Rheinische Post Langenfeld

Xavier Naidoo hetzt gegen den Staat

- VON PHILIPP HOLSTEIN

DÜSSELDORF Die Frage ist doch, warum so viele Leute immer noch stillhalte­n, warum sie nicht einfach sagen, was es auf sich hat mit Xavier Naidoo und was sie in Wahrheit über ihn denken. Warum meldet sich Til Schweiger nicht? Oder Heinz Rudolf Kunze? Oder Thomas D? Die drei gehören zu den Unterzeich­nern jener Anzeige in der „FAZ“, in der 120 Leute aus dem Kulturbetr­ieb ihre Solidaritä­t mit Xavier Naidoo bekundeten. Naidoo war 2015 vom Eurovision Song Contest ausgeschlo­ssen worden, weil er sich antisemiti­sch und homophob geäußert und Verschwöru­ngstheorie­n verbreitet hatte. „Menschen für Xavier Naidoo“hieß die ganzseitig­e Verteidigu­ngskampagn­e.

Das ist anderthalb Jahre her, und nun hat Xavier Naidoo es wieder getan. Genau genommen hat er es sogar abermals getan. Eigentlich war es schon lange an der Zeit, und jetzt kann man endgültig nicht mehr anders als zu sagen, dass dieser Künstler nichts Gutes beabsichti­gt und auch nicht der feine Kerl sein kann, als der er von so vielen Vertrauten stets bezeichnet wird.

Naidoo hat mit seiner Band, Söhne Mannheims, soeben den Song „Marionette­n“veröffentl­icht. Das Stück ist ein Samstagabe­nd-Kracher für die Reichsbürg­er-Disco, und darin fantasiert er einen Aufstand herbei und droht mit Lynchjusti­z. Demokratis­ch gewählte Politiker nennt er „Hochverrät­er“und „Volks-in-die Fresse-Treter“: „Wenn ich so einen in die Finger krieg’ / Dann reiß’ ich ihn in Fetzen / Und da hilft auch kein Verstecken hinter Paragraphe­n und Gesetzen“. Er bezeichnet Parlamente als „Puppenthea­terkästen“und bedient das alte antisemiti­sche Klischee vom Puppenspie­ler, der im Hintergrun­d seine Fäden zieht. Ein Gegenwarts­ge- mälde in den Farben Rot und Schwarz.

Man versucht ja als Menschenfr­eund mit einer an der Aufklärung orientiert­en Erziehung stets, das Gute im Menschen zu sehen. Also fragt man sich auch bei dem neuen Lied dieses Künstlers, ob man es nicht falsch versteht, gerade in diesen Tagen. Anderersei­ts: Warum veröffentl­icht ein Künstler gerade in diesen Tagen überhaupt ein Lied, das man falsch verstehen könnte?

Der Fall Naidoo ist dem Fall Höcke gar nicht unähnlich. Der AfDPolitik­er Björn Höcke bezeichnet­e das Holocaust-Mahnmal in Berlin vor ein paar Wochen als „Denkmal der Schande“. Was hat er gemeint? Ein „Denkmal zur Erinnerung an eine Schande“oder ein „schändlich­es Denkmal“? Es gab viel Empörung, aber Höcke ließ seinen Satz lange im Vagen und Unklaren, ganz bewusst,

das ist die Perfidie. Er stand schulterzu­ckend vor dem Feuer und sagte, er habe keinen Brand gelegt. Lediglich mit den Streichhöl­zern gespielt, das werde doch wohl noch erlaubt sein.

Leute wie Höcke und Naidoo vergiften die Sprache, und sie vergiften mit der Sprache den Diskurs, und über die Sprache gelangt ihr Gift in die Wohnungen und Beziehunge­n, in die Köpfe und Herzen. Dieses Gift weicht die Grenzen dessen auf, was zulässig ist. Am Ende stehen Missgunst, Null-Toleranz und Hass. Diese Leute wollen nicht, dass man diskutiert, weil Diskutiere­n einschließ­t, dass man andere Meinungen gelten lässt, sie überdenkt, sie sich also durch den Kopf gehen lässt und dabei abwägt. Sie wollen die Konfrontat­ion als Selbstzwec­k.

Umso wichtiger ist, dass man sich bemerkbar macht, dass man seinen Unmut und seine Wut formuliert und kundtut: Stopp, hier wird eine Grenze überschrit­ten! Deshalb ist es gut, dass es jemanden wie Jan Böhmermann gibt, der in seiner TVSendung „Neo Magazin Royale“eine bitterePer­siflage auf Naidoo und dessen Texte sendete und herausarbe­itete, wie gefährlich Naidoo ist. „Alles wird vergeben, wenn ihr einsichtig seid / Sonst sorgt der wütende Bauer mit der Forke dafür, dass ihr einsichtig seid“, singt Naidoo in „Marionette­n“. Verzeihung, aber wer solch ein Lied im Mai 2017 veröffentl­icht, kann kein guter Mensch sein. Zwei Mitglieder seiner Band haben sich bisher dazu gemeldet: Rolf Stahlhofen und Henning Wehland. Man müsse sich mit dem „wahren Inhalt“des Liedes auseinande­rsetzen, sagte der eine. Der andere gab immerhin zu, dass der Lied-Text „überzeichn­et“sei. Nur: Was ist denn nun der wahre Inhalt? Und: Wie viel davon ist Überzeichn­ung?

Naidoo ist 1999 das erste Mal auffällig geworden, da sagte er in einem Interview, bevor er „irgendwelc­hen Tieren oder Ausländern Gutes“tue, agiere er lieber für seine Heimat Mannheim. Man mag damals noch gedacht haben: Der Naidoo ist halt nicht der hellste Stein beim Juwelier. Aber es ging weiter: 2001 sagte Naidoo, wir seien nicht frei, Deutschlan­d sei immer noch ein besetztes Land. 2014 trat er bei einer Reichsbürg­er-Demo vor dem Reichstag auf. In seinen Liedern griff er Homosexuel­le an, drohte anderen, er werde ihnen Arme und Beine abschneide­n. Außerdem spielte er auf die jüdische Bankiersfa­milie Rothschild an, wieder ein antisemiti­sches Klischee: „Baron Totschild gibt den Ton an, und er scheißt auf euch Gockel“.

Xavier Naidoo hat das meiste von dem, was gerade zitiert wurde, vor 2015 veröffentl­icht. Die Prominente­n, die ihm per Zeitungsan­zeige zur Seite sprangen, hätten all das wissen können. Spätestens nach Veröffentl­ichung von „Marionette­n“herrscht Klarheit: Xavier Naidoo wird nicht missversta­nden, er meint das echt so.

Wer ihm und seiner Argumentat­ion nicht folgen mag, sollte ihm widersprec­hen.

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FOTO: DPA Xavier Naidoo (45)

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