Wenn die Kühe endlich Ausgang haben
Ende April ist es so weit: Dann ist für die Milchkühe auf Gut Ellscheid der Winter vorbei – sie dürfen auf die Weide.
HAAN Auch Kühe haben Sehnsucht. Das große Tor des Stalls auf Gut Ellscheid ist geöffnet. Einzig ein Gatter hindert das Milchvieh noch daran, ins Freie zu traben. Dicht an dicht drängen sich die Tiere und lugen neugierig ins Grüne. Dann aber öffnet Gerhard Rosendahl das Gatter – und schon kommt Bewegung in die Herde: Gemächlich traben die Milchkühe zur Weide.
Anders als auf manch anderen Höfen dürfen die Kühe von Gerhard Rosendahl von Ende April bis Mitte Oktober auf der Weide grasen. Zehn Hektar stehen dafür zur Verfügung. So mancher Landwirt verzichtet auf die Weidehaltung, weil sie die Milchmenge sinken lässt – die Fütterung kann auf der Weide nicht mehr so konstant wie im Stall erfolgen, und die Tiere bewegen sich mehr. Doch Rosendahl ist von den Vorteilen der Weidehaltung überzeugt: „Für uns gehören die Kühe einfach nach draußen. Sie sind dann gesünder, haben saubere, trockene Klauen“, hat der Haaner Landwirt beobachtet. Und die Kühe haben sichtlich ihren Spaß: „Wenn die Sonne scheint, dann ist es schön zu sehen, wie sie sich darin räkeln.“
Der Beginn der Weidehaltung wird dabei von rein pragmatischen Gründen bestimmt: Erst einmal müssen die Wintervorräte aufgefressen sein. „Denn wenn die Tiere auf der Weide sind, dann schmeckt ihnen die Grassilage nicht mehr“, erklärt Rosendahl. Teuer eingekauftes Futter im Wert von mehreren tausend Euro müsste dann auf den Kompost.
Sind die Kühe erst einmal draußen, pflegen sie ihren eigenen Tagesablauf. Im Mai gehen sie abends noch in den Stall. Doch wenn es wärmer wird, bleiben sie Tag und Nacht draußen. „Nur bei Regen und extremer Hitze kommen sie dann noch rein“, erzählt der Haaner Landwirt – und natürlich zum Melken, das zwei mal täglich erfolgt.
Wie es ihm gelingt, die Tiere wieder in den Stall zu bewegen? „Einmal laut rufen reicht“, erzählt Ro- sendahl. „Denn im Stall gibt es leckeres Fressen“– Kraftfutter, das die Rinder gerne mögen. 50 Milchkühe hält Gerhard Rosendahl. Ihre Milch liefert er an „Landliebe“. Der Produzent von Milchprodukten hat seine Bauern zu Weidegängen verpflichtet. Nicht ohne Grund: Die wenigen Kühe, die auf der Weide grasen, sollen Untersuchungen zufolge höherwertige Milch geben. Weidemilch enthält Studien zufolge einen höheren Anteil an ungesättigten Fettsäu- ren, was nicht nur gesund ist, sondern auch die Streichfähigkeit von Butter begünstigt. Allerdings warnt die Umweltorganisation Greenpeace: „Immer mehr Molkereien werben mit dem Begriff Weidemilch für ihre Produkte. Der Begriff ist aber gesetzlich nicht geschützt.“Das heißt, rein theoretisch darf diesen Begriff jeder Landwirt verwenden – auch derjenige, der sein Vieh nicht Jahr für Jahr auf die Wiesen treibt.
Bei Gerhard Rosendahl ist dies hingegen schon seit langer Zeit gern gepflegter Brauch. Und beim ersten Weidegang des Jahres, „dann sind alle da, und dann machen wir auch Fotos“, erzählt Marlene Rosendahl. „Es ist toll, zu sehen, wenn sie sich dann freuen“, sagt sie. Und auch für die Haaner ist es ein schönes Bild, wenn die Schwarzbunten wieder auf der Weide stehen. Denn spätestens dann ist klar: Der Sommer ist nicht mehr weit.