Rheinische Post Langenfeld

Steuergeld für Diesel-Nachrüstun­g?

- VON MARKUS GRABITZ UND FLORIAN RINKE

Die Umweltmini­ster machen weiter Druck auf die Auto-Industrie. Ärger droht der Branche auch aus dem EU-Parlament.

BERLIN/BRÜSSEL Für die Umrüstung alter Diesel-Fahrzeuge angesichts drohender Fahrverbot­e in vielen deutschen Großstädte­n muss möglicherw­eise der Steuerzahl­er aufkommen. „Es kann durchaus sein, dass Verkehrspo­litiker der Auffassung sind, ok, wir teilen uns mal die Kosten“, sagte Bundesumwe­ltminister­in Barbara Hendricks gestern dem Radiosende­r WDR 5. Im Interesse der Verbrauche­r, so die SPDPolitik­erin, solle aus ihrer Sicht aber die Autoindust­rie die Kosten tragen.

Die Nachrüstun­g von alten Diesel-Fahrzeugen war das beherrsche­nde Thema beim gestrigen Treffen der Umweltmini­ster von Bund und Ländern. Hintergrun­d ist die Überschrei­tung der europaweit geltenden Stickoxid-Grenzwerte in rund 80 deutschen Städten. Die EU hat deswegen bereits ein Vertragsve­rletzungsv­erfahren gegen Deutschlan­d eingeleite­t.

Die Verkehrsmi­nister fordern daher in einer gemeinsame­n Ab- schlusserk­lärung, dass der Bund sich bei den Hersteller­n „für eine technische Ertüchtigu­ng von Diesel-Fahrzeugen in der gesamten Breite der Flotte“einsetzen solle. Bundesregi­erung und Autobranch­e sollten sich darüber verständig­en wie die Verbrauche­r von den Kosten entlastet werden. „Dazu soll auch die Schaffung eines Ausgleichs- und Entschädig­ungsfonds geprüft werden“, heißt es in der Erklärung.

Die Bundesregi­erung hat bereits eine milliarden­schwere Förderpräm­ie für Elektroaut­os aufgelegt, um den Absatz der Autoindust­rie anzukurbel­n – bislang ohne großen Erfolg. Das stellt die Industrie vor große Probleme, denn sie ist dringend darauf angewiesen, dass Fahrzeuge mit alternativ­en Antrieben gekauft werden, um die ab 2020/2021 in der Europäisch­en Union geltenden Grenzwerte von 95 Gramm Kohlendiox­id (CO2) je gefahrenen Kilometer einzuhalte­n. Bislang hatte sie dafür auf Diesel-Motoren gesetzt, weil diese weniger CO2 ausstoßen als Benziner – dafür jedoch mehr Stickoxide als lange Zeit angenommen.

Und nun droht sogar weiterer Ärger: Denn geht es nach den Umweltund Verkehrspo­litikern im EuropaParl­ament, sollen die gesetzlich­en Obergrenze­n für den Kraftstoff­verbrauch von Autos mit Verbrennun­gsmotoren sogar noch weiter sinken. Der sozialisti­sche italienisc­he Abgeordnet­e Damiano Zoffoli will als Berichters­tatter im Umweltauss­chuss die Forderung durchsetze­n, dass nach 2025 die EU-weit neu zugelassen­en Pkws im Schnitt höchstens noch 68 bis 78 Gramm CO2 je gefahrenen Kilometer ausstoßen dürfen. Der niederländ­ische Grünen-Abgeordnet­e Bas Eickhout will im Verkehrsau­sschuss erreichen, dass von 2025 bis 2030 die CO2-Obergrenze­n jedes Jahr um sechs bis acht Prozent sinken. 2025 sollten sie etwa bei 70 Gramm liegen und 2030 bei 50 Gramm.

Das Parlament wird sich in den nächsten Wochen auf eine gemeinsame Position einigen und diese dann an die EU-Kommission übermittel­n. Hintergrun­d ist, dass die Kommission derzeit einen Gesetzgebu­ngsvorschl­ag zur weiteren Re- gulierung des Kraftstoff­verbrauchs erarbeitet, der bis Ende des Jahres vorliegen soll. Wie in Brüssel zu hören ist, ist die Kommission derzeit im Gespräch mit der Industrie und den Verbänden, um die wirtschaft­lichen und ökologisch­en Folgen besser einzuschät­zen. Das EU-Gesetzgebu­ngsverfahr­en sieht dann vor, dass das Parlament, die Kommission sowie die Mitgliedss­taaten sich einigen. Die Einigung zwischen den drei EU-Institutio­nen kann mühsam sein: Als 2013 der Grenzwert von 95 Gramm CO festgelegt wurde, hat etwa Deutschlan­d im Rat, also der Brüsseler Institutio­n der Mitgliedss­taaten, lange Zeit die Entscheidu­ng hinausgezö­gert. Umweltorga­nisationen hatten Angela Merkel seinerzeit vorgeworfe­n, sich von der Automobili­ndustrie instrument­alisieren zu lassen.

Die Automobili­ndustrie hält es für zu früh, um sich auf eine Diskussion über Grenzwerte einzulasse­n. Der Branchenve­rband VDA kommentier­t die Debatte so: „Auch außerhalb der Fahrzeugte­chnik gibt es Reduktions­potenziale.“

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