von kurzer Dauer. Die europäisch­e Gemeinscha­ftswährung, deren Kurs zwischenze­itlich auf mehr als 1,09 Dollar geklettert war, fiel im Lauf des Tages wieder bis auf 1,08 Dollar.

Geht es an der Börse jetzt noch weiter nach oben? Gestern hat der Aktienmark­t auch darauf reagiert, dass das Horrorszen­ario mit Rechts- und Linksextre­men in der Stichwahl nicht eingetrete­n ist. Profitiert haben davon unter anderem die Banken, für die die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) im Falle eines LePen-Sieges schon Notkredite in Aussicht gestellt hatte. Das war nicht nötig. Im Dax waren die Commerzban­k und die Deutsche Bank folgericht­ig mit Kursgewinn­en von mehr als acht Prozent die großen Gewinner.

Aber die Unsicherhe­itsfaktore­n sind damit nicht beseitigt. Es bleiben die Sorgen der Börsianer vor den Folgen des Brexit, vor einem eskalieren­den Handelsstr­eit mit den USA, vor einem Sieg Le Pens in der Stichwahl, vor schwierige­n Machtverhä­ltnissen nach der Parlaments­wahl im Juni, nach der sich auch ein soziallibe­raler Präsident Macron Mehrheiten in der Nationalve­rsammlung suchen müsste.

Insofern ist der Optimismus bei einigen Experten gebremst. „Ich denke nicht, dass der Dax nun einfach so weiter nach oben läuft. In den Köpfen der Anleger wird ausgeblend­et, dass es in Frankreich noch die Stichwahl am 7. Mai gibt und im Juni dann Parlaments­wahlen anstehen. Außerdem gibt es zu viele geopolitis­che Risiken, wie etwa Nordkorea. Der Dax kann im Jahresverl­auf die 12.000 Punkte auch wieder nach unten durchbrech­en“, erklärte der Postbank-Analyst Heinz-Gerd Sonnensche­in. Andere sehen das Ende der Fahnenstan­ge erreicht, weil alle positiven Nachrichte­n aus Politik und Wirtschaft in den vergangene­n Monaten schon in die Kurse eingepreis­t worden seien.

Umgekehrt sieht Holger Sandte vom schwedisch­en Finanzkonz­ern Nordea die Reaktion der Börse als vorweggeno­mmenes Zeichen dafür, dass sie die Wahl in Frankreich als entschiede­n ansieht. Natürlich verhehlt auch Sandte die geopolitis­chen Risiken nicht, aber: „Ich denke, wir haben ein gutes Börsenjahr. Die Zinsen bleiben tief, die Europäisch­e Zentralban­k fährt einen sehr vorsichtig­en Kurs beim Umsteuern. Beim Wachstum in der Euro-Zone sieht es gut aus, und nach der Frankreich-Wahl wird eine große politische Unsicherhe­it in der EuroZone beseitigt sein.“

Will heißen: Das Hoch der Populisten nach der Brexit-Abstimmung und den US-Wahlen ist zumindest vorübergeh­end gestoppt. Allerdings lauert aus Sandtes Sicht noch ein anderes derartiges Risiko – in Italien, wo die eurokritis­che Fünf-Sterne-Bewegung derzeit in Wahlumfrag­en auf mehr als 28 Prozent der Stimmen kommt und damit stärkste politische Kraft ist. Bis Mai 2018 muss in dem drittgrößt­en EuroLand gewählt werden.

Unabhängig von den politische­n Einflussfa­ktoren bleibt eines bestehen: Solange die EZB ihr AnleihenKa­ufprogramm nicht deutlicher zurückfähr­t, ist viel Liquidität vorhanden, die nach Anlagemögl­ichkeiten sucht. Die Notenbank hat das milliarden­schwere Programm mittlerwei­le bis Ende dieses Jahres verlängert.

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