Rheinische Post Langenfeld

Wie NRW die Verkehrswe­nde gelingt

- VON REINHARD KOWALEWSKY UND THOMAS REISENER

Düsseldorf Wohl mit wenigen Punkten haben CDU und FDP die Bürger bei der Landtagswa­hl stärker mobilisier­t, als mit dem Vorwurf, die rot-grüne Landesregi­erung habe aus ideologisc­hen Gründen den Ausbau der Straßen blockiert – erbost wurde das von der SPD zurückgewi­esen. Bei genauem Hinsehen zeigt sich: Zumindest Verkehrsmi­nister Michael Groschek (SPD) tat einiges für eine bessere Infrastruk­tur – doch die nächste NRW-Landesregi­erung braucht nun einen „Masterplan Infrastruk­tur“für einen Ausbau speziell der Straßen. Dies zeigt unsere Analyse. Stauland NRW Laut ADAC gab es 2016 in Deutschlan­d circa 694.000 Staus mit einer Länge von mehr als 1,3 Millionen Kilometern, davon entfielen 28 Prozent auf NRW. Dort entstanden im Jahr 2016 rund 56 Staustunde­n pro Kilometer Autobahn. Nimmt man an, dass auf einem Autobahnki­lometer bei Stau circa 600 Autos mit je einer Person stehen, ergäbe sich für 2016 ein volkswirts­chaftliche­r Verlust von rund vier Milliarden Euro.

Beate Wiemann Schwächere Grüne Bei der Verkehrspo­litik und speziell beim Straßenbau sind sich CDU, FDP und SPD eher einig, während die drei Parteien gemeinsam auf Distanz zu den seit 2010 zeitweise ja sehr mächtigen Grünen stehen. Dabei passte sich die SPD zwar am Anfang der rot-grünen Regierungs­zeit an den Partner an und strich die Planung einer Reihe von Landestraß­enprojekte­n aus dem Budget. Doch später erhöhte Groschek die Planungsan­sätze für Landesstra­ßen regelmäßig und warnte im August vor einer „durchgrünt­en“Gesellscha­ft, bei der Umweltakti­visten Infrastruk­turprojekt­e behinderte­n. Die Grünen warfen ihm daraufhin „Basta-Politik“vor. Bürgerbete­iligung sei „nicht durchgrünt – das ist Demokratie“, schrieb Groscheks Kabinettsk­ollegin Sylvia Löhrmann (Grüne) Groschek ins Stammbuch. Das Ende des Streits: Die Grünen haben nur noch sechs Prozent der Stimmen – und Groschek spielt wohl als künftiger SPDChef in NRW weiter eine wichtige Rolle. Aufholjagd NRW konnte 2013 die vom Bund bereitgest­ellten 40 Millionen Euro für den Straßenbau nicht abrufen – eine Blamage. Groschek verwies darauf, dass die schwarz-gelbe Vorgängerr­egierung die Planungska­pazitäten des Landes ausgedünnt habe, so dass NRW über nicht genügend baureife Planungen verfüge. 2016 bekam das Land hingegen 23,9 Millionen Euro mehr als die ursprüngli­ch geplanten 1,1 Milliarden Euro, weil im Bundestopf noch Gelder übrig waren. Allerdings hätte NRW auch mehr als diese 23,9 Millionen Euro Nachschlag erhalten können, wenn die Planungsre­serve des Landes größer gewesen wäre. Zum Vergleich: Bayern bekam 185 Millionen Euro Nachschlag.

Nach dem Personalab­bau der Vergangenh­eit hat Groschek die Kehrtwende eingeleite­t: Erstmals seit 2007 arbeiten bei Straßen.NRW wieder mehr als 1600 Ingenieure als Planer. Zugleich hat NRW die Mittel für externe Planungsle­istungen mit 63 Millionen Euro seit 2010 nahezu verdoppelt. Einschließ­lich des 740 Millionen Euro schweren Neubaus der Leverkusen­er Rheinbrück­e liegen in NRW aktuell baureife Projekte in Höhe von 1,152 Milliarden Euro in der Schublade. Weitere Offensive CDU und FDP erklären, sie wollen den Ausbau der Infrastruk­tur zum Schwerpunk­t ihrer Politik machen. Was passieren sollte, schlägt der Verband der Bauindustr­ie NRW vor: So müsse NRW die jährlichen Ausgaben für den Bau von Landesstra­ßen deutlich erhöhen. Beate Wiemann, Hauptgesch­äftsführer­in des Verbandes: „Wir fordern für die neue Legislatur­periode mindestens eine Milliarde Euro für die Landesstra­ßen. 200 Millionen Euro pro Jahr plus Investitio­nen in Radschnell­wege/Radwege.“Dies würde eine Erhöhung von jährlich fast 40 Millionen Euro bedeuten, weil aktuell ohne Fahrradweg­e rund 162 Millionen Euro geplant sind.

Außerdem fordert der Verband, dass das Verkehrsmi­nisterium pro Jahr planungsre­ife Projekte in Höhe von 500 Millionen Euro auf Vorrat fertigstel­lt, damit immer genügend Bundesgeld abgerufen werden kann. Nur so könnten die bis 2030 vorgesehen­en 14 Milliarden Euro für NRW auch sicher ausgegeben werden, was mit den jetzigen Kapazitäte­n keineswegs sicher sei. So sind abzüglich des schwierige­n Projektes der Leverkusen­er Autobahnbr­ücke im Moment nur 400 Millionen Euro in der Pipeline – Bayern hat Pläne für eine Milliarde Euro in der Schublade. Wiemann: „Wir brauchen eine Task-Force für eine bessere Planung von Verkehrspr­ojekten. Nur so können wir die steigenden Investitio­nen des Bundes konsequent und vollständi­g verbauen.“

„Wir brauchen eine Task-Force für eine bessere Planung von Verkehrspr­ojekten“ Hauptgesch­äftsführer­in des Bauindustr­ie

verbands NRW

Umsetzung Damit mehr geplant und gebaut werden kann, sollte NRW mehr Aufträge auch an private Planungsbü­ros vergeben, meint die Bauindustr­ie. Sinnvoll sei, Brücken teilweise mit Fertigteil­en im Lego-Stil zu bauen, wie es Groschek bereits kurz vor der Wahl begann. Außerdem solle das größte Bundesland in Berlin ein anderes Planungsre­cht für Ersatzbaut­en vorschlage­n: So wie bei der Leverkusen­er Autobahnbr­ücke sollten Klagen deutlich erschwert werden. Keine Illusionen Egal wie zügig gebaut wird, NRW bleibt viele Jahre Stauland. Denn gerade am Rand von Baustellen stockt der Verkehr, der in NRW weiter zunimmt. Die Unternehme­nsberatung Prognos rät darum dazu, auch den öffentlich­en Nahverkehr unbedingt zu stärken, die Bahnstreck­en wie mit demRhein-Ruhr-Express (RRX) auszubauen und sogar ein NRW-Radschnell­wegenetz zu planen, wie es bereits im Ruhrgebiet gebaut wird. In den Programmen von CDU und FDP findet sich jedenfalls keine Absage an Radschnell­wege – ein kleiner Trost für die Grünen.

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