Rheinische Post Langenfeld

Wenn die Kühe endlich Ausgang haben

- VON ALEXANDRA RÜTTGEN

Ende April ist es so weit: Dann ist für die Milchkühe auf Gut Ellscheid der Winter vorbei – sie dürfen auf die Weide.

HAAN Auch Kühe haben Sehnsucht. Das große Tor des Stalls auf Gut Ellscheid ist geöffnet. Einzig ein Gatter hindert das Milchvieh noch daran, ins Freie zu traben. Dicht an dicht drängen sich die Tiere und lugen neugierig ins Grüne. Dann aber öffnet Gerhard Rosendahl das Gatter – und schon kommt Bewegung in die Herde: Gemächlich traben die Milchkühe zur Weide.

Anders als auf manch anderen Höfen dürfen die Kühe von Gerhard Rosendahl von Ende April bis Mitte Oktober auf der Weide grasen. Zehn Hektar stehen dafür zur Verfügung. So mancher Landwirt verzichtet auf die Weidehaltu­ng, weil sie die Milchmenge sinken lässt – die Fütterung kann auf der Weide nicht mehr so konstant wie im Stall erfolgen, und die Tiere bewegen sich mehr. Doch Rosendahl ist von den Vorteilen der Weidehaltu­ng überzeugt: „Für uns gehören die Kühe einfach nach draußen. Sie sind dann gesünder, haben saubere, trockene Klauen“, hat der Haaner Landwirt beobachtet. Und die Kühe haben sichtlich ihren Spaß: „Wenn die Sonne scheint, dann ist es schön zu sehen, wie sie sich darin räkeln.“

Der Beginn der Weidehaltu­ng wird dabei von rein pragmatisc­hen Gründen bestimmt: Erst einmal müssen die Wintervorr­äte aufgefress­en sein. „Denn wenn die Tiere auf der Weide sind, dann schmeckt ihnen die Grassilage nicht mehr“, erklärt Rosendahl. Teuer eingekauft­es Futter im Wert von mehreren tausend Euro müsste dann auf den Kompost.

Sind die Kühe erst einmal draußen, pflegen sie ihren eigenen Tagesablau­f. Im Mai gehen sie abends noch in den Stall. Doch wenn es wärmer wird, bleiben sie Tag und Nacht draußen. „Nur bei Regen und extremer Hitze kommen sie dann noch rein“, erzählt der Haaner Landwirt – und natürlich zum Melken, das zwei mal täglich erfolgt.

Wie es ihm gelingt, die Tiere wieder in den Stall zu bewegen? „Einmal laut rufen reicht“, erzählt Ro- sendahl. „Denn im Stall gibt es leckeres Fressen“– Kraftfutte­r, das die Rinder gerne mögen. 50 Milchkühe hält Gerhard Rosendahl. Ihre Milch liefert er an „Landliebe“. Der Produzent von Milchprodu­kten hat seine Bauern zu Weidegänge­n verpflicht­et. Nicht ohne Grund: Die wenigen Kühe, die auf der Weide grasen, sollen Untersuchu­ngen zufolge höherwerti­ge Milch geben. Weidemilch enthält Studien zufolge einen höheren Anteil an ungesättig­ten Fettsäu- ren, was nicht nur gesund ist, sondern auch die Streichfäh­igkeit von Butter begünstigt. Allerdings warnt die Umweltorga­nisation Greenpeace: „Immer mehr Molkereien werben mit dem Begriff Weidemilch für ihre Produkte. Der Begriff ist aber gesetzlich nicht geschützt.“Das heißt, rein theoretisc­h darf diesen Begriff jeder Landwirt verwenden – auch derjenige, der sein Vieh nicht Jahr für Jahr auf die Wiesen treibt.

Bei Gerhard Rosendahl ist dies hingegen schon seit langer Zeit gern gepflegter Brauch. Und beim ersten Weidegang des Jahres, „dann sind alle da, und dann machen wir auch Fotos“, erzählt Marlene Rosendahl. „Es ist toll, zu sehen, wenn sie sich dann freuen“, sagt sie. Und auch für die Haaner ist es ein schönes Bild, wenn die Schwarzbun­ten wieder auf der Weide stehen. Denn spätestens dann ist klar: Der Sommer ist nicht mehr weit.

 ?? RP-FOTO: RALPH MATZERATH ?? Marlene Rosendahl (3.v.l.) zeigt Besuchern auf ihrem Hof den Weidegang. Die Kühe kennen schon den Weg.
RP-FOTO: RALPH MATZERATH Marlene Rosendahl (3.v.l.) zeigt Besuchern auf ihrem Hof den Weidegang. Die Kühe kennen schon den Weg.

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