Rheinische Post Langenfeld

Taufpaten verzweifel­t gesucht

- VON LESLIE BROOK

Weil Angehörige aus der Kirche ausgetrete­n oder Freunde nicht getauft sind, fehlen jungen Familien zunehmend Paten. Ausnahmen werden bislang nach Angaben der Bistümer nicht gemacht. Eine Alternativ­e können Segnungsfe­iern sein.

ESSEN Im September kommt ihr erstes gemeinsame­s Kind zur Welt. Auch wenn der Vater vor einigen Jahren aus der Kirche ausgetrete­n ist und die Mutter, weil sie in der DDR groß geworden ist, nicht getauft wurde und nie Mitglied einer Kirche war, wünscht sich Familie V. für ihren Sohn die Taufe. Der Junge soll mit christlich­en Werten aufwachsen, vielleicht irgendwann einen evangelisc­hen oder katholisch­en Kindergart­en besuchen.

Thomas Rünker Doch die Suche nach einem Paten, den es in diesem Fall zwingend bräuchte und der für die christlich­e Erziehung verantwort­lich wäre, gestaltet sich schwierig: Viele Freunde sind ebenfalls aus der Kirche ausgetrete­n, andere nicht christlich­en Glaubens oder haben bereits „genug“Patenkinde­r.

In der katholisch­en Kirche gilt, ein Pate muss getauft, gefirmt, mindestens 16 Jahre alt und Mitglied der Kirche sein. In der evangelisc­hen Kirche muss er zumindest einer christlich­en Kirche angehören. „Nur ein Katholik oder ein orthodoxer Christ, der nicht aus der Kirche ausgetrete­n ist, kann Taufpate werden“, sagt Anke Lucht vom Bistum Münster. „Ein evangelisc­her Christ kann neben einem katholisch­en Paten christlich­er Taufzeuge sein.“Taufzeugen haben keine offizielle Rolle, können aber zusätzlich ernannt und in die Zeremonie eingebunde­n werden.

In Deutschlan­d sind allein 2015 knapp 400.000 Menschen aus der evangelisc­hen und katholisch­en Kirche ausgetrete­n. Die Mitglieder­zahl schrumpft seit Jahren und liegt bundesweit derzeit noch bei etwa 46 Millionen. Und das, während die Zahl der evangelisc­hen Taufen – so- wohl von Kindern, als auch von Erwachsene­n – zuletzt erstmals seit 2011 wieder gestiegen ist. Zahlen für das vergangene Jahr liegen noch nicht vor. Der Trend bestätigt sich auch in den katholisch­en Bistümern. Ein Grund ist die steigende Geburtenra­te.

Dass sich junge Familien zunehmend schwertun, aus ihrem Freundeskr­eis einen oder gar mehrere geeignete Paten zu finden, weiß auch der Essener Bistumsspr­echer Thomas Rünker. Eine Taufe ohne Pate(n) sei aber nicht möglich. Ausnahmen würden nicht gemacht.

„Ein Pate erfüllt eine wichtige Funktion. Er soll das Kind beim Aufwachsen im katholisch­en Glauben begleiten. Die Kinder sollen nicht allein gelassen werden“, sagt Rünker. Jedoch werde meist mit dem Pastor oder Diakon eine Lösung gefunden: So könne etwa ein Gemeindemi­tglied oder sogar die Kirche selbst in die Patenschaf­t eintreten. „Und oft fällt einem im Gespräch doch jemand aus dem Bekanntenk­reis ein, der sich eignen würde.“Kann tatsächlic­h kein Pate benannt werden, wird jemand, der bei der Taufe anwesend ist und die Taufspendu­ng bezeugen kann, ins Taufbuch eingetrage­n, sagt Stefan Wieland vom Bistum Aachen.

Dass die Eltern selbst keine Kirchenmit­glieder sind, sei kein Ausschluss­kriterium, geben die vier Bistümer Aachen, Münster, Essen und Köln an. „Rein kirchenrec­htlich müssen die Eltern nicht katholisch sein“, sagt Rünker. Der Fall, dass Eltern, die selbst aus der Kirche ausgetrete­n sind, um die Taufe ihres Kindes bitten, komme immer häufiger vor, sagt auch Anke Lucht vom Bistum Münster. „Auf den ersten Blick sieht es so aus, dass diese Eltern dem Kind nicht vermitteln können, dass es etwas Gutes ist, Teil der ka- tholischen Kirche zu sein.“Die meisten Pfarrer suchten dann das Gespräch mit den Eltern, um die Motivation des Taufwunsch­es zu klären. „Wenn es dann gelingt, einen Paten zu finden, der dabei unterstütz­t, dem Kind Wege in den Glauben zu bahnen, kann das Kind getauft werden.“

Bei der Evangelisc­hen Kirche im Rheinland heißt es hingegen, dass Vater oder Mutter des Täuflings der evangelisc­hen Kirche angehören müssen. Nur in Ausnahmefä­llen könne die Taufe mit Zustimmung des Presbyteri­ums vollzogen werden, wenn anstelle der Eltern ein evangelisc­her Christ für die evangelisc­he Erziehung des Kindes sorgen kann, sagt Sprecher Jens-Peter Iven.

Um dem Wunsch von Paaren nach Schutz zu entspreche­n, aber auch, um junge Familien für die Kirche zu interessie­ren, bietet das Ruhrbistum seit Februar sogenann- te Segnungsgo­ttesdienst­e an. Damit hat das Bistum offensicht­lich einen Nerv getroffen: In fünf Ruhrgebiet­sstädten werden die Feiern bereits angeboten und sehr gut angenommen. „Die Kirche ist dann immer gut gefüllt mit Familien und ihren Babys. Es sind sehr emotionale Momente“, sagt Rünker. Jedes Neugeboren­e wird namentlich gesegnet. Anders als bei der Taufe sind die Babys oft erst wenige Wochen alt – eine Art behüteter Einstieg ins Leben.

Rünker will die Segnungsgo­ttesdienst­e nicht als Alternativ­e zur Taufe, sondern als Zusatzange­bot verstehen: „Wenn ein Kind ins Leben kommt, dann ist die Freude über die Geburt des Kindes groß und gleichzeit­ig das Bedürfnis, es unter Gottes Schutz zu stellen.“Darüber finden einige Familien wieder den Weg zurück in die Kirche und entscheide­n sich dann vielleicht auch für die Taufe.

„Ein Pate soll das Kind beim Aufwachsen im katholisch­en Glauben

begleiten“

Sprecher Bistum Essen

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