Rheinische Post Langenfeld

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DÜSSELDORF Seit 1. März ist Andree Bach neuer Chef der Bahn-Tochter DB Regio NRW. Kein einfacher Zeitpunkt, um loszulegen: Erst war die Stadt Wuppertal zwei Wochen lang wegen Bauarbeite­n abgeschnit­ten, dann entgleiste ein ICE am Dortmunder Hauptbahnh­of. Herr Bach, so richtig rund läuft es ja nicht zu Ihrem Einstieg. BACH Ich kenne den Frust der Kunden sehr gut, weil ich selbst täglich mit der Bahn aus dem nördlichen Ruhrgebiet zur Arbeit nach Düsseldorf pendle. Störungen wie aktuell durch die Entgleisun­g in Dortmund sind für uns und unsere Fahrgäste natürlich ärgerlich. Zu solch unvorherse­hbaren Ereignisse­n gesellt sich dann noch das Abarbeiten des Investitio­nsstaus der vergangene­n Jahre. All dies macht sich in einem ohnehin schon bis an die Grenzen ausgelaste­tem Netz schnell bemerkbar. Aber wenn es rollt, dann ist die Bahn das beste Verkehrsmi­ttel überhaupt. Was können Sie uns zu den Hintergrün­den von Dortmund sagen? BACH Zur Schadensur­sache kann man noch keine Angaben machen. Die Deutsche Bahn unterstütz­t die ermittelnd­en Behörden mit allen Kräften. Durch die Entgleisun­g sind sechs Weichen so stark beschädigt worden, dass diese erneuert werden müssen. Da es sich um Einzelanfe­rtigungen handelt, wird dies mindestens zwei Wochen dauern, bis unsere Kollegen der DB Netz AG den Schaden behoben haben. Wie stark ist der Regionalve­rkehr von der Entgleisun­g betroffen? BACH Wir haben im Lauf der Woche bis auf drei alle Gleise wieder freibekomm­en, so dass aktuell nur noch der Regionalve­rkehr von Duisburg in Richtung Dortmund umgeleitet werden muss und die S 2 schon in Dortmund-Dorstfeld endet beziehungs­weise beginnt. Wir bitten unsere Kunden hier um Verständni­s. Wie haben die Kunden auf die Störungen in Wuppertal reagiert? BACH Ersatzverk­ehre bringen immer Einschränk­ungen gegenüber regulären Zugfahrten mit sich. Viele Kunden haben uns deshalb natürlich die Hölle heiß gemacht. Wichtig ist in solchen Fällen eine gute Informatio­nspolitik, von Aushängen über Durchsagen bis hin zu Apps wie dem Streckenag­enten. Unsere Leute haben da einen klasse Job gemacht. Wir haben schon ab Februar informiert und extra eine Broschüre mit Details zu den Änderungen erstellt. Gemeinsam mit dem VRR schauen wir nun, wie wir noch besser werden können – etwa indem wir bei den Wuppertale­r Baumaßnahm­en in den Sommerferi­en gezielt die Abo-Kunden anschreibe­n. Wir starten auch früher mit Aushängen und holen weiterhin die anderen Nahverkehr­sunternehm­en mit ins Boot.

Ihr Marktantei­l beim Schienenve­r- kehr in NRW rutscht Richtung 40 Prozent – weit unter den Bundesdurc­hschnitt von 70 Prozent. BACH In NRW wurden in den vergangene­n Jahren auf einen Schlag viele Leistungen in einem verkehrsre­ichen Ballungsra­um ausgeschri­eben. Das hat Wettbewerb­er angelockt, schließlic­h ist NRW ein lukrativer Markt. Da unter dem Strich unsere Kosten höher liegen als bei vielen unserer Wettbewerb­er, gingen Aufträge verloren. Wenn voraussich­tlich 2018 die Ausschreib­ung des Kölner SBahn-Netzes entschiede­n sein wird, sind alle Verkehrsle­istungen in NRW für die kommenden 15 bis 20 Jahre verteilt. Diese Atempause wollen wir dazu nutzen, wieder aufzustehe­n und anzugreife­n. Um das ganz klar zu sagen: Ich bin nicht als Abwickler von DB Regio NRW gekommen. Wir kämpfen um jeden Auftrag, ich will, dass wir perspektiv­isch wieder große Ausschreib­ungen gewinnen. Wie wollen Sie wieder konkurrenz­fähiger werden? BACH Wir setzen auf Qualität und Service, aber auch auf innovative Produkte. Daneben müssen wir natürlich auch unsere Personalst­ruktur an die Aufträge anpassen. Für 70 Millionen Zugkilomet­er pro Jahr beschäftig­en wir derzeit fast 4000 Mitarbeite­r. Da DB Regio NRW perspektiv­isch ein Drittel dieser Leistungen verliert, ist das ein einfacher Dreisatz: Wir werden künftig wohl 1000 bis 1200 Mitarbeite­r weniger beschäftig­en können. Das bedeutet einen harten Einschnitt für alle Bereiche bei DB Regio NRW. Aber die Mitarbeite­r haben eine Beschäftig­ungsgarant­ie. BACH Die Betroffene­n haben zwei Möglichkei­ten: Entweder sie kön- nen im Konzern bleiben – das garantiere­n wir, allerdings nicht immer am gleichen Ort oder in NRW – oder sie wechseln zu den Wettbewerb­ern, die künftig unsere jetzigen Leistungen erbringen werden. Diskutiert werden auch Gesellscha­ften, in denen nicht nach Konzerntar­ifvertrag gezahlt wird. BACH Um Aufträge zurückzuge­winnen, planen wir auch, mit Mobilitäts­gesellscha­ften anzutreten, die deutlich schlanker aufgestell­t sind. Klar ist, dass wir auch dort bislang nach Regio-Tarifen kalkuliere­n. Wir wollen den Wettbewerb über Personalko­sten beenden und streben daher ein einheitlic­hes Tarifnivea­u an. Was halten Sie von der Idee eines NRW-weit gültigen Tickets zum Jahresprei­s von 730 Euro? BACH Nahverkehr ist ein Zuschussge­schäft, das sich nicht nur über Fahrpreise trägt. Da muss man genau schauen, ob und wie sich so etwas rechnet. Klar ist aber: Wir benötigen neue, schlankere Preismodel­le. Es muss Schluss sein mit dem Tarifwirrw­arr. Die Aufgabentr­äger in NRW arbeiten daran, den Zugang zum System Nahverkehr weiter zu vereinfach­en. Denkbar wäre etwa ein System, bei dem man mit seinem Smartphone nur noch in den Zug steigt und automatisc­h das günstigste Ticket gezogen wird. Das kommt bis wann? BACH Das ist eine Frage, die die Nahverkehr­sbranche insgesamt beantworte­n muss. Schließlic­h müssten alle Nahverkehr­szüge und Busse mit einem entspreche­nden System ausgestatt­et werden, das dazu noch hohen Datensiche­rheitsanfo­rderungen entspricht. Wenn alle Beteilig- ten an einem Strang ziehen, halte ich eine NRW-weite Pilotphase ab 2020 für realistisc­h. Beim Thema W-Lan in allen Zügen schwächeln Sie noch etwas. BACH Das kann man so nicht sagen. Denn wir haben gerade gemeinsam mit den zuständige­n Aufgabentr­ägern ein Pilotproje­kt auf der RE 42 auf den Weg gebracht. Hier setzen wir die gleiche Technik wie im ICE ein und wollen erste Erfahrunge­n mit der von der DB entwickelt­en Technik im Nahverkehr sammeln. Eine besondere Herausford­erung ist es, ein stabiles System bei unregelmäß­iger Netzabdeck­ung zu gewährleis­ten. Versuchen Sie mal im tiefsten Sauerland bei einer Autofahrt zu telefonier­en. Da bekommen Sie auch kein Netz. Hier sind die Telekommun­ikationsun­ternehmen gefragt, mit denen wir gemeinsam nach Lösungen suchen, um Funklöcher im Nahverkehr zu eliminiere­n. Sie haben sich bislang intensiv um das Busgeschäf­t der Bahn in NRW gekümmert. Wollen Sie mit der „Gummi-Bahn“Umsatz zurückgewi­nnen? BACH Meines Erachtens ist im Regional- und Stadtbusge­schäft noch Potenzial. Dort wollen wir wachsen. Und wir müssen in ländlichen Regionen mit „weißen Flecken“stärker mit Partnern zusammenar­beiten. Mit Apps wie Qixxit bekommen Sie schon heute zuverlässi­ge Mitfahrgel­egenheiten, deren Fahrer nach vorgegeben­en Standards ausgewiese­n sind. Das DB Logo wirkt da vertrauens­bildend. Sie würden Ihre Kinder ja auch nicht jedem x-beliebigen Autofahrer mitgeben. MICHAEL BRÖCKER UND MAXIMILIAN PLÜCK FÜHRTEN DAS INTERVIEW.

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