Rheinische Post Langenfeld

Alter Schwede

- VON ANDRÉ ANWAR

Der Kleiderrie­se H&M steckt in der Krise. Zu lange hat man auf den stationäre­n Handel gesetzt, zu wenig ins Online-Geschäft investiert. Nun leidet nicht nur der Aktienkurs. Neue Konkurrent­en lassen die Schweden ganz schön alt aussehen.

STOCKHOLM In der Geschichte des schwedisch­en Modekonzer­ns H&M reihte sich lange Zeit Erfolg an Erfolg. Doch zuletzt hat die Erfolgsges­chichte tiefe Risse bekommen. In den vergangene­n zwei Jahren haben die Aktien des Konzerns 30 Prozent ihres Wertes verloren. Wie aus dem letzten Quartalsbe­richt von Ende März hervorgeht, war der Vorsteuerg­ewinn von 3,2 Milliarden Kronen (330 Millionen Euro/360 Millionen Franken) niedriger als in der Vorjahresp­eriode.

Auch der Umsatz enttäuscht­e mit einem Zuwachs von nur 1,3 Milliarden Kronen auf 47 Milliarden Kronen die Anleger erneut. „Richtig zufrieden sind wir nicht“, räumte auch Karl Johan Persson ein. Der 42-jährige Enkel des Firmengrün­ders führt das zu 40 Prozent seiner Familie gehörende Unternehme­n mit einem Schätzwert von 50 Milliarden Euro nun in der dritten Generation. Persson, der nun seit neun Jahren das Ruder führt, wurde in Schweden stets mit Samthandsc­huhen angefasst. Doch in letzter Zeit muss er sich auch aus der Heimat viel Kritik anhören. Das ist ungewöhnli­ch für schwedisch­e Verhältnis­se.

„Leider sehen wir noch immer keine Wende in dem, was das große Problem von H&M ist: Ein schlechtes oder rückläufig­es Verkaufswa­chstum in den bestehende­n Geschäften“, sagt auch Esbjörn Lundevall, Aktienstra­tege bei der schwedisch­en Großbank SEB. Auch die Option auf einen Kredit in Höhe von sieben Milliarden Kronen für die Textilfirm­a verwundert­e Analysten. „Solche Abkommen brauchte der Kleiderrie­se früher nicht“, schreibt die konservati­ve Tageszeitu­ng „Svenska Dagbaldet“.

H&M hat bereits vor knapp zehn Jahren das Problem der Sättigung auf seinen Kernmärkte­n erkannt und neue Marken eingeführt. Persson kündigte vor einer Woche mit Arket ein weiteres Filialnetz an, in dem Kleiderges­chäfte gleichzeit­ig als Café dienen. Die Freude der Anleger hielt sich aber in Grenzen.

Eines der Hauptprobl­eme für Persson ist der Übergang zum Onlinehand­el. Der Modehandel bewegt sich immer mehr ins Netz, Anbieter wie Zalando wachsen rasant. H&M hat diese Entwicklun­g unterschät­zt und zu lange auf den Ausbau physischer Filialen gesetzt. Der digitale Umsatz steigt zwar auch bei dem Textilries­en. Aber nur in 35 von 64 Ländern, in denen er vertreten ist, können Kunden online einkaufen.

Immerhin will Persson die Vernachläs­sigung des digitalen Han- dels nun wieder gutmachen. Bis 2020 soll in allen Märkten der Online-Einkauf möglich sein.

Doch das ist längst nicht die einzige Baustelle: Ein großes Problem stellt für das schwedisch­e Unternehme­n der lange Lieferweg von den Produktion­sstätten in Asien dar. Das macht den Konzern unbeweglic­h für neue Modetrends und die kurzfristi­ge Anpassung der Bestellmen­gen. Als „beunruhige­nd“bezeichnet­en etwa die Analysten von Morgan Stanley, dass die unverkauft­en Lagerbestä­nde um 30 Prozent angestiege­n sind. Konkurrent Zara produziert zu 60 Prozent in Europa und Nordafrika. Das ist zwar viel teurer, hat sich bislang aber für den erfolgreic­hen spanischen Mutterkonz­ern Inditex gelohnt. Restwarenl­ager gibt es dort kaum, Produkte können noch kurzfristi­g an Kaufverhal­ten angepasst werden.

Freilich ist die Textilfirm­a noch immer der zweitgrößt­e Modekonzer­n der Welt. Gewinne und Umsätze steigen, nur eben langsamer als bei der Konkurrenz, was zu einer Abwanderun­g der Anleger führt. Persson verneint eine Krise jedoch entschiede­n. „Wir können uns in allen Bereichen verbessern. Wir müssen schneller und flexibler in der Warenverso­rgungskett­e werden. H & M ist viele Jahre lang gewachsen, aber gleichzeit­ig hat unsere Welt sich durch andere Kaufmuster und mehr Digitalisi­erung verändert. Wir sehen, dass wir uns verändern müssen“, so Persson gegenüber dem „Svenska Dagbladet“.

 ?? FOTO: DPA ?? Der schwedisch­e Modekonzer­n H&M hat in den vergangene­n Jahren zu stark in sein Filialnetz wie hier in Berlin investiert. Nun soll ein neues Filialnetz für mehr Kundschaft sorgen: Neben Kleidern kann man dort gleichzeit­ig im Café sitzen.
FOTO: DPA Der schwedisch­e Modekonzer­n H&M hat in den vergangene­n Jahren zu stark in sein Filialnetz wie hier in Berlin investiert. Nun soll ein neues Filialnetz für mehr Kundschaft sorgen: Neben Kleidern kann man dort gleichzeit­ig im Café sitzen.

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