Wahnsinn: Handballer haben ihr Finale
Die um den Klassenerhalt in der 3. Liga kämpfende SG Langenfeld schien in Gummersbach nach einem miserablen bereits geschlagen zu sein, gewann aber noch mit 23:21. Mann des Abends war überragende Torhüter Tobias Geske.
LANGENFELD Diese Geschichten kann keiner erfinden, diese Geschichten passieren einfach. Und die Saison in der 3. Liga West ist für die Handballer der SG Langenfeld (SGL) auf der Zielgeraden doch noch zu einem fast wahnwitzigen Krimi geworden. Punkt eins: Der Aufsteiger gewann nach einem hohen Rückstand aus der ersten Halbzeit mit 23:21 (8:11) beim VfL Gummersbach II. Punkt zwei: Die gefährdete Konkurrenz spielte Langenfeld in die Karten und verlor – die Ahlener SG gegen die HSG Lemgo II (33:36), der TuS Volmetal beim TSV GWD Minden II (27:34). Die SGL hat damit am kommenden Samstag (19 Uhr, Halle Konrad-AdenauerGymnasium) gegen Minden II tatsächlich ein echtes Finale. Gewinnt Langenfeld, könnte selbst der direkte Klassenerhalt herausspringen.
Der überragende Keeper hatte mit Tobias Geske vielen tollen Paraden eine Hauptrolle im Drama. Vorne wirkte das Team schließlich besonders in der ersten Hälfte wie von allen guten Geistern verlassen. Die Zahl der Patzer sprengte nahezu jeden Rahmen und selbst allerbeste Szenen blieben ungenutzt. Gleichzeitig passten fehlende Leidenschaft und fehlende Emotionen auf der Bank eher zu einem belanglosen Testspiel in der Vorbereitung. Die SGL war beim katastrophalen Start die noch schlechtere Mannschaft, sodass es bald richtig finster aussah – 2:5 (12.), 4:7 (19.), 5:9 (23.), 6:11 (26.). Das Beste für die Gäste: Tim Menzlaff (28.) und André Eich (30.) verkürzten bis zur Pause auf 8:11.
Sechseinhalb Minuten später war das Niveau nicht viel besser, aber Langenfeld zurück im Geschäft. Eich (34.), Menzlaff (35.) und Max Adams (37.) sorgten für die erste Führung der SGL, die beim 12:13 (39.) zum letzten Mal ins Hintertreffen geriet – und kurz darauf wieder für Spannung sorgte. Beim Stande von 14:13 (41.) handelte sich Gummersbach kurz hintereinander zwei Zeitstrafen ein (jeweils 42.). Logisch: Die SGL machte aus der doppelten Überzahl fast traditionell gar nichts.
Natürlich werden sie jetzt wieder sagen, dass nicht alle so sind. Das stimmt ja auch. Aber es waren so erschreckend viele, die rund ums Spiel der Fußball-Oberliga zwischen den Sportfreunden Baumberg (SFB) und dem KFC Uerdingen jede Form von menschlichem Respekt vermissen ließen. Deshalb waren die erhöhten Sicherheits-Aufwendungen angebracht, obwohl sie die Baumberger wohl relativ viel Geld kosten werden. „Wir hatten 500 zahlende Zuschauer“, berichtet der SFB-Vorsitzende Jürgen Schick. So kurz nach dem Abpfiff konnte er noch nicht genau sagen, ob damit angesichts der Mehrkosten von 5000 bis 6000 Euro ein Minus in der Kasse entsteht.
Das unerträgliche Verbale im für die Gäste-Fans abgetrennten Bereich begann nach der Baumberger Als beide Teams wieder in gewohnter Stärke auf dem Feld standen, hieß es 14:14 (45.).
Erst jetzt begann die Partie zu kippen – und erneut stand Geske im Mittelpunkt. Auch dank zweier weiterer Klasse-Aktionen des Keepers blieb es beim 17:15, das Andreas Nelte erzielt hatte (48.). Es folgten drei weitere wilde Minuten, die der Schlussmann selbst beendete. Geske reagierte nach einem Fehlwurf des VfL schnell und traf aus dem eigenen Torraum heraus zum 18:15 (51.) in den verwaisten Kasten der Hausherren (erneut in Unterzahl). Langenfeld war nicht mehr aufzuhalten, weil der in der Schlussphase starke Kapitän Matthias Herff (drei Tore) und der längst deutlich ver- Führung in der vierten Minute, als sich der sprachliche Müll über das Unparteiischen-Gespann um Schiedsrichter Jonathan Becker aus Viersen ergoss. „Scheiß-Linienrichter“oder „Wichser“gehörten zu den harmloseren Beschimpfungen. Beifall bei den Umstehenden fand auch die Aufforderung: „Steck dir die Fahne in den Arsch, du fette Sau.“
Einen weiteren Gipfel des Unerträglichen erlaubte sich nach der Pause ein gar nicht so kleiner Chor aus Uerdinger Anhängern, für die Baumbergs Keeper Daniel Schwabke ein Opfer permanenter Beleidigung war. In einer Endlos-Schleife bekam der 27 Jahre alte Schlussmann, der 2015/2016 noch zum Uerdinger Kader gehört hatte, das Folgende zu hören: „Schwabke ist ein Hurensohn.“Dass der Torhüter zumindest nach außen hin die Ruhe behielt, gehört in diesem Zusammengang zu den besonders bemerkenswerten Punkten. Die gewollte Provokation stieß damit ins Leere.
„Natürlich habe ich das gehört“, bestätigte Schwabke nach dem Abpfiff, „das war ja auch kaum zu überhören.“Obwohl es in ihm rumort haben dürfte, wollte er die Angelegenheit nicht weiter kommentieren: „Dazu sage ich lieber nichts.“Am Ende blieb festzuhalten, dass es auf der Bezirks-Sportanlage an der Grazer Straße keine auffällige körperliche Gewalt gab. Weder der private Sicherheitsdienst drinnen noch die Monheimer Polizei unter der Verantwortung von Michael Pütz draußen mussten nennenswert eingreifen. Auch Worte können aber böse verletzen. Und es waren so erschreckend viele beteiligt.
Michael Deutzmann besserte Tim Menzlaff plötzlich in fast jeder Szene eine richtige Antwort fanden. Mit dem MenzlaffTreffer zum 23:18 (58.) stand der Erfolg der SGL fest. Dass Gummersbach anschließend ein bisschen Ergebnis-Kosmetik betreiben durfte, ging im beginnenden Jubel unter. Geskes abschließenden Kommentar konnten auf jeden Fall alle Langenfelder unterschreiben: „Geil. Wir haben unser Endspiel.“
Trainer Werkmeister schien etwas später selbst nicht glauben zu können, was sich in den 60 Minuten zuvor abgespielt hatte. „Die Deckung war super, der Angriff grottenschlecht. Letzte Woche haben wir gut gespielt und verloren. Heute haben wir einen Dreck gespielt – und gewonnen. Das sind jetzt coole Voraussetzungen für unser letztes Saisonspiel.“Torhüter Geske, der nach dieser Saison zum Oberligisten HG Remscheid wechselnde Mann des Abends, bemühte sich zunächst, seine eigene Rolle für den Sieg herunterzuspielen: „Obwohl ich am Anfang nicht so viel gehalten habe, hatte ich nicht das Gefühl, dass ich schlecht drauf bin. Aber ich habe ja gesagt, dass ich bis zur letzten Sekunde alles gebe.“Solche Geschichten kann keiner erfinden. Die passieren einfach.
SG Langenfeld: Joest, Geske (1) – Thöne (1), Heider (1), Wolter (1), Adams (1), Klimke, Herff (3/1), Eich (7/4), Boelken, Menzlaff (6), Hambrock (1), Nelte (1), Ißling.
Wenn auch verbaler Müll unerträglich ist