Rheinische Post Langenfeld

Brasiliens Präsident in Korruption­sskandal verwickelt

- VON GEORG ISMAR

Staatschef Michel Temer soll Mitwisser zum Schweigen gebracht haben wollen. Er streitet das ab, einen Rücktritt schließt er aus.

BRASÍLIA (dpa) Ein neues politische­s Erdbeben erschütter­t derzeit Brasilien und lässt den Ruf nach einem Rücktritt von Präsident Michel Temer immer lauter werden. Er soll aktiv daran beteiligt gewesen sein, einen Mitwisser in einem Korruption­sskandal mit Hilfe von Geldzahlun­gen zum Schweigen zu bringen. In Brasília war nach dem Bekanntwer­den von angeblich schwer belastende­n Tonaufnahm­en von einer „Bombe“die Rede. Von allen Seiten kamen Forderunge­n nach Rücktritt und Neuwahlen. Präsident Temer stritt die Vorwürfe ab und kündigte gestern Abend in Brasília an: „Ich werde nicht zurücktret­en.“

Dem Portal „O Globo“zufolge gab es ein Treffen Temers mit Joesley und Wesley Batista – den Brüdern gehört der größte Fleischkon­zern der Welt, JBS. Auch gegen diesen wird wegen diverser Unregelmäß­igkeiten ermittelt. Präsident Temer soll dabei grünes Licht gegeben haben, den inhaftiert­en Ex-Parlaments­präsidente­n Eduardo Cunha mit einer Geldzahlun­g zum Schweigen zu bringen. Cunha gilt als einer der bestinform­ierten Politiker Brasiliens, wenn es um Verwicklun­gen im Lava-Jato-Korruption­sskandal geht, der das Land seit drei Jahren in Atem hält und die ganze politische Klasse in Misskredit gebracht hat.

Temer ließ mitteilen, dass er niemals Zahlungen für das Schweigen Cunhas vorgeschla­gen habe. Das Treffen an sich wurde bestätigt, es fand Anfang März statt. Laut „O Globo“soll anschließe­nd der Abgeordnet­e Rodrigo Rocha Loures von Temers Partei der demokratis­chen Bewegung (PMDB) dabei gefilmt worden sein, wie er einen Geldkoffer mit 500.000 Reais (146.000 Euro) entgegenna­hm – er soll von Temer mit dem Lösen der Sache beauftragt worden sein. Das Geld soll von Joesley Batista stammen, hieß es. Auch Cunha ist Mitglied der PMDB. Zudem soll der Senator und Ex-Präsidents­chaftskand­idat Aécio Neves zwei Millionen Reais (580.000 Euro) von dem Unternehme­r Batista gefordert haben, um JBS beim Lösen der Probleme zu helfen – die Justiz gilt vielen Bürgern als letzte glaubwürdi­ge Instanz. Der Oberste Gerichtsho­f ließ Neves’ Immunität aufheben, gestern gab es Razzien. Auch die Immunität des Geldüberbr­ingers Loures wurde aufgehoben, beiden droht nun Gefängnis. Batista soll das Gespräch mit Temer aufge- zeichnet haben; Temers Schicksal hängt nun von dem Richter am Obersten Gerichtsho­f, Edson Fachin, ab. Ihm gegenüber machten Joesley Batista und sein Bruder Wesley die brisanten Aussagen und ihm händigten sie auch das Beweismate­rial aus – wohl, um von einer Kronzeugen­regelung zu profitiere­n.

Kommentato­ren sprachen von einer „Atombombe, die über dem Land explodiert“. Mit Blick auf die Turbulenze­n um US-Präsident Donald Trump war die Rede davon, dass sich zeitgleich die Regierunge­n der beiden größten Demokratie­n der westlichen Hemisphäre in dra- matischen Krisen befänden. Die Bewegungen, die 2016 auf der Straße für die Absetzung der Präsidenti­n Dilma Rousseff gekämpft hatten, fordern nun Temers Aus. Rousseffs linke Arbeiterpa­rtei (PT) fordert Neuwahlen. Temer hatte Rousseff vor einem Jahr abgelöst, die wegen angebliche­r Bilanztric­ks des Amtes enthoben worden war. Temer konnte sich bisher schadlos halten. Aber die Vorwürfe könnten den 76-Jährigen zu Fall bringen. In Umfragen gilt Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva (2003 bis 2010) von der PT als Favorit – aber auch gegen ihn laufen Korruption­sermittlun­gen.

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FOTO: IMAGO Robert Mueller (72) war von 2001 bis 2013 FBI-Chef.

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