Das Ein-Tore-Drama: Langenfeld steigt ab
Mehr als 500 Fans feiern den Handball-Drittligisten fürs 29:27 gegen Minden II. Aber der Sieg reicht nicht zum Klassenerhalt.
LANGENFELD Das ist Wahnsinn. Die Statistiker des Deutschen HandballBundes haben addiert und sind für 2016/2017 in der 3. Liga West nach 240 Spielen auf 13 838 Treffer gekommen. Da kann es nicht auf ein einziges Tor ankommen. Normalerweise. Trotzdem entschied sich genau daran das sportliche Schicksal des Handball-Drittligisten SG Langenfeld (SGL), der zum Saison-Abschluss mit dem großartig erkämpften 29:27 (13:14) über den TSV GWD
Dustin Thöne Minden II seine Hausaufgaben machte. Dafür feierten die mehr als 500 Zuschauer die Mannschaft nachher ausgiebig. Der Traum vom Klassenerhalt platzte trotzdem, weil Hilfe notwendig gewesen wäre – die jedoch ausblieb. Da die Keller-Konkurrenten Ahlener SG und TuS Volmetal ebenfalls Siege holten, steigt Langenfeld in die Nordrheinliga ab.
Ahlen kam mit dem 28:21 bei der HSG Krefeld auf 20:40 Punkte und schafft über Rang 13 den direkten Klassenerhalt. Volmetal stand nach dem 26:23 über den VfL Gummersbach II bei 19:41 Zählern – wie Langenfeld Die Entscheidung musste nun der direkte Vergleich liefern. Die SGL kassierte hier in Volmetal ein 26:29, während sie im Heimspiel mit dem 36:33 ebenfalls drei Tore Differenz erzielte. Der TuS lag am Ende lediglich über die auswärts mehr erzielten Tore vorne und nimmt an der Qualifikationsrunde der Drittliga-Drittletzten teil.
Langenfeld verweigerte sich zunächst dem Nachrechnen. Da kämen sicher viele Gelegenheiten in Frage – unter anderem der 8. Oktober 2016, als die SGL in Volmetal mehrmals die Wende verpasste und am Anfang der 60. Minute nur mit 26:27 zurücklag. Dann durfte Volmetals Kevin Herzog innerhalb von 30 Sekunden noch zweimal erfolgreich sein. In frischer Erinnerung könnte der 22. April 2017 sein. An diesem Abend führte der Aufsteiger beim TV Korschenbroich mit 25:23 (53.) und warf dann im Endspurt den Sieg weg. Mit einem Erfolg in Korschenbroich wäre Langenfeld durch gewesen, mit einem knappe-
Es ist vorbei. Die größere Portion Wehmut kam jedoch erst mit ein bisschen Verzögerung auf. Und sie hatte erstaunlich wenig damit zu tun, dass die SG Langenfeld (SGL) den Klassenerhalt in der 3. Liga verpasste. Es ging um etwas anderes: Seit Samstagabend gibt es die beste HandballMannschaft, die Langenfeld jemals hatte, nicht mehr. In der 3. Liga bleiben zwei Spieler. Tim Menzlaff, der drittbeste Feldtorschütze (ohne Siebenmeter) in der Klasse, wechselt zurück zum Leichlinger TV. Dustin Thöne, der in den beiden vergangenen Jahren den größten Sprung nach vorne gemacht hat, schließt sich wieder seinem früheren Verein ren Ergebnis in Volmetal in der Qualifikation. Spielmacher André Eich traf deshalb den Nagel auf den Kopf: „Es war unsere eigene Schuld.“
Beim letzten Auftritt legte die SGL eine Energieleistung hin, für die sie von ihren Fans enthusiastisch gefeiert wurde. Nach dem perfekten Auftakt und dem 6:3 (9.) entwickelte Longericher SC an. Tobias Geske, ebenfalls einer der besonders ehrgeizigen Spieler, hütet das Tor künftig für den Oberligisten HG Remscheid. Kapitän Matthias Herff, Andreas Nelte und Alexander Klimke gehen in die Zweite – für die Trainer Dennis Werkmeister als Spieler aktiv sein will, während der bisherige CoTrainer Thorsten Scholl ganz aussteigt. Krass ausgedrückt: Das Team fällt auseinander. Nicht jeder, der geht, ist und war mit den Aussichten für die Zukunft einverstanden. Etwas weniger krass ausgedrückt: Es gibt einen Umbruch. Es ist vorbei. Für immer wird aber bleiben, dass es mit dieser Mannschaft eine geile Zeit war. Michael Deutzmann sich alles zäher, weil Minden nach einer Auszeit energischer deckte und Langenfeld bei einer steigenden Fehlerquote viele Chancen ausließ. Kurz vor der Pause schien das Spiel den Gastgebern zu entgleiten – 9:9 (22.), 11:11 (26.), 12:14 (30.). Das 13:14 (30.) von Henrik Heider brachte für die zweite Hälfte neue Hoffnung, aber die Hausherren liefen vorerst weiter hinterher – 14:17 (34.), 15:18 (36.), 16:19 (38.), 17:21 (40.). Dann scheiterte Eich beim Siebenmeter und das Spiel schien verloren zu sein. Doch das Gegenteil war der Fall, denn das Team bewies eine famose Moral. Die Halle war fortan ein Hexenkessel.
Nach dem 19:21 (43.), 22:23 (49.) und 23:24 (52.) glich Dustin Thöne zum 24:24 aus (54.). Beim Stande von 27:27 (57.) eroberte der inzwischen für Tobias Geske eingewechselte Torhüter Tobias Joest den Ball – weil er rechtzeitig aus dem Kasten geeilt war. Diese Szene war der letzte Schlüssel zur Wende und nach dem 28:27 (59.) von Steffen Hambrock machte Regisseur Eich mit dem 29:27 genau 37 Sekunden vor dem Ende alles klar. Fast. Und nur für dieses Spiel.
Manche waren hin- und hergerissen. „Ich bin im Moment einfach unglaublich stolz auf diese Mannschaft“, sagte Trainer Dennis Werkmeister. „Schade, dass wir uns nicht mit dem Klassenerhalt verabschieden konnten“, fand Rückraumspieler Tim Menzlaff. Kapitän Matthias Herff gab einen ehrlichen Einblick in seine Gefühlswelt, weil er mit den Tränen zu kämpfen hatte. Und Keeper Tobias Geske kümmerte sich schnell um seinen kleinen Sohn Phil, um zunächst auf andere Gedanken zu kommen. Ein paar Minuten darauf war er gefasster – und noch immer nachdenklich: „Ich bin unheimlich enttäuscht.“Das war nachvollziehbar. Gerade eben hatte doch eins von mehr als 13 000 Toren darüber geurteilt, dass Langenfeld in die Nordrheinliga absteigt.
SGL: Joest, Geske – Thöne (2), Heider (7), Wolter (1), Preissegger (1), Adams (1), Klimke (1), Herff (2), Eich (7/5), Boelken, Menzlaff (2), Hambrock (2), Nelte (3).
„Ich habe in Langenfeld tolle Menschen getroffen und viele Freundschaften geschlossen“
SGL-Handballer, der nach Longerich geht
Das war ’ne geile Zeit