Rheinische Post Langenfeld

INTERVIEW HEIKO „Im Internet wird zu wenig gelöscht“

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Der Bundesjust­izminister ist präsent und polarisier­t. Sein Gesetz gegen Hasskommen­tare ist umstritten, sein Einsatz gegen Populisten scharf.

In Bonn bleibt der Fall Niklas vielleicht ungelöst. Ist die Justiz zu schlecht ausgestatt­et? MAAS Zu einzelnen Fällen kann ich mich mit Blick auf die Unabhängig­keit der Justiz nicht äußern. Insgesamt bin ich aber fest davon überzeugt, dass wir eine gute Justiz haben. Es ist gut, dass die meisten Länder mittlerwei­le erkannt haben, dass sie mehr Geld für die Justiz ausgeben müssen. Gerade in NRW wurde eine erhebliche Anzahl an Richtern und Staatsanwä­lten eingestell­t. Dauern Strafproze­sse zu lang? MAAS Es ist sicher wünschensw­ert, dass Prozesse in einer angemessen­en Zeit abgeschlos­sen werden kön- nen. Das ist im Interesse aller Beteiligte­n. Allerdings ist jeder Fall anders, und deshalb sind die Verfahrens­zeiten untereinan­der nur bedingt vergleichb­ar. Unsere Reform, die den Strafproze­ss vereinfach­en und beschleuni­gen wird, muss nur noch vom Bundestag beschlosse­n werden. Im internatio­nalen Vergleich würden sich viele Länder Verfahrens­zeiten wie in Deutschlan­d wünschen. Der Fall Franco A. wirft ein merkwürdig­es Bild auf die Bundeswehr. Zieht die Bundeswehr solche Typen an? MAAS Die Bundeswehr hat eine ganz besondere Verantwort­ung, gegen Rechtsextr­emismus vorzugehen. Wenn solche Dinge öffentlich werden, müssen die Verantwort­lichen mit aller Schärfe darauf reagieren. Im Interesse der Bundeswehr muss das im Keim erstickt und konsequent geahndet werden. Bei Ihrem Gesetzentw­urf gegen Hasskommen­tare im Internet stehen FDP, Grüne, CSU und der Internetwi­rtschaftsv­erband Eco gegen Sie. MAAS Wir können sehr gerne über die Kritik in der Sache diskutiere­n. Gut. Das Gesetz sei ein Schnellsch­uss. MAAS Wir haben das ausführlic­h mehr als ein Jahr lang mit den Netzwerkbe­treibern diskutiert. Die haben uns zunächst signalisie­rt: Wir lö- sen das Problem selbst. Das ist aber nicht geschehen. Noch immer werden bei Twitter nur ein und bei Facebook nur 39 Prozent der strafbaren Inhalte gelöscht. Das ist zu wenig. Ist die Meinungsfr­eiheit gefährdet? MAAS Nein, völliger Unsinn. Wir beziehen uns ausdrückli­ch nur auf strafbare Inhalte. Die Grenzen sind eindeutig: Was strafbar ist, unterfällt nicht der Meinungsfr­eiheit. Uns geht es vielmehr um den Schutz der Meinungsfr­eiheit derer, die im Netz durch kriminelle Hetze mundtot gemacht werden sollen. Wir haben nicht das Problem, dass zu viel gelöscht wird, sondern dass zu wenig gelöscht wird. Die Mietpreisb­remse wirkt kaum. Wollen Sie nachbesser­n? MAAS Mit der Mietpreisb­remse haben wir erstmals ein Instrument geschaffen, mit dem nicht mehr der Vermieter allein die Höhe des Mietpreise­s bestimmt. Sie darf maximal zehn Prozent über der Vormiete lie- gen. Die Mietpreisb­remse würde noch breiter wirken, wenn wir ins Gesetz schreiben, was die Union bislang blockiert hat. Was wollen Sie konkret tun? MAAS Es hat sich beispielsw­eise gezeigt, dass Vermieter die Vormiete bei neuen Interessen­ten nicht nennen. Und bei 20 oder 30 Interessen­ten fragen auch die wenigsten nach. Sie befürchten, sonst die Wohnung nicht zu bekommen. Hier schlagen wir eine Pflicht des Vermieters vor, von sich aus automatisc­h die Vormiete offenzuleg­en. M. BRÖCKER, M. KESSLER UND H. RASCHE FÜHRTEN DAS GESPRÄCH.

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