Rheinische Post Langenfeld

Hunold wird Air Berlins Chefkontro­lleur

- VON REINHARD KOWALEWSKY

Einst gründete Joachim Hunold Air Berlin. Dann steuerte er die Fluggesell­schaft in die Krise. Nun wird der 67-Jährige für eine Übergangsz­eit Oberaufseh­er. Die Aktie legt um fast zehn Prozent zu.

DÜSSELDORF/BERLIN Größer könnte ein Kontrast nicht sein: Ende April verkündete Thomas Winkelmann als neuer Vorstandsc­hef von Air Berlin, dass die alte Strategie völlig gescheiter­t sei. Es sei falsch gewesen, mit immer neuen Zukäufen wie der Düsseldorf­er LTU oder der Deutschen BA in Luftfahrta­ktivitäten aller Art vom Ferienflug­verkehr nach Mallorca bis hin zu diversen Geschäftsr­eisen in Europa vorzustoße­n. Man habe sich zur „Eier legenden Wollmilchs­au“entwickelt, spottete Winkelmann. Künftig werde Air Berlin sich dagegen nur noch auf Flüge ab Düsseldorf und Berlin hin zu größeren Städten inklusive einigen Langstreck­enzielen konzentrie­ren. Die gerade in Düsseldorf so beliebten Ferienjets nach Mallorca wandern in eine Gemeinscha­ftsfirma mit Tui ab.

Doch seit gestern ist ausgerechn­et der Erfinder der Allround-Strategie neuer Chefkontro­lleur von Air Ber- lin: Joachim Hunold, legendärer Gründer des Unternehme­ns im Jahre 1991 und danach bis 2011 Vorstandsl­eiter, ist Verwaltung­sratschef geworden. Bisher war der 67Jährige nur stellvertr­etender Verwaltung­sratschef. Doch der bisherige Primus Joachim Körber (früher Metro-Chef) hat sein Amt mit Erreichen des 70. Lebensjahr­es niedergele­gt, wie Air Berlin gestern erklärte.

Wie lange Hunold (67) das neue Amt haben wird, ist unklar: Er werde das Aufsichtsg­remium bis zur Wahl eines dauerhafte­n Nachfolger­s kommissari­sch leiten, teilte Air Berlin mit. Insider gehen von einer Frist von wenigen Wochen aus.

Börsianer waren trotzdem begeistert: Nachdem bekannt wurde, dass Hunold wieder mehr mitmischt, sprang der Kurs gestern um fast zehn Prozent hoch.

Der Aufstieg und tiefe Fall der Hauptstadt-Fluglinie mit starker Präsenz in Düsseldorf sind eng mit Hunold verknüpft. Er hatte das Ziel gehabt, Lufthansa auf fast allen Ge- bieten herauszufo­rdern. Doch nach Verlusten von weit mehr als eine Milliarde Euro ist die Strategie gescheiter­t: Der 2006 an die Börse gegangene Konzern ist auch nach dem Kurssprung nur noch lächerlich­e 100 Millionen Euro wert. Die Schulden liegen bei mehr als einer Milliarde Euro. Pro Kopf der verblieben­en 8000 Mitarbeite­r schrieb Air Berlin im vergangene­n Jahr mehr als 100.000 Euro an roten Zahlen.

Dabei zeigt die Person des Vorstandsc­hefs, wohin die Reise geht: Der 57-jährige Winkelmann war mehr als 20 Jahre Spitzenman­ager bei Lufthansa, bevor er im Februar Leiter von Air Berlin wurde. Jetzt pokern Lufthansa und Air Berlins Haupteigen­tümer, Etihad aus Abu Dhabi, um die Zukunft. Knapp 40 Jets von Air Berlin fliegen bereits als „Wetlease“(Komplett-Überlassun­g) für den Lufthansa-Ableger Eurowings. Das bedeutet, die Crews kommen von Air Berlin, doch die Tickets verkauft Eurowings.

Nun will Lufthansa, dass Etihad die Schulden von Air Berlin übernimmt. Im Gegenzug könnte es eine breite Kooperatio­n bei Flügen geben. Und als entscheide­nden Schritt würde Air Berlin komplett von Eurowings übernommen. Viele Jobs und Strecken würden so wohl gerettet. Joachim Hunolds Vision einer eigenständ­igen Airline hätte sich aber erledigt.

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FOTO: DPA Joachim Hunold hat neue Macht bei Air Berlin. Unser Bild zeigt ihn 2006 bei der Vorstellun­g der Bilanz, damals war er Vorstandsc­hef der Fluglinie.

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