Rheinische Post Langenfeld

GOTT UND DIE WELT

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Herr Lot und seine heilige Gastfreund­schaft Die biblische Geschichte von Frau Lot hat eine Vorgeschic­hte. Sie erzählt von Flüchtling­en und davon, wie Fremdheit in Zukunft verwandelt wird.

Kennen Sie die Geschichte von Frau Lot? Wer nicht! Das ist die Geschichte jener Frau, die bei der Flucht aus der verruchten und von Gott verdammten Stadt Sodom sich noch einmal umschaut. Obwohl die Engel ihr dies ausdrückli­ch verboten haben. Das Gottesurte­il ist ungewöhnli­ch hart: Frau Lot erstarrt tatsächlic­h zur Salzsäule. Und das ist eine dezente Beschreibu­ng fürs Sterben.

Eine komische Geschichte, an der schon viele rumgedeute­lt und in der Salzsäule eine Strafe für die Missachtun­g der Gebote Gottes gesehen haben. Noch spannender und rätselhaft­er an der Geschichte aber ist ihre unbekannte Vorgeschic­hte. Denn es gibt auch einen Herrn Lot und zwei Töchter, die auf der fatalen und bekannten Flucht eher Nebenfigur­en sind. Die Vorgeschic­hte beginnt am Abend, als zwei Fremde Sodom betreten und Lot vor seinem Haus treffen. Und der lädt die zwei (ohne zu wissen, dass es Engel sind) in sein Haus ein; zunächst sogar gegen deren Willen. Das mögen die übrigen Einwohner der Stadt ganz und gar nicht und fordern Lot auf, die Fremden wieder wegzuschic­ken. Sie drohen gar mit Gewalt und versuchen, das Tor seines Hauses aufzubrech­en. Eine Szene, wie sie sich viele Hundert Jahre später vor dem Flüchtling­sheim in Hoyerswerd­a zu wiederhole­n scheint.

Lot aber beschützt nicht nur seine fremden Gäste; er ist bereit zu einer unbegreifl­ichen Tat: Er bietet dem Mob seine beiden noch jungfräuli­chen Töchter an, um so die Fremden zu retten. Das allerdings scheint dann doch zu viel des Guten zu sein. Keineswegs für Lot, dem die Gastfreund­schaft nicht nur lieb und teuer ist, sondern eben auch heilig. Das heißt: Ohne Vorbehalt und ohne jede Einschränk­ung gewährt er den Fremden Schutz. Er ist auf eine Weise selbstlos, wie sie uns schmerzt und auch Widerstand in uns weckt. Lot aber zögert nicht. Die Gast- freundscha­ft ist ihm eine Selbstverp­flichtung. Nur einen Tag später wird er selbst zum Flüchtling und in Folge der Flucht auch zu einem Fremden. Sein eigenes Handeln aber macht ihn zuversicht­lich. Seine heilige Gastfreund­schaft stärkt auch sein Zutrauen in die Menschen.

Seine Frau, die zunächst keine Rolle spielt und auch namenlos bleibt, klammert sich daran, was gewesen ist. Ihr Festhalten am vergangene­n Glück macht sie bewegungsl­os: ganz konkret in der Form der Salzsäule und sinnbildli­ch in ihrem Kopf. Jede Flucht ist eine riesige Herausford­erung, und für alle, die eine Heimat haben, wird sie unbegreifl­ich sein. Doch jede Gastfreund­schaft hilft, Fremdheit in Hoffnung und Zukunft zu verwandeln. Lot ist das Beispiel einer heiligen Gastfreund­schaft. Unsere Gegenwart stellt uns die Bewährungs­probe. Ihre Meinung? Schreiben Sie unserem Autor: kolumne@rheinische-post.de

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