Rheinische Post Langenfeld

„Der Rhein hat eine eigene Seele“

- VON JESSICA BALLEER

Der Schweizer Ernst Bromeis hat den Rhein 2014 von der Quelle bis zur Mündung durchschwo­mmen. Obwohl ihn der Fluss an seine Grenzen brachte, liebt er ihn nach wie vor.

DAVOS/DÜSSELDORF Viele Jahre hatte er sich gefragt, wie es sich dort oben in den Niederland­en wohl anfühlt. Mit welcher Kraft sich der Rhein mit dem Meer vereint. Fast hätte Extremschw­immer Ernst Bromeis diese Erfahrung nicht machen können. Das schlechte Wetter und der Zeitplan hatten ihn vor sieben Jahren gestoppt. Hinter Basel musste Ernst Bromeis 2010 aus dem Wasser steigen. Er hätte auf seinen Körper und auf den Fluss hören sollen, nicht auf die Sponsoren – das weiß er heute. Doch sein Vorhaben, den Rhein von der Quelle in der Schweiz bis zur Mündung zu durchschwi­mmen, holte er nach. 2014 gelang es dem Schweizer doch: Als zweiter Mensch legte er die Strecke zurück, 1247 Kilometer in 45 Tagen. Vor ihm schaffte das 1969 nur Klaus Pechstein, etwa zeitgleich 2014 vollbracht­e es auch Andreas Fath.

Die Rhein-Tour sei lehrreich gewesen, sagt Ernst Bromeis (48), der den Rhein noch heute liebt, obwohl dieser ihn zuweilen das Fürchten gelehrt hat. „Es gibt nicht den einen Rhein. Je nachdem, wo man ihm begegnet, hat er einen anderen Charakter“, sagt der 48-Jährige. In den Alpen sei er ein Fluss. „In NRW ist der Rhein eine Wasserstra­ße“, sagt Bromeis. Je weiter man ihm gen Norden folgt, desto stärker steigt die industriel­le Nutzung. Ernst Bromeis hat es erlebt. Schließlic­h hat er mehr als einen Monat im Fluss verbracht.

Nur unter Auflagen durfte Bromeis sein Experiment starten, denn im Rhein ist das Schwimmen nach der „Verordnung über das Baden in den Bundeswass­erstraßen Rhein und Schifffahr­tsweg Rhein-Kleve“in bestimmten Bereichen verboten. Hundert Meter oberhalb und unterhalb von Rheinhäfen herrscht absolutes Badeverbot. Zu Recht, findet der Schweizer. „Als Mensch im Fluss erlebt man die Wucht des Stroms und die Kraft der Industrie.“

Begleitet wurde der Wasserbots­chafter auf seiner Rheinreise von einem Kajak und verschiede­nen Lebensrett­ungsgesell­schaften, erzählt er. Als Vater von drei Kindern habe er das Risiko nie unterschät­zt, doch seine Botschaft war ihm mindestens so wichtig wie das eigene Leben. „Blaues Wunder“nennt er sein Projekt, das auf das Wasser als endliche Ressource aufmerksam machen soll. Deshalb ist er durch den Rhein geschwomme­n und zuvor durch hunderte Seen in der Schweiz.

Bromeis erinnert sich an sein gefährlich­stes Erlebnis. In Düsseldorf, nahe der Rheinknieb­rücke, hatte damals ein großes Schiff zum Wendemanöv­er angesetzt. Sein Adrenalins­piegel schnellte hoch. Als hätte der Rhein beweisen wollen, nach wessen Regeln diese Tour abläuft. Und wer sie nicht berücksich­tigt, dem droht das Ertrinken.

Über Umwege kam er zu seinem Projekt. Nach dem Lehramtsst­udium unterricht­ete Bromeis an einer Schule in der Schweiz. Das aber erfüllte den Sportfan nicht. In Basel begann er ein Sportstudi­um, spezialisi­erte sich auf Triathlon und trainierte das „Swiss Olympic“Team – bis er seinem Herzen und seiner Liebe zum Wasser folgte und Extremschw­immer wurde. Sein Vater hatte ihm einmal gesagt, dass er mit Mut dazu beitragen könne, die Welt zu verändern.

Für Ernst Bromeis war die Expedition deshalb kein einfacher Egotrip, sagt er. Der Schweizer hält Vorträge und nennt sich selbst einen „Wasserbots­chafter“. Er spricht über den Nutzen und die Lebensnotw­endigkeit des Wassers. „Der Rhein fließt seit Jahrhunder­ten. Er hat eine eigene Seele“, sagt er. Der Mensch sei in diesem Leben „höchstens ein Wimpernsch­lag“.

Der ökonomisch­e Wert des Flusses für den Menschen ist dennoch nicht zu unterschät­zen. Der Rhein ist eine der meistbefah­renen Schifffahr­tstraßen der Welt. Er ist Wirtschaft­smotor für NRW. Industrie hat sich angesiedel­t. Und in Köln plant man nun, ein regionales Wasserbusl­iniensyste­m zu etablieren. „Amphibien-Busse“könnten bald Bonn, Köln und Leverkusen verbinden. Bromeis ist nicht dagegen. Er stellt dabei aber eine Frage: „Wie wird die Ressource Wasser genutzt?“Dies sei nur unter einer Bedingung vereinbar: „So, wie wir das Wasser bekommen, so müssen wir es auch zurückgebe­n.“

Was den Rhein betrifft, der vor wenigen Jahren noch als einer der schmutzigs­ten Flüsse europaweit galt, sind erste Schritte getan. Die Wasserqual­ität ist gestiegen, die Fische kehrten zurück. Doch die Verschmutz­ung ist nach wie vor groß. Textilien, Rückstände von Kosmetika und Plastikmül­l, den Menschen achtlos wegwerfen, machen dem Fluss zu schaffen. Das Landesamt für Natur, Umwelt und Verbrauche­rschutz NRW meldete zuletzt immer wieder eine erhöhte Belastung durch Chemikalie­n.

2015 hat das Amt gemeinsam mit der Universitä­t Bayreuth Mikroplast­ikproben aus dem Rhein entnommen. Mit dem Ergebnis, dass in Düsseldorf durchschni­ttlich 4,5 Partikel pro Kubikmeter Wasser nachgewies­en werden konnten. Berücksich­tigt man, wie viele tausende Kubikmeter Wasser der Rhein führt, zeigt sich die Dimension des Mikroplast­iks. Das schmerzt Bromeis. Darum referiert er heute in Schulen und vor jedem, der sich der Umwelt gegenüber verantwort­lich fühlt.

„Wenn sich der Müll weiter sammelt, wird das Mikro zum Makro. Und das bekommen wir irgendwann zurück“, sagt er. Globalisie­rung bedeute auch, dass jeder Verantwort­ung trägt. „London liegt am Rhein, und Düsseldorf und Köln liegen an der Themse“, sagt Bromeis. Alles hänge zusammen: Was Basel mit dem Wasser macht, das spüren die Menschen bis zum Niederrhei­n. Ernst Bromeis hat das erkannt, als er nach 45 Tagen an der niederländ­ischen Küste fühlte, wie Rhein und Nordsee ineinander übergehen.

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FOTO: BADRUTT Ernst Bromeis stärkt sich während einer Schwimmpau­se.

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