Rheinische Post Langenfeld

Das Ein-Tore-Drama: Langenfeld steigt ab

- VON MICHAEL DEUTZMANN

Mehr als 500 Fans feiern den Handball-Drittligis­ten fürs 29:27 gegen Minden II. Aber der Sieg reicht nicht zum Klassenerh­alt.

LANGENFELD Das ist Wahnsinn. Die Statistike­r des Deutschen HandballBu­ndes haben addiert und sind für 2016/2017 in der 3. Liga West nach 240 Spielen auf 13 838 Treffer gekommen. Da kann es nicht auf ein einziges Tor ankommen. Normalerwe­ise. Trotzdem entschied sich genau daran das sportliche Schicksal des Handball-Drittligis­ten SG Langenfeld (SGL), der zum Saison-Abschluss mit dem großartig erkämpften 29:27 (13:14) über den TSV GWD

Dustin Thöne Minden II seine Hausaufgab­en machte. Dafür feierten die mehr als 500 Zuschauer die Mannschaft nachher ausgiebig. Der Traum vom Klassenerh­alt platzte trotzdem, weil Hilfe notwendig gewesen wäre – die jedoch ausblieb. Da die Keller-Konkurrent­en Ahlener SG und TuS Volmetal ebenfalls Siege holten, steigt Langenfeld in die Nordrheinl­iga ab.

Ahlen kam mit dem 28:21 bei der HSG Krefeld auf 20:40 Punkte und schafft über Rang 13 den direkten Klassenerh­alt. Volmetal stand nach dem 26:23 über den VfL Gummersbac­h II bei 19:41 Zählern – wie Langenfeld Die Entscheidu­ng musste nun der direkte Vergleich liefern. Die SGL kassierte hier in Volmetal ein 26:29, während sie im Heimspiel mit dem 36:33 ebenfalls drei Tore Differenz erzielte. Der TuS lag am Ende lediglich über die auswärts mehr erzielten Tore vorne und nimmt an der Qualifikat­ionsrunde der Drittliga-Drittletzt­en teil.

Langenfeld verweigert­e sich zunächst dem Nachrechne­n. Da kämen sicher viele Gelegenhei­ten in Frage – unter anderem der 8. Oktober 2016, als die SGL in Volmetal mehrmals die Wende verpasste und am Anfang der 60. Minute nur mit 26:27 zurücklag. Dann durfte Volmetals Kevin Herzog innerhalb von 30 Sekunden noch zweimal erfolgreic­h sein. In frischer Erinnerung könnte der 22. April 2017 sein. An diesem Abend führte der Aufsteiger beim TV Korschenbr­oich mit 25:23 (53.) und warf dann im Endspurt den Sieg weg. Mit einem Erfolg in Korschenbr­oich wäre Langenfeld durch gewesen, mit einem knappe-

Es ist vorbei. Die größere Portion Wehmut kam jedoch erst mit ein bisschen Verzögerun­g auf. Und sie hatte erstaunlic­h wenig damit zu tun, dass die SG Langenfeld (SGL) den Klassenerh­alt in der 3. Liga verpasste. Es ging um etwas anderes: Seit Samstagabe­nd gibt es die beste HandballMa­nnschaft, die Langenfeld jemals hatte, nicht mehr. In der 3. Liga bleiben zwei Spieler. Tim Menzlaff, der drittbeste Feldtorsch­ütze (ohne Siebenmete­r) in der Klasse, wechselt zurück zum Leichlinge­r TV. Dustin Thöne, der in den beiden vergangene­n Jahren den größten Sprung nach vorne gemacht hat, schließt sich wieder seinem früheren Verein ren Ergebnis in Volmetal in der Qualifikat­ion. Spielmache­r André Eich traf deshalb den Nagel auf den Kopf: „Es war unsere eigene Schuld.“

Beim letzten Auftritt legte die SGL eine Energielei­stung hin, für die sie von ihren Fans enthusiast­isch gefeiert wurde. Nach dem perfekten Auftakt und dem 6:3 (9.) entwickelt­e Longeriche­r SC an. Tobias Geske, ebenfalls einer der besonders ehrgeizige­n Spieler, hütet das Tor künftig für den Oberligist­en HG Remscheid. Kapitän Matthias Herff, Andreas Nelte und Alexander Klimke gehen in die Zweite – für die Trainer Dennis Werkmeiste­r als Spieler aktiv sein will, während der bisherige CoTrainer Thorsten Scholl ganz aussteigt. Krass ausgedrück­t: Das Team fällt auseinande­r. Nicht jeder, der geht, ist und war mit den Aussichten für die Zukunft einverstan­den. Etwas weniger krass ausgedrück­t: Es gibt einen Umbruch. Es ist vorbei. Für immer wird aber bleiben, dass es mit dieser Mannschaft eine geile Zeit war. Michael Deutzmann sich alles zäher, weil Minden nach einer Auszeit energische­r deckte und Langenfeld bei einer steigenden Fehlerquot­e viele Chancen ausließ. Kurz vor der Pause schien das Spiel den Gastgebern zu entgleiten – 9:9 (22.), 11:11 (26.), 12:14 (30.). Das 13:14 (30.) von Henrik Heider brachte für die zweite Hälfte neue Hoffnung, aber die Hausherren liefen vorerst weiter hinterher – 14:17 (34.), 15:18 (36.), 16:19 (38.), 17:21 (40.). Dann scheiterte Eich beim Siebenmete­r und das Spiel schien verloren zu sein. Doch das Gegenteil war der Fall, denn das Team bewies eine famose Moral. Die Halle war fortan ein Hexenkesse­l.

Nach dem 19:21 (43.), 22:23 (49.) und 23:24 (52.) glich Dustin Thöne zum 24:24 aus (54.). Beim Stande von 27:27 (57.) eroberte der inzwischen für Tobias Geske eingewechs­elte Torhüter Tobias Joest den Ball – weil er rechtzeiti­g aus dem Kasten geeilt war. Diese Szene war der letzte Schlüssel zur Wende und nach dem 28:27 (59.) von Steffen Hambrock machte Regisseur Eich mit dem 29:27 genau 37 Sekunden vor dem Ende alles klar. Fast. Und nur für dieses Spiel.

Manche waren hin- und hergerisse­n. „Ich bin im Moment einfach unglaublic­h stolz auf diese Mannschaft“, sagte Trainer Dennis Werkmeiste­r. „Schade, dass wir uns nicht mit dem Klassenerh­alt verabschie­den konnten“, fand Rückraumsp­ieler Tim Menzlaff. Kapitän Matthias Herff gab einen ehrlichen Einblick in seine Gefühlswel­t, weil er mit den Tränen zu kämpfen hatte. Und Keeper Tobias Geske kümmerte sich schnell um seinen kleinen Sohn Phil, um zunächst auf andere Gedanken zu kommen. Ein paar Minuten darauf war er gefasster – und noch immer nachdenkli­ch: „Ich bin unheimlich enttäuscht.“Das war nachvollzi­ehbar. Gerade eben hatte doch eins von mehr als 13 000 Toren darüber geurteilt, dass Langenfeld in die Nordrheinl­iga absteigt.

SGL: Joest, Geske – Thöne (2), Heider (7), Wolter (1), Preissegge­r (1), Adams (1), Klimke (1), Herff (2), Eich (7/5), Boelken, Menzlaff (2), Hambrock (2), Nelte (3).

„Ich habe in Langenfeld tolle Menschen getroffen und viele Freundscha­ften geschlosse­n“

SGL-Handballer, der nach Longerich geht

Das war ’ne geile Zeit

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RP-FOTOS (3): RALPH MATZERATH Entschloss­en: André Eich (mit Ball/rechts Dustin Thöne, links André Boelken) übernahm als Regisseur immer wieder Verantwort­ung.

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