Rheinische Post Langenfeld

NRW-Industrie zeigt Zukunft in Hannover

- VON FLORIAN RINKE

Siemens zeigt der Kanzlerin, was 3D-Druck kann. Die Essener GFOS führt eine Software vor, die die Joghurt-Herstellun­g überwacht. Im Mittelpunk­t der Hannover Messe steht erneut die Industrie 4.0.

HANNOVER Joe Kaeser hat ein ganz besonderes Geschenk für die Kanzlerin: Ein kleines Ebenbild von Angela Merkel aus dem 3D-Drucker. Bei den Maßen habe man mit Näherungsw­erten gearbeitet, ergänzt der Chef von Deutschlan­ds größtem Industriek­onzern Siemens hastig. Merkel lacht.

Die Hannover-Messe ist voll von solchen Spielereie­n, doch vieles von dem, was vorgeführt wird, findet sich früher oder später in den Fabriken wieder. Denn die Hannover Messe ist die größte Leistungss­chau der Industrie weltweit. Das merkt man schnell, wenn man durch die Hallen schlendert: USA, Russland, China, Indien oder das diesjährig­e Partnerlan­d Polen – kaum eine große Nation ist hier nicht vertreten. Und fast überall geht es um das glei- che Thema: Digitalisi­erung. Durch die Digitalisi­erung der Industrie werden sich neue Geschäftsm­odelle ergeben, Produktion­sabläufe ändern und ganze Branchen verändern. Jederzeit kann irgendwo auf der Welt ein junges Start-up an einer Idee arbeiten, durch die das Geschäft eines Traditions­unternehme­ns überflüssi­g wird.

Doch wenn man Unternehme­n fragt, welche Auswirkung­en die Digitalisi­erung auf ihr Geschäft hat, fallen die Antworten sehr unterschie­dlich aus. „Wir können jetzt bei Facebook Anzeigen schalten, die genau unserer Zielgruppe angezeigt werden“, sagt der Mitarbeite­r eines Unternehme­ns aus dem Münsterlan­d. Die Frage, ob es sonst noch Folgen gibt, quittiert er mit einem verständni­slosen Blick. Vielleicht weiß er einfach nicht, welche Projekte in seiner Firma laufen. Man kann es nur hoffen. Denn gewaltige Umwälzunge­n erwarten die Industrie, wie in Hannover auf jedem Quadratmet­er spürbar ist.

Beim US-Unternehme­n Rockwell Automation, das seinen Deutschlan­d-Sitz in Düsseldorf hat, zeigen sie in Halle 7, wie man Fabrikanla­gen per Datenbrill­e und Smartphone steuern kann. An anderen Ständen wird man von Robotern mit menschlich­em Antlitz begrüßt, während andernorts gewaltige Industrier­oboter wie Kraken ihre Arme in den Himmel recken.

Für Firmen wie GFOS brechen daher goldene Zeiten an. Das Unternehme­n aus Essen stellt seit 1988 Software für die Industrie her, mit der sich Maschinen genau überwa- chen lassen. Zu den Kunden zählt etwa der Bielefelde­r Lebensmitt­elRiese Dr. Oetker. „Kein Joghurt wird dort ohne unser System hergestell­t“, sagt Miriam Czepluch-Staats von GFOS. Die Technik sei natürlich schon früher eingebaut worden, doch durch das Thema Industrie 4.0 bekomme das Ganze für Anbieter wie sie noch einmal „eine ganz neue Dimension“. Industrie 4.0, damit ist die intelligen­te Fabrik gemeint – eine Zukunftsvi­sion, die gar nicht mehr so weit entfernt ist.

Die Digitalisi­erung verändert nicht nur die Fertigung, sondern auch Geschäftsm­odelle. In Halle 16 steht Armin Papenmeier an einem kleinen Stand, an dem in einer Vitrine ein paar Leiterplat­ten ausgestell­t sind und an einem Gerüst ein paar Lampen leuchten. Neben den Spezialleu­chten und der Elektronik stellt Papenmeier ein Gerät her, das Blinden die Schrift vom Computerbi­ldschirm in Braille-Schrift zum Fühlen übersetzt. 1975 wurde das Gerät auf den Markt gebracht und seitdem immer weiterentw­ickelt.

Doch inzwischen kann man sich viele Texte automatisc­h vorlesen lassen und Geräte per Sprache bedienen. Bedeutet das also bald das Aus von Papenmeier­s Geschäftsm­odell? Der Geschäftsf­ührer zuckt mit den Schultern: Natürlich mache Spracheing­abe schon heute einen Teil der eigenen Geräte überflüssi­g. „Wenn etwas ersetzt wird, folgt aber auch immer etwas nach“, sagt er: „Das bedeutet für uns: Vielleicht wird weniger Hardware gebraucht, aber dafür mehr Software. Wir müssen einfach innovativ bleiben.“

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FOTO: AFP Angela Merkel und Forschungs­ministerin Johanna Wanka haben Spaß mit einer Kanzlerin aus dem 3D-Drucker von Siemens.

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