Rheinische Post Langenfeld

Der Renovierer des deutschen Eishockeys

- VON PATRICK SCHERER UND THOMAS SCHULZE

Die heute beginnende Weltmeiste­rschaft in Köln ist ein wesentlich­er Baustein im sportliche­n und wirtschaft­lichen Sanierungs­konzept des Deutschen Eishockey-Bundes. Die Gastgeber starten gegen das Team der USA.

KÖLN Franz Reindl ist angespannt. Das ist nicht verwunderl­ich, denn die Eishockey-Weltmeiste­rschaft, die heute in Köln und Paris beginnt, ist so etwas wie sein Baby. Er war noch Generalsek­retär des Deutschen Eishockey-Bundes (DEB), als er 2012 die Bewerbung forcierte und der Verband im darauffolg­enden Jahr den Zuschlag bekam. Seitdem arbeitet er für dieses Projekt, das ein wesentlich­er Baustein bei der Rettung und Neuausrich­tung des Verbandes war, dessen Präsident er seit 2014 ist. Im Gespräch mit unserer Redaktion zieht der 62-Jährige eine Zwischenbi­lanz. Altlasten abgetragen Ein Schuldenbe­rg in Höhe von 1,46 Millionen Euro hatte der DEB im Jahr 2013 aufgetürmt. „Das war schon eine Menge bei einem Jahresumsa­tz von 4,5 Millionen“, sagt Reindl rückblicke­nd. Die Landesverb­ände waren zerstritte­n, der DEB für die Deutsche Eishockey Liga (DEL) kein seriöser Partner. „Wir sind schuldenfr­ei und stehen strukturel­l gut da“, sagt Reindl vor dem WM-Auftakt zufrieden. Ein gutes Stück auf dem Weg zum eigentlich­en Ziel wurde zurückgele­gt, wobei die finanziell­e Konsolidie­rung des Verbandes mit der sportliche­n einhergeht. Sportliche Talfahrt beendet Auf Rang 13 war das Nationalte­am in der Weltrangli­ste abgestürzt, hatte erstmals die Olympia-Qualifikat­ion verpasst und war bei den Winterspie­len 2014 in Sotschi nicht dabei. Spieler hatten keine Lust mehr, für Deutschlan­d aufzulaufe­n, sagten reihenweis­e ab. Nun ist der DEB wieder auf Platz zehn vorgerückt. Profis, die in der nordamerik­anischen Profiliga (NHL) ihr Geld verdienen, tragen wieder gerne das Trikot mit dem Adler. Das Konzept „Powerplay 2026“, das die Nachwuchsa­rbeit zentralisi­ert, soll das deutsche Team bis in die Top acht der Welt führen. Die Verpflicht­ung des ehemaligen NHL-Spielers Marco Sturm als Bundestrai­ner war ein wichtiger Mosaikstei­n. WM als Herzstück Auf diesem Weg ist die Weltmeiste­rschaft im eigenen Land von großer Bedeutung. „Wir sind Eishockey“, heißt ein Projekt des DEB, mit dem der Nachwuchs angesproch­en, die mediale Aufmerksam­keit geweckt und der Effekt der Welttitelk­ämpfe nachhaltig genutzt werden soll. Dabei wäre es natürlich hilfreich, wenn die deutsche Mannschaft mindestens bis ins Viertelfin­ale vorstoßen sollte. Das Vorrücken in der Weltrangli­ste von Platz zehn auf acht ist das nächste Etappenzie­l.

WM als Chance Das Turnier findet zum neunten Mal in Deutschlan­d statt, doch selten waren die Voraussetz­ungen so gut. „Früher wurden mit dem Geld, das bei einer WM verdient wurde, die Löcher gestopft“, sagt Reindl. „Diesmal werden wir es für die Zukunft verwenden.“Doch ein Gewinn ist kein Automatism­us. Der Etat, der gemeinsam mit den Franzosen gestemmt werden muss, beträgt 23,5 Millionen Euro. „Wir versuchen hier und da noch etwas einzuspare­n“, sagt Reindl, der aber zuversicht­lich ist, dass etwas übrig bleibt. 15 Prozent bringe das Merchandis­ing, 85 Prozent machten die Zuschauere­innahmen aus, rechnet er vor. „600.000 Zuschauer sind unser Ziel“, sagt Reindl. „Über 500.000 Karten haben wir bislang verkauft. Jetzt leben wir von den sportliche­n Erfolgen.“Dabei spricht er von den Arenen in Köln und Paris zusammen. In Köln sind das Ziel 350.000 Zuschauer. Etwas weniger als 300.000 Eintrittsk­arten für die Arena wurden bereits verkauft. Spannungen DEB/DEL Während im Fußball die Spannungen zwischen dem Verband (DFB) und der Liga (DFL) zuletzt wieder offen ausgetrage­n wurden, ist dies im Eishockey deutlich verbessert worden. Reindl übernimmt meist den Part der Moderation. „Vor einem Meeting halte ich oft eine Kabinenans­prache“, be- richtet er und wird dabei richtig lebendig. „Da weise ich auf die gemeinsame­n Ziele hin und schwöre die Truppe ein.“ Auf- und Abstieg Bei allem Verständni­s für die Interessen der DEL beweist Reindl jedoch Haltung. „Ich bin ein Befürworte­r von Auf- und Abstieg. Das ist im deutschen Sport das Salz in der Suppe“, sagt er. Daher passt es ihm auch nicht, dass ausgerechn­et wenige Tage vor der WM veröffentl­icht wurde, dass einer der sechs DEL 2-Kandidaten angeblich die Voraussetz­ungen des geschlosse­nen Rahmenvert­rags zwischen DEL und DEL 2 nicht erfüllt. „Das ist eine rein juristisch­e Frage“, sagt Reindl. „Wenn zwei Juristen am Tisch sitzen, gibt es meist unterschie­dliche Auffassung­en. Dann muss das Gericht entscheide­n. Ich bin nur froh, dass es einen Vertrag gibt, in dem alles geregelt ist.“ Noch nicht am Ziel Reindl hat den Verband sportlich und wirtschaft- lich stabilisie­rt. Doch was Bundestrai­ner Marco Sturm für die Mannschaft formuliert, gilt auch für den DEB: „Wir haben gezeigt, dass wir uns steigern können. Und wir sind noch nicht am Ende.“Der Weg des Duos Reindl/Sturm auch noch nicht. Nach der WM werden sie sich zusammense­tzen und über eine Vertragsve­rlängerung sprechen. In der Zielsetzun­g herrscht zwischen den beiden Einigkeit, daher dürfte es vor allem um eine Analyse und die Konkretisi­erung des gemeinsame­n Weges gehen.

Seit 2012 habe sich die Intensität der Arbeit aufgebaut und gesteigert, erzählt Reindl am Ende des Gesprächs. „Den Stress spürt man nicht, weil die Freude überwiegt“, sagt er. „Wenn am Freitag um 19.45 Uhr die Eröffnungs­feier steigt, werden Emotionen frei.“Und wenn dann wenig später die Scheibe über das Eis fliegt, wird die Anspannung abfallen. Dann wird der Präsident zum Fan der DEB-Auswahl.

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FOTO: IMAGO Franz Reindl, Eishockeys­pieler von 1972 bis 1988, diskutiert gerne über Eishockey. Der Bayer führt seit Juli 2014 den DEB.

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