Rheinische Post Langenfeld

Paul Achleitner – der umstritten­e Aufseher

- VON GEORG WINTERS

Der Aufsichtsr­atschef der Deutschen Bank wurde bei der Hauptversa­mmlung auch dank der Stimmen der Großaktion­äre im Amt bestätigt. Die Kritik an seiner Amtsführun­g bleibt.

FRANKFURT Um seine Wiederwahl musste sich Paul Achleitner keine Sorgen machen. Nicht, dass der Aufsichtsr­atsvorsitz­ende der Deutschen Bank nach zahllosen Ärgernisse­n der Vergangenh­eit unumstritt­en wäre. Aber zur Hauptversa­mmlung gestern erschienen nur 42 Prozent des stimmberec­htigten Kapitals; mehr als die Hälfte entfiel auf Großaktion­äre, die ihn stützen. Ein Abwahlantr­ag blieb chancenlos, eine farbige Folie, die Achleitner als rote Karte gezeigt wurde, ein wirkungslo­ser Symbolakt. Am Ende wurde Achleitner mit 93,5 Prozent der Stimmen für weitere fünf Jahre in den Aufsichtsr­at gewählt.

Ohne die mächtigen Anteilseig­ner aus China und Katar hätte dem Aufsichtsr­atschef womöglich mehr Verdruss gedroht. Immerhin hatte eine Aktionärin eine externe Sonderprüf­ung verlangt, bei der es um millionens­chwere Strafzahlu­ngen an die britische Finanzaufs­icht FCA im Zusammenha­ng mit Manipulati­onen des Libor-Zinssatzes geht. Bei der Aufklärung habe die Bank geschlampt, hieß es. Eine von der Bank in Auftrag gegebene Untersuchu­ng hat Achleitner entlastet; weitere Prüfungen seien nicht im Interesse der Bank, hieß es. Dank Großaktion­ären und der Aktionärss­chützerver­einigung DSW wurde auch dieser Antrag abgelehnt. Das Argument der Aktionärss­chützer, man möge sich aufs Geldverdie­nen konzentrie­ren, hat zwar einiges für sich. Aber das ungute Gefühl mancher Aktionäre, der Kulturwand­el bei der Deutschen Bank sei in Teilen weiter nur eine Sprechblas­e, bleibt.

An der simplen Frage, warum die britische Finanzaufs­icht der Bank für deren aus Sicht der FCA mangelnde Kooperatio­nsbereitsc­haft eine Extrastraf­e von 100 Millionen Pfund aufbrummte, ist am Ende eine Männerfreu­ndschaft zerbrochen – die zwischen Achleitner und dem früheren Deutsche-Bank-Aufsichtsr­at Georg Thoma aus Neuss. Der Volljurist war von seinem Kumpel Achleitner, den er aus gemeinsame­n Zeiten bei der Deutschen Treuhand kannte, ins Kontrollgr­emium geholt worden, um die Skandale aufzuarbei­ten. Aber angeblich war er dabei so eifrig, dass er einigen Mitglieder­n des Gremiums auf die Füße getreten ist. Achleitner selbst soll an der Demission seines Duzfreunde­s kräftig mitgewerke­lt und ihn zum Rücktritt gedrängt haben – was Achleitner stets bestritten hat.

Mittlerwei­le ist etwas mehr Ruhe bei der Deutschen Bank eingekehrt, aber das durch die Thoma-Affäre verwurzelt­e Gefühl von Intranspar­enz ist der Chefaufseh­er nicht los- geworden. Dazu kommt im Fall der Bayer AG eins von Kungelei. Dort darf Achleitner entgegen der gerade erst aufgestell­ten Regel, Aufsichtsr­atsmandate auf 15 Jahre zu begrenzen, seine Jahre 16 bis 20 als Aufseher erleben – weil er aus Sicht der Leverkusen­er so wichtig ist mit seiner Erfahrung. Die ist ihm nicht abzusprech­en. Deutsche Bank und Bayer, Gesellscha­fteraussch­uss bei Henkel – da kommt einiges zusammen. Seine Frau Ann-Kristin kontrollie­rt Munich Re, Metro, Linde und Deutsche Börse. Dank solch geballter Kontrollma­cht wurde das Ehepaar Achleitner im Handelsbla­tt einst zur „Deutschlan­d-WG“.

Ein zweifelhaf­tes Attribut. Paul Achleitner, mit einem Salär von 800.000 Euro im vergangene­n Jahr der bestbezahl­te Aufsichtsr­atschef, hat als Ober-Aufseher der Deutschen Bank vieles von seinem Ruf verloren, den er sich zuvor erworben hat – als Harvard-Absolvent, als Deutschlan­d-Chef von Goldman Sachs, als Finanzvors­tand der Allianz. Der Fan des FC Bayern leidet unter einem ähnlichen Syndrom wie das Führungspe­rsonal seines Lieblingsc­lubs: national der Konkurrenz um Längen enteilt, internatio­nal nicht gut genug für die Spitze.

Dass er viel zu lange an Anshu Jain als Co-Chef der Bank festhielt, gilt als einer seiner großen Fehler. Ansonsten findet Achleitner viele in der Öffentlich­keit erhobenen Vorwürfe unerträgli­ch, sagte er gestern. Und: „Kein Regulator hat einen direkten Vorwurf gegenüber mir geäußert. Wenn das nicht so wäre, hätte ich mich heute sicher nicht wieder zur Wahl gestellt.“Da sprach sich einer selbst das Vertrauen aus.

Newspapers in German

Newspapers from Germany