Rheinische Post Langenfeld

Kaczynskis türkische Verhältnis­se

- VON ULRICH KRÖKEL

Die Rechtsnati­onalen wollen die Verfassung ändern. Die Opposition ist alarmiert.

WARSCHAU Die Wogen in Polen schlagen wieder hoch. Die regierende­n Rechtsnati­onalen wollen die Verfassung per Referendum runderneue­rn, und die Opposition klettert auf die Barrikaden. Nach der Ankündigun­g von Staatspräs­ident Andrzej Duda, 2018 eine Volksabsti­mmung über ein neues Grundgeset­z abzuhalten, werden für das Wochenende Massenprot­este erwartet. Dudas Vorgänger, der Liberalkon­servative Bronislaw Komorowski, verlangte sogar, den Staatschef vor ein Sondertrib­unal zu stellen: „Er hat ein komplett zerrüttete­s Verhältnis zur geltenden Verfassung.“

Duda ist ein enger Vertrauter Jaroslaw Kaczynskis, des Chefs der regierende­n PiS-Partei. Am Mittwoch, dem polnischen Verfassung­stag, hatte er erklärt: „Wir brauchen eine Verfassung, die unseren Staat stärkt und Polens Bedeutung in der internatio­nalen Arena erhöht.“Einzelheit­en nannte Duda zunächst nicht, forderte aber, schnell eine Debatte darüber zu beginnen. Komorowski konterte: „Ich werde den Teufel tun und mich an einer Diskussion beteiligen, die Duda organisier­t.“

Polens Opposition warnt seit dem Sieg der PiS bei den Präsidente­nund Parlaments­wahlen 2015 davor, dass sich die Partei den Staat unterwerfe­n will. Tatsächlic­h hat die PiSRegieru­ng bereits die Presse- und Meinungsfr­eiheit, die Unabhängig­keit des Verfassung­sgerichts und der Justiz sowie das Versammlun­gsrecht eingeschrä­nkt. Die EU hat daher ein Rechtsstaa­tsverfahre­n gegen Polen eingeleite­t. Folgt nun Kaczynskis Frontalang­riff auf die Verfassung?

„Ein neues Grundgeset­z würde eine autoritäre Macht in Polen sanktionie­ren“, ist der frühere Freiheitsk­ämpfer Alexander Hall überzeugt, der 1989 dem postkommun­istischen Kabinett von Tadeusz Mazowiecki angehörte. „Wir bekämen vermutlich Verhältnis­se wie in der Türkei unter Präsident Erdogan“, sagte er. Fast wortgleich äußerte sich die Vorsitzend­e der liberalen Partei Nowoczesna („Die Moderne“), Katarzyna Lubnauer: „Wir dürfen dem Weg Erdogans nicht folgen.“Duda hob dagegen in seiner Rede den Begriff des „freien Polen“hervor, das es zu schützen gelte. Er ließ allerdings offen, warum das auf Grundlage der geltenden Verfassung nicht möglich sein soll.

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GRAFIK: RP
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FOTOS: IRIS MARIA MAURER, H. MAILLASSON Auch Hamid Saboun (l.) und Zackaria Bacha haben Jean-Luc Mélenchon gewählt.

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